Start Meinung Subventionen, die sich lohnen (Fröhlich am Freitag)

Subventionen, die sich lohnen (Fröhlich am Freitag)

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Nur solange Vorrat reicht: Die bisher praktizierte Games- und Film-Förderung stößt an Grenzen (Abbildung ähnlich / Midjourney)
Nur solange Vorrat reicht: Die bisher praktizierte Games- und Film-Förderung stößt an Grenzen (Abbildung ähnlich / Midjourney)

Die geplante Reform der deutschen Film-Förderung enthält Spoiler und Cliffhanger, wie sich die Games-Förderung weiterentwickeln könnte.

Verehrte GamesWirtschaft-Leserin,
verehrte GamesWirtschaft-Leser,

am späten Dienstagabend bin ich beim kontrollierten Rumzappen mal wieder bei ZDF-Talker Markus Lanz hängen geblieben. Der Südtiroler wirkt in seinem Bescheidwissertum manchmal etwas überambitioniert, aber mir gefällt, dass er seine Rolle nicht als reiner Stichwortgeber interpretiert. Wie ein Raubtier nimmt er instinktiv Witterung auf, sobald ein Studiogast mit viel Meinung, aber wenig Ahnung auffällt. Was jüngst dazu führte, dass Grünen-Chefin Lang noch während der laufenden Sendung trendete, weil sie die Durchschnitts-Rente auf feudale 2.000 € taxiert hatte.

In dieser Woche war nun unter anderem Christoph Schell zu Gast bei Lanz (Aufzeichnung). Der aus Deutschland stammende Intel-Topmanager – beim US-Chip-Riesen für Vertrieb und Marketing zuständig – durfte erklären, warum einer der wertvollsten Konzerne des Planeten 10 Milliarden Euro von Deutschlands Steuerzahlern begehrt, um ein Halbleiterwerk ins sachsenanhaltinische Magdeburg zu pflanzen.

Und das gelang ihm ziemlich überzeugend. So überzeugend, dass selbst Taz-Autorin Ulrike Herrmann die ebenfalls anwesende Ex-FDP-Generalsekretärin Linda Teuteberg dahingehend belehrte, dass man Subventionen zwar doof finden kann, aber it is what it is. Deal with it. Alle machen’s, da könne sich Deutschland nicht hinstellen und tatenlos zugucken.

Denn die Alternative lautet, dass Intel dann halt woanders baut – in Irland, in Frankreich, in Polen, wo auch immer es Gesprächsbereitschaft gibt. Lässt man Dinge alleine „dem Markt regeln“, wandern ganze Industrien samt Zulieferern ab – so wie es bei Fernsehgeräten, Smartphones, Solar-Panels oder in der Textil-Branche passiert ist.

Fröhlich am Freitag - die wöchentliche Kolumne bei GamesWirtschaft
Fröhlich am Freitag – die wöchentliche Kolumne bei GamesWirtschaft

Die von Lanz gebrauchte Formulierung ‚Subvention‘ fand Schell so medium gut. Vermutlich, weil sie so fies nach Agrardiesel müffelt. Lieber sei ihm da schon der Begriff ‚Investment‘. Denn Intel investiert erheblich, nämlich in Summe 30 Milliarden Euro – wodurch nicht nur Tausende Arbeitsplätze entstehen sollen, sondern im besten Fall ein ganzes Ökosystem: Maschinenbau, Dienstleister, Hochschulen. Die ganze Region soll profitieren. Am gestrigen Donnerstag hat Intel den 2.000 Seiten starken Bauantrag eingereicht. Geplanter Produktionsbeginn: 2027 – frühestens.

Intel ist längst nicht der einzige Global Player, der sich von Bund und Ländern Zuschüsse abgeholt hat – Mitbewerber TSMC baut zum Beispiel in Dresden ein neues Werk und kassiert fünf Milliarden Euro. Wann immer Weltkonzerne mit Aufträgen drohen, öffnen sich die Türen von Rathäusern und Ministerien.

