Start Meinung Deutscher Computerspielpreis 2021: „Krass, ey – nicht schlecht“

Deutscher Computerspielpreis 2021: „Krass, ey – nicht schlecht“

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Die Moderatoren beim Deutschen Computerspielpreis 2021: Barbara Schöneberger und Uke Bosse (Foto: Franziska Krug / Getty Images for Quinke Networks)
Die Moderatoren beim Deutschen Computerspielpreis 2021: Barbara Schöneberger und Uke Bosse (Foto: Franziska Krug / Getty Images for Quinke Networks)

Die Geisterspiele gehen in die Verlängerung: Was lernen wir aus der Verleihung zum Deutschen Computerspielpreis 2021? Der Kommentar von Petra Fröhlich.

Das Gastgeber-Duo? Bestens aufgelegt. Die Show? Kurzweilig, angenehm straff und trotz zweieinhalb Stunden Laufzeit frei von Längen. Die Technik? Schnurrt wie ein Kätzchen – alle Laudatoren und Preisträger sind pünktlich sowie hör- und sichtbar zugeschaltet, ohne dass die Leitung zwischendurch abraucht. Und das in Deutschland!

Der Livestream zum Deutschen Computerspielpreis 2021 hat eingelöst, was man von der Show erwarten durfte: eine professionell inszenierte Vergabe von 790.000 Euro aus der Schatulle des Verkehrsministeriums. Mit Games-Professor und Schauspieler Uke Bosse hat man Barbara Schöneberger bei ihrem mittlerweile vierten Einsatz den perfekten Sidekick an die Seite gestellt – zwischendurch war nicht mehr zweifelsfrei zu sagen, wer hier Moderator ist und wer Co-Moderator.

Den Löwenanteil des Rekord-Preisgelds sichern sich die beiden Abräumer des Abends:

  • Mimimi Games aus München wird als Studio des Jahres ausgezeichnet und holt mit dem Taktikspiel Desperados 3 den Hauptpreis als „Bestes deutsches Spiel“. Gesamt-Preisgeld: 140.000 Euro. Gute Nachricht 1: Das Mimimi-Team muss sich das Preisgeld nicht mit dem Publisher teilen, weil es sich beim Wiener Partner THQ Nordic um ein ‚ausländisches‘ Unternehmen handelt. Gute Nachricht 2: Mimimi Games hat den Preis nach Lage der Dinge tatsächlich angenommen. Gute Nachricht 3: Mit der inzwischen vierten Auszeichnung steigt Mimimi Games in den DCP-Olymp auf. Mit Ausnahme von Daedalic Entertainment und Ubisoft (the studio formerly known as Blue Byte) hat kein anderes Team so viele Trophäen abgeräumt.
  • Das Berliner Studenten-Team Toukana Interactive gewinnt mit dem Entschleunigungs-Renner Dorfromantik die Trophäen für das beste Gamedesign und das beste Debüt und war außerdem nominiert fürs beste Familienspiel. Gesamt-Preisgeld: 115.000 Euro. Angemessene Live-Reaktion von Toukana-Entwickler Luca Langenberg: „Krass, jetzt hab ich bald zwei von den Dingern hier stehen, ey – nicht schlecht.“

Als Gewinner des Abends fühlen darf sich außerdem die Hauptstadtregion, die ja diesmal turnusgemäß die Rolle des gastgebenden DCP-Standorts übernommen hat. Denn mit Dorfromantik, Cloudpunk (Beste Spielwelt und Ästhetik, nominiert fürs Beste Deutsche Spiel), El Hijo (bestes Familienspiel) und Curious Expedition 2 (nominiert in der Familienpreis-Kategorie) gibt es gleich mehrere Games, die mit freundlicher Unterstützung des Medienboards Berlin-Brandenburg entstanden sind. Damit setzt sich eine Entwicklung der Vorjahre fort, in denen unter anderem Through the Darkest of Times, Sea of Solitude und Lonely Mountains: Downhill gewannen. Den Mitbewerbern unter den Games-Standorten muss zu denken geben, warum die Berliner seit Jahren einen Lauf haben.

