Start Wirtschaft Trotz Lootboxen: USK hält FIFA 23 für unbedenklich (Update)

Trotz Lootboxen: USK hält FIFA 23 für unbedenklich (Update)

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USK 0 trotz Lootboxen: Satiriker Jan Böhmermann kritisiert das Geschäftsmodell von FIFA 23 in seiner Sendung ZDF Magazin Royale (Quelle: ZDF)
USK 0 trotz Lootboxen: Satiriker Jan Böhmermann kritisiert das Geschäftsmodell von FIFA 23 in seiner Sendung ZDF Magazin Royale (Quelle: ZDF)

Frei ab 0: Ungeachtet der Lootboxen-Debatte ist auch FIFA 23 ohne Einschränkungen freigegeben – die USK wehrt sich gegen Kritik von Jan Böhmermann.

Update vom 4. Oktober 2022: Die Unterhaltungssoftware Selbstkontrolle (USK) hat parallel zum Verkaufsstart von FIFA 2023 eine eigene Stellungnahme zur Frage veröffentlicht, warum das Spiel ohne Altersbeschränkung freigegeben ist – trotz der serienmäßig verbauten Lootboxen in Form von FUT-Packs und -Karten.

Das Prüfgremium sei zu dem Schluss gelangt, dass „die Spielerkartenpakete und der Kauf optisch und technisch deutlich erkennbar von realem Glücksspiel distanziert sind“. Demzufolge sei auch keine „Gewöhnung an Glücksspiel“ oder „Desensibilisierung gegenüber Spielverlusten“ zu erwarten.

Allerdings: „Interaktions- und Nutzungsrisiken“ – also Kauffunktionen und Lootboxen – blieben bei der Bewertung von FIFA 23 unberücksichtigt. Das wird sich erst mit der Umsetzung des seit Mai 2021 geltenden Jugendschutzgesetzes ändern. Die Umsetzung ist nach aktueller Planung für Januar vorgesehen – zuvor sind Notifizierungen seitens der Bundesländer und der EU erforderlich.

Künftig gilt: Nur dann, wenn die neuen ‚Deskriptoren‘ – also Warnhinweise als Text oder Grafik – nicht ausreichen, dann kann dies zu einer höheren Altersfreigabe führen, wie die USK auf Nachfrage mitteilt. Ob es im Falle von FIFA dazu kommt: offen. Denn es muss ein „erhebliches Risiko für die persönliche Integrität“ des minderjährigen Spielers vorliegen.

FIFA-Hersteller Electronic Arts hat demzufolge ‚Glück‘, dass die Neuregelung noch keine praktische Anwendung bei der USK gefunden hat. Doch selbst dann, wenn sich die Altersfreigabe auf 6, 12 oder gar 16 Jahre erhöhen würde, ist das in der Praxis unerheblich: Lootboxen-Spiele nach aktuellem Muster ließen sich weiterhin ohne Einschränkungen vertreiben – das würde auch für den FIFA-Nachfolger EA Sports FC 24 gelten, der im Herbst 2023 erscheint. An den Alterseinstufungen für die bisherigen FIFA-Folgen würde sich nach dem Jahreswechsel ohnehin nachträglich nichts ändern.

Twitch-Influencer wie Trymacs können im Verlauf von FUT-Pack-Opening-Streams also weiterhin deutlich fünfstellige Beträge in einem Videospiel ausgeben, das ab 0 Jahren freigegeben ist – ohne dass bei ihren Zuschauern aus Sicht der USK eine „Desensibilisierung gegenüber Spielverlusten“ eintritt.


Trotz Lootboxen: USK hält FIFA 23 für unbedenklich

Meldung vom 26. September 2022: Erst Mitte September hat sich Jan Böhmermann in der Sendung ZDF Magazin Royale an FIFA 22 und dessen Spielmodus FIFA Ultimate Team (FUT) abgearbeitet: Unter dem Titel „In-Game-Käufe – Falsche Währung, echter Dispo“ (Aufzeichnung) thematisierte Böhmermann unter anderem die sogenannten FUT-Packs, die der US-Hersteller Electronic Arts für das 70-€-Fußballspiel vertreibt.

Mit dem zufallsgenerierten Inhalt dieser kostenpflichtigen Pakete könne sich der FIFA-Spieler dann ein Team aus Stars zusammenstellen, um dann „im Online-Spiel von 12jährigen beleidigt, abgezogen und gedemütigt zu werden“, so Böhmermann. Wenn Influencer vor Live-Publikum stundenlang FUT-Packs im Gegenwert vier- bis fünfstelliger Euro-Beträge öffnen, schauen Abertausende bei Twitch und YouTube zu.

