Start Wirtschaft Klaas Kersting: „Jeder, der das sagt, hat noch nie ein Spiel designt.“

Klaas Kersting: „Jeder, der das sagt, hat noch nie ein Spiel designt.“

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Klaas Kersting, Gründer und CEO von Phoenix Games (Foto: PR)
Klaas Kersting, Gründer und CEO von Phoenix Games (Foto: PR)

Free2Play, Übernahmen, Blockchain: So blickt Serien-Gründer und Phoenix Games-Chef Klaas Kersting auf den Spielemarkt.

Vor fast 20 Jahren hat er gemeinsam mit Alexander Rösner die Gameforge GmbH in Karlsruhe aufgebaut – mittlerweile Deutschlands größter unabhängiger Publisher. Seit seinem Gameforge-Ausstieg im März 2010 tut Klaas Kersting das, was ihm am meisten Spaß macht: gründen, investieren, beraten. Die Liste der Unternehmungen ist lang – und wächst.

Mit seiner Phoenix Games Holding GmbH hat er seit 2019 eine ganze Reihe von Beteiligungen eingesammelt, darunter Midoki im britischen Leamington Spa, Smileygamer aus Belgien und natürlich Promotion Software aus Tübingen – eines der ältesten Games-Unternehmen der Republik, das auch 30 Jahre nach Gründung von Mad News-/Mad-TV-Erfinder Ralph Stock geleitet wird. Gerade der Zukauf der schwäbischen Emergency-Macher („Retten statt ballern!“) habe sich gerechnet, verrät Kersting: „Das Studio ist immer noch profitabler als es jemals war und arbeitet an zwei Titeln auf der Emergency-IP“.

Der Mobile-Ableger "Emergency HQ" wird als Free2Play-Spiel vertrieben (Abbildung: Promotion Software)
Der Mobile-Ableger „Emergency HQ“ wird als Free2Play-Spiel vertrieben (Abbildung: Promotion Software)

Phoenix Games: Optimierung per Autopilot

Founders Unleashed – die Entfesselung der Gründer: So lautet das Motto von Phoenix Games. Damit das gelingt, lässt Kerstings Team die Online- und Mobile-Games von einer hauseigenen Software analysieren und optimieren – fast wie bei einem Bildbearbeitungs-Programm. Die Folge: mehr Spieler, mehr zahlende Spieler, mehr Umsatz.

Derlei Optimierung tut not – mehr denn je: Denn die Dynamik im Mobilegames-Markt hat spürbar nachgelassen. In den Appstores wirken die Top-Platzierungen der Charts wie festbetoniert: Supercell, King, Playrix, Krafton, Netease. Umgekehrt hängen gerade kleine und mittelgroße Studios im Niemandsland zwischen Achtungserfolg und der Notwendigkeit, den nächsten Schritt zu wagen.

Die Phoenix-Software ist auf Free2Play-Spiele zugeschnitten. Warum? Weil Free2Play das Geschäftsmodell sei, das man auf Basis von Zahlen und Technik am besten durchoptimieren könne, so Kersting. Er spricht von einem ‚bekannten Werkzeugkasten‘ mit erprobten Tools: „Wenn ich die BWA (Betriebswirtschaftliche Auswertung, Anm. d. Red.) von einem Studio sehe und die Rohdaten von dem Spiel kriege, dann kann ich sagen, wie die BWA hinterher aussehen wird. Das ist risikolos – und ‚risikolos‘ ist in der Spielebranche selten. Jeder Moment der Risikolosigkeit ist eine Party wert.“

Der Umsatz mit Games-Hardware und -Software in Deutschland ist 2021 auf fast 10 Milliarden € angestiegen (Stand: 11.4.2022)
Der Umsatz mit Games-Hardware und -Software in Deutschland ist 2021 auf fast 10 Milliarden € angestiegen (Stand: 11.4.2022)

Und jene Risiken sind zuletzt gestiegen: „Es gibt keinen Mangel an Studios mit großartigen Ideen. Es gibt keinen Mangel an Menschen, die Studios gründen wollen. Es gibt keinen Mangel an großartigen Spielen. Aber es gibt einen Mangel an Erfolgen, die ein Studio aus der Morgen-bin-ich-tot-Situation rausbringen. Abgesehen von harter Arbeit und ner Menge Timing ist es halt auch Glück – und die Wahrscheinlichkeit ist nicht hoch. Und das ist weltweit in der Industrie kaputt.“

Das sei ein Spiel mit gezinkten Karten, so Kersting.

