Start Meinung Ritter Sport: Die Quadratur des Gamers (Fröhlich am Freitag)

Ritter Sport: Die Quadratur des Gamers (Fröhlich am Freitag)

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Seit dem 28. Juni in limitierter Auflage: die Ritter-Sport-Sorte 'Ingame' (Abbildung: Ritter Sport)
Seit dem 28. Juni in limitierter Auflage: die Ritter-Sport-Sorte 'Ingame' (Abbildung: Ritter Sport)

„What’s up, Gamers?“: Mit einer Bananen-Joghurt-Komposition positioniert sich der Schokoladen-Konzern Ritter-Sport als Gamer-Versteher.

Verehrter GamesWirtschaft-Leser,
verehrte GamesWirtschaft-Leserin,

der mit weitem, weitem Abstand meistgelesene und meistgeteilte Beitrag dieser Woche war nicht die erwartbare Gamescom-Zusage von Ubisoft und auch nicht der Inhalt des NRW-Koalitionsvertrags. Sondern: die Markteinführung der in limitierter Stückzahl produzierten Ritter-Sport-Schokoladensorte Ingame, die nach „fruchtiger Banane“ und „frischem Joghurt“ schmecken soll.

Ob das zutrifft, kann ich Ihnen gar nicht sagen, weil entgegen der Statuten des Presseversorgungsprogramms (PVP) der deutschen Süßwarenindustrie noch keine Testmuster eingegangen sind. Aber weil ich in den kommenden Tagen ohnehin in Berlin bin, wird sich die Sonderausgabe sicher im Ritter-Sport-Flagship-Store (gibt’s wirklich) organisieren lassen – sofern nicht der vorzeitige Ausverkauf eintritt. Im Handel ist das Sondermodell nicht erhältlich.

Für rittersportliche 2,49 € liefert die 100-Gramm-Tafel jedenfalls stramme 576 Kalorien, verursacht durch eine Melange aus Zucker, Palmfett, Kakaobutter, Butterreinfett, Magermilchjoghurtpulver und immerhin 4 Gramm Bananenmark. Die Werbetexte quillen über vor Fachvokabular – kein Klischee darf ungenutzt bleiben, so will es das Gesetz. Da werden „Highscores in die Höhe getrieben“, „Vorräte gefarmt“ und „N00bs an den Boden der Ladder verbannt“.

Nun.

Der aufliegende Elfmeter – nämlich die Umbenennung in Ritter eSport – wurde leider vergeben, wie Activision-Marketer Gojic zurecht feststellte.

Fröhlich am Freitag - die wöchentliche Kolumne bei GamesWirtschaft
Fröhlich am Freitag – die wöchentliche Kolumne bei GamesWirtschaft

Das bemerkenswert große Interesse an dieser ‚Limited Edition‘ – die in Kooperation mit der Agentur-Neugründung OKA Gaming ausbaldowert wurde – ist zumindest leichter Balsam für die geschundene Traditions-Marke, die seit Monaten mächtig Prügel einstecken muss für die fortgesetzte Belieferung von Supermärkten in Moskau, Sankt Petersburg und Nowosibirsk.

Der für gewöhnlich undiplomatisch auftretende ukrainische Chefdiplomat Melnyk ätzte: „Quadratisch. Praktisch. Blut.“

Dazu muss man wissen: Russland ist für die Alfred Ritter GmbH & Co. KG wirtschaftlich von enormer Bedeutung. Denn abgesehen vom Heimatmarkt verkauft der schwäbische Mittelständler nirgendwo so viele Produkte – was spätestens seit dem 24. Februar eine eher ungute Konstellation darstellt und Ende März eine einigermaßen zerknirschte PR-Stellungnahme erforderlich machte.

Die Botschaft: Ungeachtet anhaltender Kritik und anders als Mitbewerber wird sich Ritter Sport nicht aus Russland zurückziehen – auch mit Verweis auf die mehr als 1.700 Arbeitsplätze und das Schicksal der „Kakaobauernfamilien“ in Ghana oder Peru.

Der Schokoladen-Produzent befindet sich seitdem in einem ziemlich aussichtslosen Selbstverteidigungsmodus – auch deshalb, weil steile PR-Hülsen wie „Uns ist Verantwortungsbewusstsein wichtiger als Gewinn“ ja ungleich glaubwürdiger rüberkommen, wenn sie abseits von Rohstoffen und Produktion auch mit Blick aufs Vertriebsnetz unterfüttert würden. Zumindest die Überschüsse aus dem laufenden Russland-Umsatz sollen gespendet werden.

Auf Twitter schweigt Ritter: Seit drei Monaten herrscht Funkstille. Doch drüben bei Instagram entlädt sich weiterhin die ganze Cancel-Wut unter jedem einzelnen Posting – auch nach der Ankündigung der ‚Gaming-Schokolade‘. Die Gemüter ließen sich vermutlich noch nicht mal mit einer Neuauflage der Sorte ‚Schoko & Gras‘ („Volle Kanne Vollmilchrausch“) besänftigen – oder mit einem Comeback der Variante ‚Einhorn‘ (nur echt mit Himbeer-Casssis-Regenbogen).

Diese Social-Media-Schlacht ist nicht zu gewinnen. Die Fronten sind verhärtet. Denn: Wer vermag schon mit letzter Sicherheit auszuschließen, dass ein Rum-Trauben-Nuss-Lieferstopp nicht doch die entscheidende Wende im Kriegsgeschehen bringen könnte? Zusammen mit der Panzerhaubitze 2000, versteht sich.

Eines ist aber offensichtlich: Im Unterschied zu – sagen wir – Coca-Cola hat Ritter Sport den ‚Gamer‘ schon ganz gut verstanden und abgeholt. Denn eigentlich ist es gar nicht so kompliziert, bei diesem dankbaren, um nicht zu sagen: ausgehungerten Publikum einen Nerv zu treffen. Haribo hat letztens Super-Mario-Münzen, -Sterne und -Pilze in Fruchtgummi gepresst und in Tüten abgefüllt. Ergebnis: großes Hallo, leere Regale. Und das Münchener Startup Yfood legte im Frühjahr mit ‚Team Kiba‘ (Kirsch-Banane) bereits die zweite Gaming-Edition auf.

Läuft also.

Pringles (also Kellogg’s), McDonald’s, Müllermilch, Warsteiner, Red Bull ohnehin – neben den Automobilherstellern, den Mobilfunkern und der Finanzbranche war und ist der Food-Sektor der mit Abstand rührigste Industriezweig, der Gaming und E-Sport recht frühzeitig als Marketing-Einfallstor erkannt hat. Gegessen und getrunken wird eben immer.

Und wenn schon der Kleiner Feigling-Abfüller „großes Potenzial in der Gamer-Szene“ sieht, sagt mein Bauchgefühl: Da kommt noch mehr. Viel mehr.

Oder wie es der Future Shopper Report 2021 so schön auf den Punkt bringt: „What makes gamers so interesting is that there are so many of them.“

Guten Appetit und ein schönes Wochenende wünscht Ihnen

Petra Fröhlich
Chefredakteurin GamesWirtschaft

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1 Kommentar

  1. ROFL!
    […], weil entgegen der Statuten des Presseversorgungsprogramms (PVP) der deutschen Süßwarenindustrie noch keine Testmuster eingegangen sind

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