Nun sind Subventionen nicht gerade positiv beleumundet. Sobald GamesWirtschaft über staatlich geförderte Computerspiele-Projekte berichtet, vergehen meist handgestoppte zehn Sekunden, bis der erste Kommentator sinngemäß die Frage aufwirft: „Haben die das echt nötig?“. Mit ‚die‘ sind in der Regel internationale Spiele-Konzerne gemeint. Börsennotiert. Milliarden-Umsätze.

Weit über 100 Millionen Euro hat der Bund seit 2019 in die Games-Entwicklungshilfe investiert – zu den mit Abstand größten Profiteuren gehören die Nummer 1 und die Nummer 2 unter Europas Publishern, also Ubisoft und Embracer.

Bis heute gibt es nur sehr wenige belastbare Indizien, ob und wann sich diese Subventionen lohnen. Moment mal, sind infolge der Förderung nicht schon ganz viele Spiele-Startups aus dem Boden geschossen? Stimmt. Wobei mich dieses regelmäßig vorgebrachte Argument nicht so recht überzeugt, weil die Kennzahl ungefähr nichts über deren Nachhaltigkeit aussagt.

Fiktives Beispiel: Würde der Staat ein 10-Mio.-€-Förderprogramm als „Anreiz zur Stärkung der Entwicklung und Produktion von Döner-Spießen in Deutschland“ auflegen, dann entstünden zwangsläufig viele tausend Dönerbuden-Startups überall in der Republik. Die entscheidende Frage lautet, wie viele davon nach einem Jahr noch existieren.

Die bislang praktizierten Solange-Vorrat-reicht– und Wer-zuerst-kommt-Mechaniken der Games-Förderung sind so schlicht wie brutal – es gibt null Planungssicherheit für niemanden. Zwangsläufige Folge: Genauso schnell, wie die Studio-UGs und -GbRs entstehen, sind sie auch wieder weg, sobald das Geld aufgebraucht ist oder falls von heute auf morgen die Förderung versiegt. Und erst recht nicht taugt das System als stabiler Job-Motor, wie die zurückliegenden Monate belegen (Beispiel 1, 2, 3, 4, 5, 6 …).

Einige dieser handwerklichen Mängel sind natürlich auch den vom Wirtschaftsministerium engagierten Wirtschaftsprüfern aufgefallen. Weshalb es nun die seit langem diskutierten Steuer-Rabatte richten sollen, also sogenannte Tax Credits oder Tax Breaks. Vereinfacht gesagt: Die Studios bekommen einen fixen Teil der Produktionskosten erstattet – die Spiele-Entwicklung wird verlässlich günstiger. Weitere Vorteile: keine Obergrenzen, keine Antrags-Stopps.

Wie so was gehen könnte, hat gestern die grüne Kulturstaatsministerin Claudia Roth zum Start der Berlinale vorgestellt – und zwar mit Blick auf den deutschen Film, der unter sehr ähnlichen Problemen ächzt wie deutsche Games. Streaming-Dienste und Hollywood-Studios sind in der Wahl ihrer Drehorte nämlich völlig leidenschaftslos – produziert wird dort, wo es am günstigsten ist. Schließlich gibt es auch in anderen Regionen Europas schöne Landschaften und fähige Kabelträger – womit sich der Kreis zu den Intel-Subventionen schließt.

Analog zu Computerspielen werden zudem bei der Film-Förderung Fehlanreize und Mitnahme-Effekte getriggert, die zur Folge haben, dass jedes noch so abseitige Drehbuch bezuschusst wird.

Roth will daher die Förderstrukturen radikal umbauen. Für das vorgelegte Papier aus dem Kanzleramt gab es sowohl Applaus als auch wütenden Protest. Größter Streitpunkt: die ‚Investitionsverpflichtung‘ für Plattformen. Öffentlich-Rechtliche, aber auch Netflix, Disney+, Amazon Prime & Co. sollen 20 Prozent des hierzulande erzielten Vorjahresumsatzes wieder in heimische Produktionen investieren – also eine Art Tierwohlabgabe. Die Betroffenen sind auf der Zinne, sprechen von Sozialismus, Gängelung und unzulässigen Markteingriffen.

Man kann sich ausmalen, welch große Begeisterung ein vergleichbarer Vorschlag in der Games-Industrie auslösen würde.