Die Phoenix-Algorithmen bescheren den Studios daher vor allem eines: mehr Zeit. Denn: „Zeit ist ein Luxus. Denn mit Zeit kann man Spiele rund machen. Mit Zeit kann auch mal einen Versuch daneben setzen – und es gehen nicht am nächsten Tag die Lichter aus.“

Klaas Kersting über Blockchain in Games: „Das ist die Lösung für ein Problem, das keiner hat.“

Das Talent, das Gras wachsen zu hören, ist essenziell für Investoren. Sprich: Welche neuen Geschäftsmodelle zeichnen sich am Horizont ab, was ist das nächste große Ding?

Zu vermeintlichen Hypes wie Kryptowährungen und NFTs hat Kersting eine klare Meinung: „Blockchain ist schwierig. Ich seh den Anwendungsfall für Games kombiniert mit Blockchain nicht. Das ist die Lösung für ein Problem, das keiner hat. Zumindest kann mir niemand das Problem beschreiben, was Blockchain löst, was sich technisch nicht anders lösen lässt. Dann kommt man früher oder später raus auf: ‚Aber dann gehört mir das Schwert wirklich und dann kann ich das mitnehmen in ein anderes Spiel‘. Jeder, der das sagt, hat noch nie ein Spiel designt. Weil: Oh mein Gott, was für ein Unfug. Es ist schwer genug, ein Spiel zu designen – aber eine Interoperalität von Charakteren oder Gegenständen ist so komplex, das wird nie funktionieren. Abgesehen davon, dass man sowas innerhalb des Spiels auch mit einer Datenbank abbilden kann.“

Die größten Games-Entwickler und Spiele-Studios in Deutschland (Stand: 6. Oktober 2022)
Die größten Games-Entwickler und Spiele-Studios in Deutschland (Stand: 6. Oktober 2022)

Übernahmen in der Games-Industrie: „Was die gemacht haben, ist quasi Finanzmathematik“

Und wie blickt Kersting auf den deutschen und europäischen Spiele-Markt? Ist mit weiteren spektakulären Übernahmen zu rechnen, wie sie mit Koch Media (heute Plaion), Wooga, InnoGames, Kolibri Games, Astragon oder Daedalic stattgefunden haben?

„Noch vor einem Jahr gab es jede Menge Firmen, die aggressiv gekauft haben – die Stillfronts oder die Embracers dieser Welt“, erklärt Kersting. „Was die gemacht haben, ist quasi Finanzmathematik. Die haben ein Multiple an der Börse, der ist halt hoch – und solange sie weniger zahlen als die, haben sie auf dem Papier erstmal Gewinn gemacht. Das ist toll, solange es funktioniert. Jetzt hat ein Embracer 50 Prozent seines Werts im Vergleich zum Peak verloren, ein Stillfront 70 Prozent, ein Media Games Invest (Gamigo, Anm. d. Red.) 75 Prozent. Das ist Segen und Fluch, wenn man eine börsennotierte Firma ist. Jetzt sind deren eigene Multiples so niedrig, dass die ganz andere Probleme haben.“

Deshalb sei es auf der Käuferseite vergleichsweise ruhig geworden – und auch die Preiserwartung der Gründer habe sich etwas korrigiert.

Umso mehr kommt es in diesem unsicheren Marktumfeld darauf an, schnell handeln zu können. Deshalb hat Kersting zuletzt weitere Partner geholt: An der jüngsten Finanzierungsrunde im März 2021 beteiligten sich einige der bekanntesten Games-Unternehmer des Landes – darunter der langjährige Wooga-CEO Jens Begemann, die Kolibri-Games-Gründer Daniel Stammler, Janosch Kühn und Oliver Löffler und Serien-Unternehmer Heiko Hubertz (Bigpoint, Whow Games).

Gemeinsames Ziel: das Potenzial weiterer Gründer zu ‚entfesseln‘.