Solche ‚Lootboxen‘ stehen daher seit Jahren in der Kritik von Verbraucher- und Jugendschützern. Die Problematik gerade mit Blick auf Minderjährige ist zwar längst bei der Politik und in Ministerien angekommen – allerdings blieb es zumindest in Deutschland bei Absichtserklärungen, während andere EU-Nachbarländer Verbote durchgesetzt haben.

Zuletzt hat sich die neue schwarz-grüne Landesregierung in Schleswig-Holstein im Koalitionsvertrag vorgenommen, „eine angemessene Regulierung von Glücksspiel in Computerspielen, wie etwa durch sogenannte Lootboxen, auf Bundesebene zu unterstützen.“

Doch just um diese Nähe von Lootboxen zum Glücksspiel gibt es heftigen Streit: Die Games-Industrie fürchtet um Milliarden-Umsätze und wehrt sich seit Jahren auf allen politischen Ebenen gegen eine Verschärfung der Gesetzeslage. Hauptargument: eine vermeintliche Verwandtschaft zu harmlosen Überraschungseiern und Panini-Sticker-Alben. Allerdings ist die Mechanik und Präsentation gängiger Lootboxen nach FIFA-Bauart eine gänzlich andere, zumal die Wahrscheinlichkeiten für besonders seltene Spieler-Karten bestenfalls vage von Spieleherstellern kommuniziert werden.

Seit dieser Woche steht nun fest: Wie schon FIFA 22 und alle vorherigen Ausgaben des Fußballspiels darf FIFA 23 ab kommendem Freitag ohne Einschränkungen verkauft werden – auch an Kinder und Jugendliche. Die entsprechende Unbedenklichkeits-Bescheinigung wurde bereits Mitte Juli ausgestellt und von der zuständigen Unterhaltungssoftware Selbstkontrolle (USK) jetzt veröffentlicht.

Spiele ohne Altersbeschränkung stellen laut USK „aus der Sicht des Jugendschutzes keinerlei Beeinträchtigungen für Kinder“ dar. Denn Mikrotransaktionen und somit auch Lootboxen sind nicht Bestandteil der USK-‚Leitkriterien‘, finden also von vornherein keine Berücksichtigung.

Der Umsatz mit Games-Hardware und -Software in Deutschland ist 2021 auf fast 10 Milliarden € angestiegen (Stand: 11.4.2022)
Der Umsatz mit Games-Hardware und -Software in Deutschland ist 2021 auf fast 10 Milliarden € angestiegen (Stand: 11.4.2022)

Eltern und Erziehungsberechtigte können sich deshalb nicht auf Altersfreigaben für „Abzock-Games“ verlassen, argumentiert Böhmermann. Anstatt eine (so wörtlich) „vernünftige Alterskennzeichnung“ einzuführen, will die USK künftig mit sogenannten „Deskriptoren“ – also Textboxen und Symbolen – auf potenzielle Ingame-Käufe hinweisen.

Diese Deskriptoren sollen jedoch erst zum Jahreswechsel, also im Januar 2023, eingeführt werden. Bislang gibt es noch keine Verlautbarungen, welche Vorgaben für das Design und die Platzierung dieser Hinweise gelten.

Die USK mit Sitz in Berlin wehrt sich in einer Stellungnahme gegen die Kritik: Die ZDF-Sendung würde suggerieren, die Einrichtung sei mit Blick auf die Umsetzung des im Mai 2021 reformierten Jugendschutzgesetzes nicht aktiv geworden. Vielmehr liefen die Vorbereitungen seit längerem, doch der Start sei „abhängig von den finalen Abstimmungsprozessen innerhalb der 16 Bundesländer“.

Der Beitrag würde zudem den Eindruck erwecken, dass Glücksspiel bei den Altersfreigaben keine Rolle spielen würde. Diese Darstellung sei überholt, so die USK: Seit einer Neufassung des Kriterienkatalogs würden entsprechende Elemente und Mechaniken bei der Einstufung berücksichtigt. Zudem würde bewertet, inwieweit der Hersteller „technische Vorsorgemaßnahmen“ trifft – also zum Beispiel, ob die Glücksspiel-Komponente optional oder deaktivierbar ist. Nur dann, wenn die Gremien zu dem Ergebnis kommen, dass ein Zusatzhinweis nicht ausreicht, soll sich dies auch in der Altersfreigabe wiederspiegeln.

