Start Politik Branchenverband Game vor entscheidenden Vorstands-Wahlen (Update)

Branchenverband Game vor entscheidenden Vorstands-Wahlen (Update)

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Der frisch gewählte Vorstand des Game-Verband (von links): Stefan Marcinek, Ralf Wirsing, Linda Kruse, Jens Kosche, Lars Janssen, Geschäftsführer Felix Falk (Foto: Game / Jakob Nawka)
Der frisch gewählte Vorstand des Game-Verband (von links): Stefan Marcinek, Ralf Wirsing, Linda Kruse, Jens Kosche, Lars Janssen, Geschäftsführer Felix Falk (Foto: Game / Jakob Nawka)

Heute wählen die Game-Mitglieder einen neuen Vorstand – und stellen damit die Weichen für die kommenden Jahre.

Update vom 1. Juni 2022: Das Ergebnis der Vorstandswahl steht fest: Koch-Media-Manager Lars Janssen übernimmt den Vorsitz – Astragon-Geschäftsführerin Julia Pfiffer ist seine Stellvertreterin. Ubisoft-Deutschland-Chef Ralf Wirsing gehört weiterhin dem Game-Vorstand an. Neu im Gremium sind Christian Kluckner (Chimera Entertainment) und Gründerin Johanna Janiszewski (Tiny Crocodile Studios UG).

Weitere Details finden Sie in diesem Beitrag.


Update vom 31. Mai 2022: In Berlin treffen sich am heutigen Dienstag die Mitglieder des Branchenverbands Game, um den neuen fünfköpfigen Vorstand zu wählen. Sobald die Ergebnisse feststehen, wird dieser Beitrag aktualisiert.


Meldung vom 23. Mai 2022: Läuft. So lässt sich der Zustand der deutschen Games-Industrie im Frühsommer des Jahres 2022 subsumieren. Der Umsatz mit Videospielen wächst stramm, überall gibt es Neugründungen, der Bund wird die Studios weiterhin mit zweistelligen Millionen-Beträgen subventionieren – und selbst die Gamescom wird nach Lage der Dinge wieder in (fast) gewohnter Form stattfinden können.

Das Gamescom-Comeback im August ist auch deshalb von großer Bedeutung ist, weil Messen und Konferenzen abseits von Mitgliedsbeiträgen den traditionell größten Einnahmenblock von Industrieverbänden wie dem Game bilden. Von der Geschäftsstelle in der Berliner Friedrichstraße aus lobbyiert der Verband im Auftrag der mehr als 350 Mitglieder, die wiederum von einem fünfköpfigen Vorstand repräsentiert werden.

In der derzeitigen Konstellation spiegelt der Game-Vorstand die hiesige Branche allerdings nur unzureichend wieder. Denn vier von fünf Mitgliedern stehen auf der Payroll internationaler Publisher, darunter einige der weltgrößten Anbieter von PC- und Videospielen:

  • Ralf Wirsing (Vorstandsvorsitzender) – im Hauptberuf Managing Director der Deutschland-Zentrale des französischen Publishers Ubisoft in Düsseldorf (Far Cry 6, Assassin’s Creed Valhalla, Anno 1800 / Filial-Umsatz: 70 Mio. €)
  • Linda Kruse (stellvertretende Vorstandsvorsitzende) – Gründerin und Geschäftsführerin des preisgekrönten Kölner Indie-Studios The Good Evil. Nach GamesWirtschaft-Informationen wird Kruse nach in Summe sechsjähriger Amtszeit nicht erneut kandidieren.
  • Lars Janssen – Vice President World Wide Studios & Talent bei Koch Media (Chorus, Kingdom Come: Deliverance, Metro: Exodus). Der Münchener Spiele-Publisher und -Distributor beschäftigt mehr als 2.200 Mitarbeiter und ist Teil des größten europäischen Publishers Embracer Group.
  • Jens Kosche – langjähriger Managing Director der Kölner Niederlassung des US-Publishers Electronic Arts (FIFA 22, Battlefield 5 / Filial-Umsatz: mehr als 80 Mio. €). Seit gut einem Jahr ist Kosche Head of Western Europe Commercial in der Schweizer Europa-Zentrale von Electronic Arts in Genf. Das Unternehmen ließ auf Anfrage offen, ob Kosche vor diesem Hintergrund erneut antritt.
  • Julia Pfiffer – Co-Geschäftsführerin von Astragon Entertainment in Düsseldorf (Landwirtschafts-Simulator, Bau-Simulator / Umsatz: 26 Mio. €). Der Publisher wurde Anfang des Jahres bei einer Bewertung von 100 Mio. € vom britischen Spielehersteller Team 17 übernommen. Keine 48 Stunden vor Ankündigung des Team-17-Deals war bekannt geworden, dass Pfiffer das Amt von Assemble Entertainment-Chef Stefan Marcinek übernommen hat, der zuvor aus persönlichen Gründen vom Vorstandsposten zurückgetreten ist.
Angela Merkel und Staatsministerin Dorothee Bär (3. von rechts) begrüßen Vorstand und Geschäftsführung des Game-Verbands im Kanzleramt.
Angela Merkel und Staatsministerin Dorothee Bär (3. von rechts) begrüßen Vorstand und Geschäftsführung des Game-Verbands im Kanzleramt.

Auf den ersten Blick fällt auf: Die aktuelle Zusammensetzung weist eine erkennbare Unwucht zugunsten nationaler Töchter großer PC- und Konsolenspiel-Hersteller auf. Spätestens nach Marcineks und Kruses Rückzug sind inhabergeführte Publisher und Entwickler genauso unterrepräsentiert wie Startups und Indies. Gänzlich außen vor bleiben zudem Anbieter von Online-, Mobile- und Browsergames, die ja für den Games-Standort Deutschland nicht nur historisch, sondern auch mit Blick auf Umsatz und Marktanteil eine ungleich größere Bedeutung haben als das Geschäft mit Vollpreis-Titeln via Disc und Download.

In der Branche wächst daher die Sorge, dass durch die die Neuwahlen der Einfluss umsatzstarker, internationaler Blockbuster-Publisher zementiert wird, während Gründer sowie kleinere und mittelgroße Studios keine Stimme im obersten Game-Gremium (mehr) haben.

Ändern ließe sich das nur, wenn mehr Unternehmer und Unternehmerinnen ihren Hut in den Ring werfen. Bei einer unrepräsentativen Befragung der Redaktion unter etablierten Mittelständlern zeichnet sich allerdings ein unterentwickeltes Interesse ab, erstmals für den Game-Vorstand zu kandidieren – überwiegend begründet durch fehlende Zeit für ein (weiteres) Ehrenamt. Schließlich sind etliche Studio-Chefs bereits in regionalen Standortinitiativen und Gremien engagiert.

Dabei dürften die Herausforderungen für das deutsche Videospiel-Gewerbe nicht geringer werden: Insbesondere der anhaltende Fachkräftemangel macht der Branche zu schaffen. Auch die praktische Umsetzung des reformierten Jugendschutzgesetzes, die Sichtbarkeit deutscher Produktionen und die Weiterentwicklung der Gamescom bleiben Daueraufgaben. Weite Teile der erweiterten Branche – etwa Veranstalter, Handel und Agenturen – laborieren außerdem noch an den wirtschaftlichen Auswirkungen der Pandemie.

Wie sich der künftige Game-Vorstand zusammensetzt, wird sich am 31. Mai 2022 weisen: Dann lädt der Branchenvorstand zur Mitgliederversammlung samt Sommerfest nach Berlin.