Start Meinung Activision Blizzard: Zurück auf Los (Fröhlich am Freitag)

Activision Blizzard: Zurück auf Los (Fröhlich am Freitag)

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Es geht um 69 Milliarden Dollar: Activision Blizzard spielt den Worst-Case durch (Abbildung: ähnlich)
Es geht um 69 Milliarden Dollar: Activision Blizzard spielt den Worst-Case durch (Abbildung: ähnlich)

Das vorläufige ‚Nope‘ aus UK ist ein unerwarteter Rückschlag für Microsoft und Activision Blizzard – aber noch nicht der endgültige Knockout.

Verehrter GamesWirtschaft-Leser,
verehrte GamesWirtschaft-Leserin,

seit bald eineinhalb Jahren diskutieren sich Branche, Analysten, Gamer, Foren und Presse den Mund fusselig, was wohl passiert, wenn die ziemlich erfolgreiche Shooter-Marke Call of Duty eines fernen Tages nur noch auf Xbox und PC stattfindet – und nicht mehr auf der PlayStation 5 oder PlayStation 6.

So lautet nämlich das geradezu apokalyptische Szenario, vor dem Marktführer Sony Interactive nicht müde wurde zu warnen – von einer ‚Bedrohung‚ oder gar möglicher ‚Sabotage‚ war die Rede. Und zwar für den Fall, dass Microsoft den US-Spielehersteller Activision Blizzard (Diablo, Call of Duty, Candy Crush) für 69 Milliarden Dollar kaufen darf. Microsoft hat unterwegs ein Langfrist-Abkommen nach dem anderen abgeschlossen, um etwaiger Skepsis mit Blick auf die Nur-zum-Besten-der-Kunden-Absichten zu begegnen.

Jetzt stellt sich heraus: Call of Duty ist gar kein Problem. Zumindest: nicht mehr. Die Wettbewerbshüter im Vereinigten Königreich haben nämlich fast ohne fremde Hilfe herausgefunden, dass die Call of Duty-Spiele für die PlayStation (egal ob Free2Play oder Vollpreis) auf Jahre hinaus viele Milliarden in die Kassen von Microsoft spülen würden – warum sollten sie dann die Sony-Kundschaft benachteiligen? Microsoft wär ja schön doof, wenn sie das täten. Und doof sind die ja nicht.

Fröhlich am Freitag - die wöchentliche Kolumne bei GamesWirtschaft
Fröhlich am Freitag – die wöchentliche Kolumne bei GamesWirtschaft

Die britische Kartellbehörde CMA verweigerte am Dienstag trotzdem die Zustimmung zur größten Games-Industrie-Übernahme ever – was einigermaßen überraschend kommt. Zwar wird man im Nachgang genügend Experten und Analysten finden, die zu irgendeinem Zeitpunkt mal einen Tweet abgesetzt haben, der ein Scheitern zumindest im Bereich des theoretisch Möglichen verortete – genau so, wie auch eine kaputte Uhr zwei Mal am Tag die korrekte Zeit anzeigt. Aber die schlichte Wahrheit lautet: Branche, Beobachter und natürlich die beteiligten Unternehmen haben überwiegend fest damit gerechnet, dass die Nummer schon noch irgendwie durch geht.

Noch vor wenigen Tage posaunten Fachblätter wie die Financial Times und die New York Post, der Drops sei gelutscht. Pustekuchen. Entsprechend groß nun die Bestürzung, dass die CMA trotzdem ‚We’re sorry – nope‘ sagt. Microsoft-Vize Brad Smith sprach vom „vielleicht dunkelsten Tag“ in der 40jährigen Unternehmens-Historie auf der Insel. Drunter macht’s Redmond nicht.

Mit der Absage aus UK ist der Deal zwar noch lange nicht tot, aber das Rumpelstilzchen-artige Ich-glaub-es-hackt-Gepolter von Top-Managern bei Activision Blizzard und Microsoft lässt eben erstens darauf schließen, dass man sich der Sache schon sehr sicher war. Wie man jetzt weiß: zu sicher. Und zweitens, dass das komplette Paket im Feuer steht. Mehr denn je.

Mag sein, dass Chile, Serbien und neuerdings die Ukraine den Deal bereits durchgewunken haben. Die entscheidenden Figuren auf dem Schachbrett waren und sind aber nun mal die US-amerikanische FTC (die bereits Klage eingereicht hat), die EU-Kommission (die noch prüft) und die britische CMA. Und es war immer klar: Sobald auch nur einer dieser Springer, Läufer oder Türme fällt, dann haben König und Dame ein Problem – Matt in maximal drei Zügen.

Aber wenn nicht Call of Duty das Problem ist, was dann? Surprise: Cloud-Gaming. Also das direkte Streamen von Spiele-Inhalten übers Netz, ohne den Umweg über Highend-PCs, -Smartphones und -Konsolen. Anders als Sony und Nintendo bringt Microsoft fast alles mit, was man für die Weltherrschaft braucht: Eintrittspunkte (Windows, Konsolen), die Server samt Infrastruktur (Azure) und das passende Geschäftsmodell per All-inclusive-Abo (Xbox Game Pass). Fehlen nur noch die Inhalte, also Games. Und davon gerne mehr und Cooleres. Deshalb ja der ganze Activision-Blizzard-Zirkus.

Der Haken: Die CMA antizipiert ein Microsoft-Monopol auf einem Markt, der derzeit gar nicht existiert. Und wo nach dem spektakulären Google-Stadia-Untergang auch nicht klar ist, wie und wann daraus jemals ein (Welt-)Markt wird. Falls doch, hätte Microsoft einen schwer einzuholenden Wettbewerbsvorteil, schon klar.

