Der abermalige Microsoft-Kahlschlag sorgt für maximale Verunsicherung – bei der Belegschaft, aber auch in der Industrie und bei Xbox-Stammkunden.
Verehrter GamesWirtschaft-Leser,
verehrte GamesWirtschaft-Leserin,
es gab zwei Momente in den zurückliegenden fünf Jahren, wo ich für eine Millisekunde dachte: Okay, jetzt gefriert die Hölle. Diesmal wirklich. Sollte es tatsächlich möglich sein, dass Microsoft richtige und vor allem: richtig gute Entscheidungen trifft?
Da war zum einen der 9. September 2020, als Microsoft die Spezifikationen, Termine und Tarife von Xbox Series X und Xbox Series S vorstellte. Hier das 500-€-Topmodell – dort die günstige Einsteiger-Konsole. Das passte.
Und dann der 18. Januar 2022, als der US-Konzern die bislang größte Akquise der 50jährigen Historie ankündigte: 68,7 Milliarden Dollar plus Nebenkosten wollte man für Activision Blizzard auf den Tisch legen. Im Paket inklusive: Weltklasse-Marken wie Diablo, Call of Duty, World of WarCraft, Candy Crush Saga. Das oberste Regal.
In diesen und weiteren Situationen fühlte es sich danach an, dass auf dem Desktop von Xbox-Boss Phil Spencer ein fein ziselierter, seriöser, niet- und nagelfester Masterplan.pptx existiert, wie sich ganz viele Mosaiksteine (Content, Technik, Services) schließlich zu einem großen Ganzen zusammenfügen. Eine regelrechte … Strategie!
Und so war es ja auch, wie FTC-Dokumente entlang der Übernahme zeigen. Doch jetzt, fast fünf Jahre nach Launch der amtierenden Xbox-Generation, drängt sich der Eindruck auf, dass diese Gleichung mehr Unbekannte denn je enthält – und einfach nicht mehr aufgeht.
Dass es auf dem Weg zum weltgrößten Spielehersteller zu Rückschlägen und personeller Flurbereinigung kommen würde, darf niemanden überraschen. Man musste schon mit reichlich Naivität gesegnet sein, um nicht zu antizipieren, dass XXL-Zukäufe früher oder später noch früher auf Um- und Restrukturierungen zulaufen. Firmen und Marken werden nicht gekauft, damit alles so bleibt, wie es ist.

Am Mittwoch war es wieder so weit: Von den 9.000+ Jobs, die Microsoft weltweit streicht, entfallen Tausende auf die Xbox-/Games-Sparte, viele davon in seniorigen Positionen. Damit einher gehen Studio-Schließungen und Projekt-Stopps.
Spencer hatte zuvor eine der branchen-üblichen, kaum mehr ernst zu nehmenden With-heavy-hearts-Mails an die Belegschaft geschickt. Motto: Wir haben eine gute und eine nicht so gute Nachricht. Zuerst die gute: Es läuft grad richtig, richtig gold – Spielerzahlen, Spiele, Spielzeit, alles tippitoppi. Die nicht so gute: Wir gehen trotzdem mit der Kettensäge durch die Payroll. Aber hey, immerhin haben wir uns das echt nicht leicht gemacht.
Es gehört zu den Schizophrenien dieser und anderer Branchen, dass es eher selten bis nie die existenziellen Krisen sind, die zu solchen Kahlschlägen führen. Sondern eher der dringende Wunsch von Management und Aktionären nach mehr Rendite. In anderen Microsoft-Geschäftsbereichen fällt die Marge ja deutlich hübscher aus, etwa im Cloud-Business. Der KI-Wettlauf verschlingt zudem viel Geld.
In den allgegenwärtigen Abgesang auf das Xbox-Universum mag ich nicht einstimmen, um das mal fürs Protokoll festzuhalten. Dafür ist der Laden einfach zu breit aufgestellt. Alle Zutaten für großartige Games und noch großartigere Umsätze sind weiterhin vorhanden – Kreativität, Kapazitäten, Kapital.
Was ich mich aber schon frage: Wie genau sieht eigentlich die Xbox-Erzählung des Jahres 2025 oder 2026 aus? Wie lautet das Narrativ, das Kunden zu glühenden Fans macht – Fans, die sich im Zweifel das Profil von Phil Spencer auf den Steiß tätowieren lassen würden? Oder zumindest ein Tattoo am Gamescom-Xbox-Stand, das nach zwei Tagen sanft verblasst?
