Start Meinung Ist die Gamescom noch zu retten? (Fröhlich am Freitag)

Ist die Gamescom noch zu retten? (Fröhlich am Freitag)

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Zur Erinnerung: So sah die Gamescom bis 2019 aus (Foto: KoelnMesse / Thomas Klerx)
Zur Erinnerung: So sah die Gamescom bis 2019 aus (Foto: KoelnMesse / Thomas Klerx)

Die Kölner Messehallen bleiben Ende August nun doch leer – die Gamescom verlagert sich (schon wieder) ins Netz. Eine kluge Idee?

Verehrte GamesWirtschaft-Leser,

„Sicherheit geht vor“ flötete es auf den Gamescom-Kanälen in dieser Woche anlässlich der Absage des Vor-Ort-Messebetriebs – galant umschiffend, dass mit dieser „Sicherheit“ nicht etwa jene von Teilnehmern gemeint ist, sondern vor allem die Planungssicherheit potenzieller Aussteller.

In der Pressemitteilung lässt das KoelnMesse-Management durchblicken, was sich seit dem Vertriebsstart im März zunehmend abgezeichnet hat: Gerade die systemrelevanten Großaussteller waren a) nicht willens oder b) nicht in der Lage oder c) beides, innerhalb der verbleibenden zwölf Wochen eine irgendwie vorzeig- und spielbare Version zusammenzuschrauben, um sie einigen zehntausend „Gamescom-Superfans“ zu kredenzen.

Erst recht sahen sich die Headquarter in Japan und an der US-Ost- und Westküste außerstande, erhebliche Ressourcen für eine Veranstaltung mit unklarem Umfang, unklarer Reichweite und noch unklarerem Return on Investment freizugeben. Zumal man der Belegschaft schonend hätte beibringen müssen, warum sie den Arbeitstag seit eineinhalb Jahren im Home-Office zubringen darf, aber im August möglichst in Köln erwartet wird.

Fröhlich am Freitag - die wöchentliche Kolumne bei GamesWirtschaft
Fröhlich am Freitag – die wöchentliche Kolumne bei GamesWirtschaft

Ich will ganz offen sprechen: Mag sein, dass ungleich berufenere Experten und Kommissionen gute Gründe für die Idee eines Hybrid-Formats gefunden haben – ich hielt bereits das im März vorgestellte Konzept für problematisch, weil es das Produkt Gamescom mindestens verwässert, wenn nicht entkernt.

Wobei „Produkt“ schamlos untertrieben ist: Die Marke Gamescom war beziehungsweise ist – schon immer und immer noch – ein Premium-Produkt, eskalierend in der Aufwartung der Kanzlerin (2017) und im Besucherrekord von 373.000 Besuchern (2019). In wenig mehr als gerade mal zehn Jahren hat sich die Veranstaltung zu einer Top-5-Publikumsmesse entwickelt – mit sattem Vorsprung vor Instanzen wie der Frankfurter Buchmesse (gegründet 1949), der Hannovermesse (1947) oder der IFA (1924).

Dass man eine pandemische Gemengelage auch anders bewerten kann, zeigt ein Blick nach München, wo man das Oktoberfest zum wiederholten Male beizeiten absagt, trotz wirtschaftlichem Schaden in Milliarden-Höhe. Stadt, Gastronomen und Schausteller haben nämlich verstanden, dass sie ein Juwel mit internationaler Strahlkraft in Händen halten, um das sie die ganze Welt beneidet. „Die Wiesn kann es nur ganz oder gar nicht geben“, stellte OB Reiter klar.

Dabei wäre es mutmaßlich kein Problem gewesen, Ende September eine wie auch immer geartete Wiesn mit durchgeimpftem/-getestetem Publikum abzuhalten – Biertische mit Abstand und Plexiglas-Abtrennungen, Maskenpflicht, Eingangskontrollen, „Hygiene-Guards“, Verzicht auf „Events mit Party-Charakter“. Nur: All das hat ungefähr nichts damit zu tun, was diesen home turf of Gemütlichkeit auszeichnet.

Im Übrigen waren just diese und viele weitere Maßnahmen im Sicherheits-Konzept der Gamescom 2021 vorgesehen.

Jetzt wird aus der geplanten Hybrid-Gamescom wie schon 2020 eine rein digitale Gamescom – bestehend aus Livestreams, einem Online-Portal (Gamescom Now) und einer Social-Media-Schnitzeljagd (Gamescom Epix).

Name der Veranstaltung: Gamescom 2021.

Noch mehr als bei der Hybrid-Gamescom finde ich es befremdlich, allein durch Haltung und Wording („Weltgrößtes Games-Event“ – Leute, bitte!) den Eindruck zu erwecken, die Gamescom 2021 fände in irgendeiner Art und Weise statt und sei ansatzweise mit dem zu vergleichen, was die Gamescom aus- und erfolgreich macht.

Okay, Fröhlich, was dann? Um die Marke stabil zu halten, hätte es aus meiner Sicht genügt, sich voll auf das Show-Highlight Gamescom: Opening Night Live zu fokussieren – und stattdessen auf den Gamescom-Now-Budenzauber zu verzichten, der von Spieleherstellern, Influencern und Fachpresse ohnehin hauptberuflich und ganzjährig betrieben wird. Für Trailer, Screenshots und Produktbeschreibungen braucht es keinen zusätzlichen „digitalen Content-Hub“. Zumal die kolportierte Reichweite ohnehin ausschließlich durch die zugebuchten Medienpartner zustande kommt: Der amtliche Gamescom-YouTube-Kanal bringt es auf gerade mal 27.400 Abonnenten – zuletzt wurde dort vor 8 Monaten gesendet. Seitdem: Funkstille.

Wo Oktoberfest drauf steht, muss Oktoberfest drin sein. Und wo Gamescom drauf steht, muss Gamescom drin sein – und nicht ein Digital-Surrogat, auf dem das Etikett ‚Gamescom‘ klebt. Eine digitale Gamescom ist keine Gamescom, egal wie nice letztendlich die Instagram-, Tiktok- und Twitch-Zahlen ausfallen. Und sollte deshalb auch nicht so heißen.

Ein schönes Wochenende wünscht Ihnen

Petra Fröhlich
Chefredakteurin GamesWirtschaft


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