Start Meinung Kotick & Co.: Die Rente ist sicher (Fröhlich am Freitag)

Kotick & Co.: Die Rente ist sicher (Fröhlich am Freitag)

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Die Rente ist sicher - zumindest für die Top-Manager der Games-Industrie (Abbildung: ähnlich)
Die Rente ist sicher - zumindest für die Top-Manager der Games-Industrie (Abbildung: ähnlich)

Alles hat ein Ende, auch jahrzehntelange Karrieren. Das Jahr 2023 markiert eine Zäsur – was vor allem mit Microsofts Activision Blizzard-Einkauf zu tun hat.

Verehrter GamesWirtschaft-Leser,
verehrte GamesWirtschaft-Leserin,

na, fiebern Sie auch schon diesem wohligen Dreiklang aus Weihnachtsmarkt, Wham und Würstchen mit Kartoffelsalat entgegen, der demnächst startet? Zugegeben, die milde Wetterlage gibt das derzeit noch nicht wirklich her, doch schon in sechs Wochen wird die erste Kerze am Adventskranz entzündet.

Die heiße Phase dieser gleichermaßen besinnlichen wie umsatzstarken Phase wird offiziell eingebimmelt mit der neuesten Ausgabe von Call of Duty, das ja bekanntlich zur Bescherung gehört wie Stirb langsam am 1. Weihnachtsfeiertag – yippie ya yeah. Der Shooter trägt diesmal den Untertitel Modern Warfare 3 und erscheint heuer vergleichsweise spät, nämlich erst am 10. November.

Im Kleingedruckten des dazugehörigen Werbetrailers für Vorbesteller-Boni hat PlayStation-Hersteller Sony Interactive vor ein paar Tagen ein „Call of Duty MWIII PS5 Bundle“ gespoilert – also ein Paket aus Konsole plus Spiel. Offiziell angekündigt wurde das Set noch nicht. Klar ist aber eines: Es handelt sich nach Lage der Dinge um das letzte Call of Duty-Bundle, das mit einer PlayStation ausgeliefert wird – jemals. Das nächste Call of Duty-Bundle wird Microsoft im Herbst 2024 auf den Markt bringen – dann mit überragender Wahrscheinlichkeit zusammen mit einem überarbeiteten Topmodell, also der ’neuen‘ Xbox Series X.

Fröhlich am Freitag - die wöchentliche Kolumne bei GamesWirtschaft
Fröhlich am Freitag – die wöchentliche Kolumne bei GamesWirtschaft

Denn dies ist eine logische Konsequenz aus jenem Schlussstrich, den Behörden plus Scharen von Anwälten und Sachverständigen unter dem 20monatigen Ringen um die Übernahme von Activision Blizzard durch Microsoft gezogen haben. Der 70-Milliarden-Dollar-Rekord-Deal ist seit vergangenem Freitag unter Dach und Fach. Und damit ist automatisch auch das Schicksal der Activision-Marke Call of Duty besiegelt, deren Verwertungsrechte ab sofort dem Xbox-Konzern zuzurechnen sind.

Konkret bedeutet dies unter anderem:

  • Wer den Game Pass abonniert hat, kann voraussichtlich ab 2024 ohne Zusatzkosten auf Call of Duty-Spiele zugreifen: Für die PC-Version der Flatrate berechnet Microsoft 9,99 € pro Monat, die Xbox-Version liegt bei 10,99 € – und wer die Online-Modi der Shooter-Reihe nutzen will, zahlt 14,99 €. Aufs Jahr gerechnet immerhin 180 €. Kein Pappenstiel. Hinzuzurechnen sind DLCs, Battlepässe, Ingame-Käufe und anderer Schabernack.
  • Bei Activision hat man mutmaßlich nicht mal im Traum gedacht, Call of Duty irgendwann mal für die Nintendo Switch umzusetzen – eine Konsole, die eher für bunte Familien-Unterhaltung bekannt ist. Doch genau diese Portierungs-Zusage gehört zu jenen Kompromissen, die Microsoft entlang der teils erbitterten Verhandlungen eingegangen ist.
  • Wer sich für eine PlayStation 5 oder irgendwann ab 2027/28 für eine PlayStation 6 entscheidet, erwirbt damit auch das verbriefte Recht, bis einschließlich 2033 jährlich mindestens 80 € für die neueste Call of Duty-Ausgabe an Microsoft zu überweisen – dazu schon jetzt herzliche Gratulation. Das PlayStation-Spiel mag inhaltlich und technisch identisch mit der Xbox-Fassung ausfallen, aber die bekommen Game-Pass-Kunden nun mal gefühlt für lau. Solche Ungeheuerlichkeiten wird man als Sony-Kunde noch viel, viel häufiger aushalten müssen.

Das 70-Milliarden-Paket ist jedenfalls historisch, keine Frage (ausführliche Analyse). Natürlich kein Mauerfall und kein 9/11, aber eben schon eine Zäsur, zumindest für diese muckelige Branche. Und auch wenn sich in der Praxis vorerst gar nicht so viel ändern dürfte, so wird man in einigen Jahren doch auf dieses Jahr zurückblicken und feststellen: 2023 – die Saison, als sich Microsoft Activision Blizzard einverleibt hat – das war ein Wendepunkt für die Industrie.