Beispiel Game Pass: Es soll ja Leute geben, die den Online-Dienst noch nicht nutzen, trotz Day-One-Garantie und Cloud-Gaming (ein Begriff, so sexy wie ‚Elektromobilität‘). Was könnte die unent- und unerschlossene Zielgruppe hier und heute davon überzeugen, ab sofort über 200 € jährlich für ein Spiele-Abo zu überweisen? Ein Abo, das immer teurer wird und erkennbar für Menschen ausgelegt ist, die analog zu Man-weiß-nie-was-man-kriegt-Pralinenschachteln viel Freude daran haben, ganz oft ganz viele ganz unterschiedliche Games ausprobieren?
Der übergeordnete Branchentrend ist gegenläufig: Geld und Spielzeit fließen in Free2Play-Spiele und/oder in Titel, die seit Ewigkeiten am Markt sind. Mit dem Game Pass betreibt Microsoft hingegen das Geschäftsmodell eines Autoverleihers – während sich weite Teile der Kundschaft dafür entschieden haben, eine einmal erworbene Karre zehn Jahre und länger zu fahren. Siehe GTA 5 – und mit großer Wahrscheinlichkeit: GTA 6.
Nun ist es weiß Gott nicht so, dass bei den Mitbewerbern alles rund läuft. Der PlayStation-Konzern steht beispielsweise vor den Scherben der Live-Service-Games-Strategie – der Total-Flop Concord und der Last of Us Online-Stopp liefern einen zarten Vorgeschmack, dass Marathon kein Sprint wird. Sondern eher ein strammer Hürdenlauf. Oder nehmen wir das blutleere Kundenbindungs-Programm PlayStation Stars: Mit viel Tamtam im Herbst 2022 eingeführt, jetzt sang- und klanglos eingestellt.
Was man Sony und Nintendo aber sicher nicht vorwerfen kann: dass sie Marke, Marketing und Vertrieb vernachlässigen. Erst recht wissen sie um den Wert ihrer Ingenieure. Die Spielkonsolen sind weiterhin Dreh- und Angelpunkt allen Wirkens. DualSense und Joy-Con machen den Unterschied.
Microsoft lässt hingegen erkennbar jeglichen Ehrgeiz vermissen, im Hardware-Geschäft eine wahrnehmbare Rolle zu spielen. Nie drängten sich weniger Gründe auf, eine Xbox Series X für 599,99 € zu erwerben (zumal das ohnehin nicht so trivial ist – werfen Sie gerne mal einen Blick in die Amazon-Regale oder in den Elektronikmarkt Ihres Vertrauens). Entsprechend betrüblich sind die Microsoft-eigenen Umsatz-Prognosen.
Die Andeutungen von Xbox-Managerin Sarah Bond lassen zudem befürchten, dass anstelle einer ‚richtigen‘ Konsole demnächst endgültig ein schlecht getarnter Windows-PC ausgeliefert wird, der analog zum ROG Xbox Ally als Lizenzprodukt vom Band läuft. Das X in Xbox stünde dann für X-beliebig.
Mit Sorge um die westliche Games-Industrie und mit Blick auf den eingangs erwähnten Masterplan würde mich daher mehr denn je interessieren: Gibt es einen? Und wenn ja, wie sieht er aus? Wofür soll die Marke Xbox stehen?
Die Gamescom 2025 böte eingangs des Weihnachtsgeschäfts eine gute Gelegenheit, eine positive Xbox-Erzählung zu formulieren – auch in Richtung der eigenen, zunehmend verunsicherten Stammklientel. Eine Erzählung, die über das nächste Call of Duty hinaus reicht.
Gestatten Sie mir noch eine Schlussbemerkung, damit das nicht untergeht: Man geht ja immer recht locker-flockig über große Zahlen im Zusammenhang mit Kündigungs-Wellen hinweg. 1.600, 6.000, 9.000, dies, das. Dabei ist jeder verlorene Job ein Desaster, zuvorderst für Betroffene.
Gleichwohl wurde mir in meiner Laufbahn und mit jeder einzelnen Spar-Runde und mit jedem einzelnen Umbau bewusst, dass gerade größere Strukturen unfassbar resilient sind. Auch wenn das aus Sicht des Einzelnen schwer glaubhaft ist: Der Laden läuft verlässlich auch dann weiter, nachdem man den Rechner runterfährt, die Schlüsselkarte am Empfang abgibt und seine Habseligkeiten in einem Karton aus dem Gebäude trägt (mehr dazu in dieser sehr persönlichen Kolumne).