Die Befürchtung: Wenn Microsoft erstmal Parkstraße und Schlossallee auf dem Monopoly-Brett kontrolliert, dann entstehen dort zunächst Häuser und irgendwann Hotels – und dann wird es für die Mitspieler richtig teuer und möglicherweise ruinös. Das wollte die CMA verhindern, die dafür intellektuell in die Zukunft und wieder zurück gereist ist. In eine Welt, wo es perspektivisch nur einen relevanten Gatekeeper im Games-Bereich geben könnte, nämlich Microsoft. And now we have the salad.

Wie geht es jetzt weiter?

So sehr die Meldung den Spiele-Markt schockte: An der Börse störte die UK-Bombe keinen großen Geist. Die Microsoft-Aktie legte im Nachgang zur Bekanntgabe sogar zu, auch wegen robuster Quartalszahlen. Die klare Botschaft der Investoren: „Jaja, mag schon sein, dass die Briten bei diesen komischen Games rumspinnen, aber hier geht es um was Größeres … KÜNSTLICHE INTELLIGENZ!!!!1^!!!!“

Deutlich unter die Räder gekommen sind hingegen die Anteile von Activision Blizzard, die von einem auf den anderen Tag zweistellig verloren haben. Milliarden an Börsenwert wurden vernichtet. CEO Bobby Kotick entschied sich, die Fabel-Geschäftszahlen für die ersten drei Monate um einen Tag vorzuziehen. Auch um zu demonstrieren: Wär zwar schade, aber zur Not kriegen wir es auch als größter Indie der Welt hin – with or without you.

Ganze 27 (!) Mal taucht das Wort ‚Microsoft‘ in der aktuellen Quartalsmitteilung von Activision Blizzard auf – oft genug im Zusammenhang mit markigen Kampfansagen in Richtung der schusseligen Behörden, die einfach nicht die Segnungen des Zusammenschlusses für den Verbraucher und die Spiele-Industrie kapieren. Wo man es denen doch immer und immer und immer wieder erklärt hat. Zefix.

Auch Microsoft dürfte noch ein paar Tage damit zubringen, das Narrativ der begriffsstutzigen, Tech-feindlichen CMA zu kultivieren und gleichzeitig den Kesseldruck auf die britische Regierung zu erhöhen, die ja doch wohl – Stichwort: Cyber-Abwehr – kein Interesse daran haben könne, Microsoft zu vergraulen. ODER? Und überhaupt sei die EU ja viel kooperativer und ein deutlich besseres Terrain für Investitionen, heißt es. Nur: Was, wenn Brüssel am 22. Mai ebenfalls ‚Pardon – mais non‘ sagt? Pferde, Apotheken, Sie wissen schon.

Sollten die Erfolgsaussichten diesseits und jenseits des Atlantiks noch weiter schwinden, wird irgendwann der Punkt kommen, an dem Microsoft die Übernahme entnervt abbläst. Außer Anwalts-Spesen nix gewesen (zuzüglich vertraglich vereinbarter zweikommanochwas Milliarden $ Schadenersatz für Activision-Blizzard).

Doch der sich daran anschließende Weg wäre noch anstrengender und vor allem langwieriger als die Auseinandersetzung mit Aufsichtsbehörden. Der Activision-Blizzard-Stunt war ja stets als zwar super-teure, aber eben sehr elegante und effiziente Abkürzung gedacht, um das Spiele-Portfolio im Xbox Game Pass zügig aufzublasen.

Stattdessen müsste Xbox-Chef Phil Spencer richtig Geld in die Hand nehmen, um ein, zwei, drei mittelgroße Entwickler zu erwerben und gleichzeitig die mehr als 20 bestehenden Studios personell und budgetär massiv upzugraden. Tatsächlich ist jüngst das exakte Gegenteil passiert – etwa im Halo-Team, wo Stellen abgebaut wurden.

Am Ende könnte die Lösung trotzdem lauten: Wenn sie uns schon nicht die Kombi aus Parkstraße und Schlossallee durchgehen lassen, dann doch hoffentlich zumindest Goethestraße plus Rathausplatz – und vielleicht ein Elektrizitätswerk.

Ein schönes langes Wochenende wünscht Ihnen

Petra Fröhlich
Chefredakteurin GamesWirtschaft

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1 Kommentar

  1. „Microsoft wär ja schön doof, wenn sie das täten. Und doof sind die ja nicht.“ MS ist und bleibt nie die hellste Kerze in einem Dunklen Keller. Man braucht sich nur mal durchlesen und zu verfolgen was bezüglich XBox so los ist. Ich wage zu behaupten das es Früher oder Später keine XBox mehr geben wird und das sich nach der Übernahme die Spielequalität verbessern wird glaubt Ihr soch ernsthaft selbst nicht. Jetzt hauen Talentierte leute bei Blizzard ab weil Sie kein Home Office machen können und ein Umzug und Miete nur um in die Nähe des Arbeitgebers zu kommen ist Schwer bis gar nicht zu Stemmen. Was soll die übernahme also bringen? Gar nichts wird es bringen. MS macht Sch….zvergleich nichts anderes. Wenn Windoof 12 jetzt wirklich ein Abomodell werden dann Gute Nacht MS. Dann werden einige zu Linux wechseln und wer jetzt über Linux meckert, es gibt genug ausgereifte Distriburionen wo Windows Games laufen und das sogar besser als wie bei Windoof. Windows ist eben doch nicht allmächtig. 😂🤣

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