Funfact: Bereits 2005, also vor fast 20 Jahren, prüfte Roths Vorvorvorgängerin die Einführung einer ‚Sondersteuer‘ auf PC- und Videospiele, die deutschen Studios zugute kommen und deren Wettbewerbsfähigkeit verbessern sollte. Ich erinnere mich deshalb daran, weil die Spielezeitschrift, die ich damals verantwortete, eigens eine Unterschriftenaktion organisierte – nicht pro, sondern contra ‚Zwangsgebühr‘. Selbstverständlich aus völlig uneigennützigen Gründen, denn die Abgabe wäre auch für die beigepackten Heft-DVD-Vollversionen angefallen.

Zitat aus unserer Petition: „Hat ein deutsches Studio das Potenzial, ein erfolgreiches Computerspiel zu entwickeln, so ist es auf eine finanzielle Förderung nicht angewiesen. Ein viel versprechendes Konzept ist und bleibt ein viel versprechendes Konzept – und findet immer einen Publisher, der die Entwicklung unterstützt.“

Was schon damals grober Unfug war. Heute genügt ein Blick aus dem Fenster auf das aktuelle Marktumfeld.

Am Ende scheiterte der Plan (auch) am Veto der Videospiele-Lobby, die erfolgreich vor einer geradezu ruinösen Verteuerung ihrer Produkte warnte, vor Abwanderung und Apokalypse. Deshalb würde ich darauf wetten, dass der Passus aus gleichem Grund auch bei der Film-Förderung geschliffen wird.

Noch handelt es sich nur um einen Entwurf. Der Vorschlag ist aber ein erster Indikator, in welche Richtung es bei der Games-Förderung demnächst laufen könnte. Denn Roth hat vom Bundestag bekanntlich die ebenso erfreuliche wie überraschende Aufgabe erhalten, bis 2026 exakt 100 Mio. € an hiesige Spiele-Entwickler zu verteilen. Wie genau, ist nach wie vor ein Rätsel – vermutlich „irgendwas mit Kultur“.

Klar ist nur eins: Wer substanzielle Games-Entwicklung in Deutschland erhalten will, muss gleichzeitig hinnehmen, dass dies ohne substanzielle staatliche Eingriffe nicht gelingen wird. Nur: Wenn schon Subventionen, dann bitte auch Subventionen, die sich lohnen.

Ein schönes Wochenende wünscht Ihnen

Petra Fröhlich
Chefredakteurin GamesWirtschaft

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3 Kommentare

  1. Ich bin auch einer der ersten, der sich die Frage stellt, ob ein Ubisoft oder THQ wirklich 10 Mio. Fördergelder bekommen muss! Die Frage ist doch ob ein Börsennotiertes Unternehmen mit über 400 Mio. Gewinn im Jahr wirklich dann noch dazu berechtigt sein kann Steuergelder einzustreichen. Meine geschätzte Meinung dazu, nein dürfen sie nicht! Dem widerspricht schon der Tonus „Gewinn“

  2. Für einige etablierte deutsche Entwickler kam die Förderung quasi einem Todeskuss gleich und am Ende steht die deutsche Spieleindustrie vermutlich netto mit weniger Arbeitsplätzen als vor der Förderung da.
    Den wenigen erfolgreichen Fördergeldempfängern wie z.B. Keen Games (Enshrouded) oder Envision (Pioneers of Pagonia) stehen deutlich mehr Negativfälle wie z.B. Mimimi, Piranha Bytes, Black Forest, Chimera (?) und Fishlabs gegenüber.

    Die (negative) Auswirkung der Gamesförderung auf diese Studios sollte im Detail analysiert werden um in Zukunft Steuergelder sinnvoller zu investieren.

    • Wie kommen sie auf die Idee, dass es da einen Zusammenhang mit der Gamesförderung gibt? Ich finde für einen Verdacht bräuchten sie zumindest ein paar Hinweise. Dabei sind die Gründe für die Entlassungen doch bekannt. Bei dreien der fünf genannten Studios liegt es schlicht an der Situation der Embracer Group. Und was genau soll bei Chimera Entertainment nicht stimmen?

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