Ebenfalls positiv: die deutlich aufgestockten Nachwuchskategorien, in denen bereits den Nominierten 20.000 beziehungsweise 25.000 Euro winken. Mit einem Gesamtpreisgeld von einer Viertelmillion Euro für Nachwuchs-Talente legt der Deutsche Computerspielpreis das Steuergeld just dort an, wo es à la longue die größte Hebelwirkung entfalten dürfte.

Alles gut also? Fast.

Reformbedarf besteht aus meiner Sicht weiterhin bei der Wahl zum/zur Spieler/Spielerin des Jahres, denn hier entscheidet nicht die Jury, sondern das Publikum. Das ist grundsätzlich kein verkehrter Grundgedanke. Nur: Bei Publikumswahlen gewinnt erfahrungsgemäß immer der Film oder das Spiel mit den meisten Zuschauern oder Käufern – und in diesem Fall eben die Kandidatin mit der größten Community. YouTuberin und Streamerin Jasmin alias Gnu hat die Kategorie erwartbar für sich entschieden – und man darf annehmen, mit obszönem Vorsprung, falls die Zahl von 1 Million YouTube-Abonnenten ein Indiz ist. Die Wahl geht natürlich trotzdem völlig in Ordnung, zumal die Influencerin buchstäblich all das verkörpert, wofür die Games-Branche stehen möchte, aber weiß Gott nicht immer steht: Diversität und Toleranz zum Beispiel.

Zweitens: Der DCP hat immer noch einen Vollpreisspiel-Drall. Schon im vergangenen Jahr haben wir an dieser Stelle moniert, dass das DCP-Line-Up nur einen „winzig kleinen Teil der Lebenswirklichkeit in der deutschen Games-Branche“ abbildet, die ja bekanntlich 9 von 10 Euro mit Online-Games und Spiele-Apps verdient und in diesem Segment auch die meisten Arbeitsplätze stellt. Just dieses Handwerk bleibt beim DCP traditionell so gut wie unberücksichtigt.

Und drittens: Auch wenn sich die Politik abermals angenehm zurückgehalten hat, anstatt sich wie in den Vorjahren auf offener Bühne zu profilieren, so ist es umso betrüblicher, dass der für Games zuständige Bundesminister das Medium Computerspiele zum wiederholten Male nach seiner Nützlichkeit bemisst: „Viele Bereiche unseres Alltags profitieren von den technischen Innovationen und dem Know-how der Branche“, jubelt Andreas Scheuer im Nachklapp. “Das reicht von Architektur und Bau über Mobilität und Bildung bis hin zu Gesundheit und Pflege.“

Klingt wie ein Lob, heißt aber nichts anderes, als dass Computerspiele aus Sicht führender Politiker möglichst ’serious‘ sein sollten, anstatt wie Musik, Buch, Film und TV auch einfach nur unterhalten zu dürfen. Immerhin – so viel sei spoilerfrei verraten: Es war mit überragend großer Wahrscheinlichkeit Scheuers letzter DCP-Auftritt, in dessen Amtszeit immerhin die Einführung der zunächst arg ruckeligen, aber mittlerweile gut geölten Bundes-Games-Förderung fällt.

Unterm Strich dürfen die Ausrichter mit der diesjährigen DCP-Show aus guten Gründen zufrieden sein, weil sie so ziemlich das Maximum herausgeholt haben, was in pandemischen Zeiten herausholbar ist. Eine Verlängerung dieser publikums-befreiten Geisterspiele wünscht sich dennoch niemand. Und deshalb endet mit dem gestrigen Abend hoffentlich die Ära der rein digitalen Computerspielpreis-Verleihungen: Den Nominierten und Preisträgern ist eine größere Bühne zu wünschen als eine Videoschalte aus dem Home-Office – 2022 dann wieder in München.

Alle Nominierten, Gewinner und die Entwicklungen des Live-Tickers können Sie hier nachlesen.