Als Beispiel wird die Take-Two-Basketballsimulation NBA 2K genannt, die seit NBA 2K22 ab 12 Jahren freigegeben ist. Indes bleibt es für den Verbraucher völlig unklar und intransparent, worauf genau diese Entscheidung basiert – und worin der Unterschied zu FIFA 22 beziehungsweise FIFA 23 bestehen könnte. Die ‚Herleitungen‘ und Begründungen für die Altersfreigaben werden nirgends veröffentlicht (Kommentar).

Im konkreten Fall von NBA 2K23 verweist die USK auf eine „Annahme der Gewöhnung an echtes Glücksspiel aufgrund der visuellen und inhaltlichen Aufbereitung und Darstellung der glückspielähnlichen Elemente im Spiel“.

Bei FIFA 22 und FIFA 23 ist dies nicht der Fall – zumindest aus Sicht der USK, die den Antragstellern je nach Dringlichkeit zwischen 1.200 und 3.000 € pro geprüftem Spiel berechnet.

FIFA 23 ist ab dem 30. September für PC und alle gängigen Spielkonsolen erhältlich; in Kooperation mit EA bietet Sony Interactive zudem ein offizielles PlayStation 5-Bundle an. Nach Ende des Lizenzvertrags mit dem Fußball-Weltverband ist es das letzte FIFA von Electronic Arts – ab der kommenden Saison firmiert das Spiel unter „EA Sports FC“.

4 Kommentare

  1. Ich wage mal die Behauptung, das FUT in der Version, die der USK zur Prüfung der Alterseinstufung vorliegt überhaupt nicht testbar ist. Die Prüfer dies also überhaupt nicht realistisch einschätzen können. Hat jemand Infos darüber, ob Gamestar, PC Games & Co. diesen Modus vorab in echt ausprobieren können?

  2. wo ist denn schon wieder die elterliche Aufklärung der Kids geblieben. es geht so:
    „nein kleiner, du darfst keine ingame Käufe von meinem sauer verdienten Geld durchführen. vllt Mal zum Geburtstag, ausnahmsweise, ansonsten erspielst du dir die Karten wie jeder andere.
    Blöhmermanns Meinung dazu braucht jetzt auch keiner.

  3. Es würde mich nicht wundern, wenn auch hier regelmäßig Lobbyvertreter mit dicken braunen Koffern das Gebäude der USK betreten und mit erheblich dünneren Koffern aber einem lächeln im Gesicht wieder verlassen würden. Wie „Bömi“ schon überdeutlich dargesteööt hat, sind längst nicht mehr die verkauften Spiele doer Konsolen, sondern Microtransaktionen der hauptsächliche Gewinntreiber der Spieleindustrie. Das Spiele wie Coin Master natürlich „nie die Absicht haben Kinder zum Glücksspiel zu verführen“ ist ja mittlerweile allgemein bekannt, deswegen gibt es auch so viele Ableger davon in den Stores, dass die USK nicht mehr mit prüfen hinterher kommt.
    Die Politik muss endlich den Stock, verzeigunh ich meine natürlich die Geldbündel aus dem Arsch nehmen und Farbe bekennen, was ist wichtiger, Jugendschutz und der Schutz von gefährdeten Personen (den sogenannten Walen) oder sich die eigenen Taschen zu füllen?

    Im Gegensatz dazu bekommt man bei einem Ü-Ei oder einem Panini Sammelpäckchen oder auch einem Päckchen Spielkarten von diversen Franchises wie Pokemon oder Magic the Gathering, um mal zwei prominente Beispiele zu nennen, immerhin noch einen Gegenwert. Selbst wenn man nicht das gezogen hat was man gerne hätte, kann man das gezogenen noch weiterverkaufen. Das ist bei digitalen Gütern aus Lootboxen nicht vorgesehen, deswegen ist das ein himmelweiter Unterschied und MUSS gesondert betrachtet werden!

    • Naja, nicht für jede Dummheit kann man die Politik verantwortlich machen. Wer Geld für virtuelles ausgibt, weiß, dass dies keinen sinnvollen Gegenwert hat. Auch meinen Spotify-Account kann ich nicht weiterverkaufen, wenn ich drei Monate nix höre. Topps ist ja sogar so frech und stellt Apps einfach ein, dann kann man seine dort teuer gezogenen Karten nicht mal mehr virtuell tauschen.

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