Zuvorderst natürlich für Blizzard-Beschäftigte, die schon was länger für den Konzern arbeiten und bereits mehrere Eigentümerwechsel erlebt haben. Tröstlich: Diesmal ist es ziemlich sicher der letzte.

Mit der Eigenständigkeit von Activision Blizzard endet zum Jahreswechsel auch die Ära von Langzeit-CEO Robert A. Kotick – oder Bobby, wie ihn alle nennen. Ehe er den Rechner endgültig herunterfährt und die Schlüsselkarte beim Hausmeister abgibt, soll er dazu beitragen, dass sein Laden besenrein an den neuen Besitzer übergeben wird. Danach will der 60jährige seine Zeit und sein Vermögen der Philanthropie widmen. Was das sein könnte? Zum Beispiel die von Kotick mitgegründete Call of Duty Endowment, die Veteranen der US-Army in den Arbeitsmarkt vermittelt.

Kotick ist nicht der einzige Top-Manager der ‚alten Garde‘, die schon in alle Abgründe geblickt haben und deren Games-Industrie-Karriere in den kommenden Wochen verlässlich endet:

  • Auch Jim Ryan hört auf – jener CEO, der Mitte der 90er bei Sony angeheuert hat, als die PlayStation-Sparte noch Sony Computer Entertainment hieß. Ryan hat zuletzt die Markteinführung der PS5 inmitten der Pandemie sehr anständig gewuppt – konnte aber den Activision-Blizzard-Zuschlag für den Erzrivalen nicht verhindern. Er hat’s versucht. Wirklich. Dass sein Abgang nicht sorgfältig und von langer Hand geplant wurde, zeigt der Umstand, dass vorübergehend der Sony-Finanzchef einspringen muss, bis es einen neuen Mr (oder eine Mrs) PlayStation gibt.
  • Unity-Boss John Riccitiello wurde aufgehört – auch hier läuft die Fahndung nach einem fähigen Nachfolger, der den Hersteller der Unity Engine in ruhiges Fahrwasser manövriert. Was immens wichtig wäre, denn Abertausende Studios brauchen Verlässlichkeit und Planbarkeit – gerade, was die laufenden Kosten beim Einsatz dieser Spiele-Karosserie anbelangt.
  • Pete Hines ist (beziehungsweise: war) das, was man ein Urgestein nennt: Für den US-Spielehersteller Bethesda fungierte er fast ein Vierteljahrhundert lang als eine Art Außenminister und erklärte dem Publikum die Vision des eher schüchternen Rollenspielweltenbauers Todd Howard. Ziemlich genau drei Jahre nach der Bethesda-Übernahme durch Microsoft und wenige Wochen nach Starfield hat Hines seinen Rücktritt eingereicht.

Ich würde mich nicht wundern, wenn in allernächster Zeit weitere Personalien dieser Kaliber bekannt werden – also von Führungskräften, die finanziell schon lange aus dem Gröbsten raus sind. Ubisoft-Chef Yves Guillemot, Valve-Gründer Gabe Newell, Take-Two-Boss Strauss Zelnick, um mal ein paar Namen in die Luft zu werfen – sie alle haben das Renteneintrittsalter erreicht.

Dass diese Unternehmer und Manager unter Gamern einen solch großen Bekanntheitsgrad haben, sagt im Übrigen auch viel über den Wandel der Branche aus – denn die eigentlichen Spieldesigner treten faktisch kaum noch in Erscheinung. Anders als noch in den 90er und 2000er Jahren, als man auf den Schulhöfen schlichtweg wusste, was Peter Molyneux, Sid Meier oder Ron Gilbert beruflich machen.

Die Staffelübergaben finden in unruhigen Zeiten statt – die Termine für den (Vor-)Ruhestand sind insofern strategisch günstig gewählt, wenngleich der variable Anteil in Form von Aktienpaketen und Optionen schon mal einen höheren Buchwert gehabt haben mag. Denn die Branche wird derzeit nach Jahren des Wachstums hart geprüft: Finanzierungen, Projekte, Abteilungen, ganze Standorte wackeln.

Warum? Weil die Verbraucher jeden Spielekauf einem gründlichen „Muss das wirklich sein? Und wenn ja: jetzt? Und zu diesem Preis?“-Abgleich mit dem frei verfügbaren Einkommen unterziehen. In den Vorstands-Etagen und Aufsichtsräten stehen deshalb weitere harte Entscheidungen an. Nicht nur mit Blick auf die Ausgaben – sondern auch dahingehend, wo künftig eigentlich die Einnahmen herkommen. Und wo nicht.

In den kommenden Wochen, spätestens aber zum Ende dieses Jahres wird sich weisen, wer den erwähnten Silberrücken folgt und damit künftig in der Verantwortung steht. Bis dahin wird’s aber erstmal besinnlich. Mit Glühwein, Gebäck, Geschenken – und natürlich damit.

Ein schönes Wochenende wünscht Ihnen

Petra Fröhlich
Chefredakteurin GamesWirtschaft

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