Dass eine Kündigung nicht der Welten Untergang sein muss, weiß ich aus eigener Erfahrung. Ohne den Bruch in der Biografie gäbe es GamesWirtschaft nicht. Ihr Lieblings-Branchenmagazin feiert am heutigen 4. Juli den 9. Geburtstag und geht jetzt ins zehnte Jahr. Danke, dass Sie mich bis hier hin begleitet haben. Und wenn Sie mögen, kann es gerne so weitergehen.
Ein schönes Wochenende wünscht Ihnen
Petra Fröhlich
Chefredakteurin GamesWirtschaft
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Endlich das Ende des nischenproduktes, genannt x.box, die eine Spielekonsole die immer zuviel und unnötig war
Phil Spencer hat doch vor Jahren schon angekündigt wo die Reise hingeht und aktuell sieht es weiterhin danach aus. Sein Ziel ist es weg von der klassischen Konsole und hin zum Streaming. Sobald es ihm gelingt einen Streaming Stick für unter 100$ anzubieten, ist es vorbei mit der Konsole. Die Grenze mag dank der inflation weitaus höher liegen, aber das Prinzip bleibt. Die klassische Konsole wird bei xbox früher oder später aussterben und der Plan ist schon seit vielen Jahren bekannt.
Ich persönlich finde das sogar extrem gut. Das reduziert immens den Ressourcenverbrauch. Du musst nicht alle 5-7 Jahre eine neue Konsole kaufen, sondern streamst den Inhalt einfach. Xbox tauscht die Hardware nach Bedarf aus und da wir auf dem Globus alle zu verschiedenen Zeiten spielen, kann quasi wie bei Car Sharing der eine spielen, während der andere schläft. Dementsprechend passt auch die Strategie extrem gut, immer mehr zum Spiele publisher und Software Hersteller zu werden und zu sagen: scheiß auf die Plattform, wir veröffentlichen für überall.
Auch halte ich es für unpassend zu sagen aus xbox wird x-beliebig. Die rog xbox ally Konsole ist ja an sich einfach ein handheld mit Windows. So etwas haben die ja schon mal versucht und sind gescheitert. Mittlerweile haben sie viele Erfahrungen gesammelt und sind besser geworden. Es wirkt richtig gut und macht einen guten Eindruck. Ziel: die ultimate Plattform. Egal ob arbeiten oder zocken, einfach fließender Übergang.
Insofern bin ich absolut begeistert von der Reise und bin gespannt wie es weiter geht. Sehe da in der aktuellen Entwicklung auch nicht wirklich viel schlechtes. Das Ding von rog ist sogar insofern genial, dass es nicht nur xbox store unterstützt, sondern auch Steam und Co. Egal welches game, egal welche Plattform, egal welcher Ort. Bspw im Zug weiter zocken, als wäre man zu Hause. Ohne Plattform Problemen, ohne Speicher Thema etc. Muss nur noch das Thema nodding besser werden.
Wir werden sehen, wohin das noch führt.
Danke für das Feedback und die Einschätzung.
Dafür, dass der Weg wegführt von der klassischen Konsole, enthalten die Unterlagen entlang des FTC-Schlagabtauschs aber eine Menge konkreter Konsolen-Pläne – die aber natürlich nicht zwingend zur Umsetzung gelangen müssen.
Derzeit fühlt es sich so an, als sei Microsoft Xbox auf dem Weg zu einem klassischen Publisher, der in Lizenz Hardware zuliefern lässt und ansonsten wenig Spielraum hat, die Game-Pass-Strategie anzupassen. Das Abo bietet ja schon jetzt fulminanten ‚Value‘.
Einen Konsolenkauf alle 5-7 Jahre finde ich nicht verwerflich – im Mobile-Business sind die Zyklen ungleich kürzer. Zumal Switch und PS4 zwar Auslaufmodelle sein mögen, aber ja trotzdem noch gute Dienste leisten.
Petra
GamesWirtschaft
Danke für deinen Kommentar. Genau so sieht es doch aus. Jeder sollte auf der Plattform spielen, die er mag. Und wenn ich auf meiner PS5 offline spiele, schoene ich auch Ressourcen, nämlich Serverkapazitäten.
Ansonsten: Alles Gute und auf ein weiteres Jahr!
Stadia sagt: „Hallo“…
Dann: Alles Gute zum Geburtstag und ansonsten: +1
Merci vielmals, Boris
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