Start Meinung Fröhlich am Freitag 45/2019: Digitale Konfettikanonen

Fröhlich am Freitag 45/2019: Digitale Konfettikanonen

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Switch-Neuheit
Switch-Neuheit "Mario & Sonic bei den Olympischen Spielen: Toyko 2020" (Abbildung: Nintendo of Europe)

Anders als bei Film und Musik wird von Computer- und Videospielen erwartet, dass sie sich nützlich machen. Warum eigentlich?

Verehrte GamesWirtschaft-Leser,

das Wort hat zunächst die Kanzlerin der Bundesrepublik Deutschland:

„3D, Augmented Reality, Virtual Reality, Künstliche Intelligenz – das sind High-Tech-Beispiele aus der Games- Branche, die auch in der Industrie zunehmend an Bedeutung gewinnen. Wer also heute Entwickler in der Spielebranche ist, kann morgen vielleicht seine Kenntnisse auch in neue Anwendungen und Geschäftsfelder der Industrie einbringen.“

Etwas mehr als zwei Jahre ist es her, dass Merkel mit ihrer Gamescom-Rede die Erwartung auf den Punkt gebracht hat, wozu diese komischen Videospiele aus Sicht der Politik taugen: nämlich als Humus, auf dem dann „vernünftige“ Dinge gedeihen.

Diese Geisteshaltung zieht sich wie ein roter Faden durch Grußworte, Interviews, Podiums-Diskussionen, Wahlprogramme und Koalitionsverträge. Auf der Website des für die Spiele-Industrie verantwortlichen Verkehrsministeriums wird die Spiele-Förderung des Bundes unter anderem damit begründet, dass „Filmwirtschaft, Architektur- und Baubranche, Mobilität, Bildung, Gesundheit und Pflege von den technischen Innovationen und dem Know-how der Branche“ profitieren.

Fröhlich am Freitag - die wöchentliche Kolumne bei GamesWirtschaft
Fröhlich am Freitag – die wöchentliche Kolumne bei GamesWirtschaft

Das ist zwar alles durchaus erfreulich und sicher nett gemeint. Doch möglicherweise wäre es zwischendurch mal ganz hilfreich, wenn wir uns gemeinschaftlich daran erinnern, wozu Videospiele eigentlich gut sind: Entertainment, Zerstreuung, Zeitvertreib, Jux, Dollerei, Endorphin- und Dopamin-Ausschüttung in unverantwortlichen Mengen, kurzum: Spaß.

Zu oberflächlich? Mag sein. Nur: Von Netflix-Serien, Apache-207-Alben, Fitzek-Romanen oder Marvel-Filmen würde ungefähr niemand erwarten, dass sie zuvorderst ein Hochamt der Bildung feiern.


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Bei Computerspielen ist das anders, immer noch. Games sollen sich gefälligst nützlich machen – Prädikat: „pädagogisch wertvoll“. Und das führt dann eben dazu, dass die staatliche Games-Förderung in Bayern bei einer Altersfreigabe von 16 Jahren endet – und dass sich das Land Hessen seit zwei Jahren höchst unerfolgreich vornimmt, mit lächerlichen Alibi-Beträgen allenfalls Serious Games fördern zu wollen, aber um Himmelswillen nichts, was Leute freiwillig zum Gamepad greifen lässt.

Natürlich dürfen und können Games auch intellektuell herausfordernd, avantgardistisch und feingeistig sein. Am heute erscheinenden „Death Stranding“ wird sich das Feuilleton noch wochenlang abarbeiten, womöglich werden ganze Bachelor-Arbeiten darüber verfasst.

Aber in ihren besten Momenten sind Videospiele eben in erster Linie eines: digitale Konfettikanonen.

Deshalb – mit Verlaub, Frau Kanzlerin: Sollte der Haushaltsausschuss des Bundestags am kommenden Donnerstag grünes Licht für die Computerspiele-Förderung geben, dann ist damit vor allem eine Hoffnung verbunden: Dass die vielen Millionen Euro an Steuergeldern dazu beitragen, möglichst viele neue Studios und Jobs in der Games-Branche entstehen zu lassen. Auf dass erfahrene Fachkräfte und Top-Talente – Spieldesigner, Grafiker, Programmierer – nicht länger dazu gezwungen sind, das Videospiel-Gewerbe in Richtung anderer Industrien zu verlassen.

Die werden nämlich alle dringend gebraucht – für die Produktion von Spaß.

Ein schönes Wochenende wünscht Ihnen

Petra Fröhlich
Chefredakteurin GamesWirtschaft


Alle Folgen der Kolumnen-Serie finden Sie in der Rubrik „Meinung“.