Start Wirtschaft Trotz Lootboxen: Warum FIFA 22 ohne Einschränkung freigegeben ist

Trotz Lootboxen: Warum FIFA 22 ohne Einschränkung freigegeben ist

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Zwei Sportspiele, zwei USK-Wertungen: FIFA 22 ist ohne Einschränkung freigegeben - NBA 2K22 ab 12 Jahren (Abbildungen: USK, EA, Take Two)
Zwei Sportspiele, zwei USK-Wertungen: FIFA 22 ist ohne Einschränkung freigegeben - NBA 2K22 ab 12 Jahren (Abbildungen: USK, EA, Take Two)

Die Risiken und Nebenwirkungen von simuliertem Glücksspiel sorgen dafür, dass NBA 2K22 eine höhere USK-Einstufung erhält als FIFA 22.

Gerade mal drei Wochen liegen zwischen dem Verkaufsstart von NBA 2K22 (10. September) und FIFA 22 (1. Oktober). In beiden Fällen handelt es sich um jährlich neu aufgelegte Sportspiele, mit denen die Hersteller Take Two Interactive und Electronic Arts auch diesmal dreistellige Millionen-Umsätze einspielen werden.

Seit der Jahrtausendwende ist jeder Ableger dieser Serien von der Unterhaltungssoftware Selbstkontrolle (USK) ohne jede Altersbeschränkung freigegeben. Nicht so in diesem Jahr: Denn NBA 2K22 wird von den Berliner Jugendschützern erst ab 12 Jahren empfohlen, während FIFA 22 wie gehabt mit einem USK-0-Siegel ausgestattet ist.

Woran das genau liegt und worin mögliche Risiken für Kinder bestehen könnten, das erschließt sich dem Verbraucher nicht – weder anhand des aufgedruckten USK-Logos noch mithilfe der Prüf-Datenbank auf der USK-Website. Konsequenz: Eltern und Erziehungsberechtigte tappen an dieser Stelle komplett im Dunkeln. Denn die dazugehörigen Begründungen und Gutachten werden grundsätzlich nicht veröffentlicht und nur in Ausnahmefällen herausgegeben, etwa für wissenschaftliche Zwecke.

Trotz Lootboxen: Warum FIFA 22 ohne Einschränkung freigegeben ist

Für die Altersfreigaben von PC- und Konsolenspielen sind USK-Gremien zuständig, denen vier Jugendschutzsachverständige plus ein staatlicher Vertreter angehören. Einer von ihnen: Uwe Engelhard, Ständiger Vertreter der Obersten Landesjugendbehörden. Auf GamesWirtschaft-Anfrage verweist Engelhard auf eine Änderung der USK-Leitkriterien vom Juli 2020: Seitdem wird der Aspekt „Glücksspiel“ bei der Bewertung berücksichtigtNBA 2K22 ist somit einer der ersten Blockbuster, bei denen die Regelung ganz praktische Auswirkungen hat.

Konkret soll berücksichtigt werden, ob Spielelemente enthalten sind, die die „Persönlichkeitsentwicklung von Kindern und Jugendlichen“ mit Blick auf Glücksspiel beeinträchtigen oder gefährden. Dazu gehören vor allem Spielinhalte, die „zu einer Gewöhnung beziehungsweise zu einer Verharmlosung von Glücksspiel führen können, indem sie eine positive Einstellung gegenüber Glücksspielen fördern, zur Desensibilisierung gegenüber Spielverlusten beitragen oder unrealistische Gewinnerwartungen hervorrufen.“

Anhaltspunkte ergeben sich laut Engelhard aus der Rahmenhandlung, etwa Story und Dialoge, aber auch die Frage: Wie groß ist der Anteil des Glücksspielthema am Gesamtspiel? Also: Gibt es zum Beispiel casinotypische, virtuelle Spielautomaten, glücksspielähnliche Mechanismen oder einen gesteigerten Handlungsdruck?

Ganz wichtig: Explizit keine Berücksichtigung finden weiterhin ’nicht-inhaltsbezogene‘ Komponenten, also zum Beispiel Werbung, Kaufappelle oder Ingame-Käufe, auch in Verbindung mit zufallsgenerierten Spielvorteilen – landläufig Lootboxen genannt.

Mit diesen digitalen Sammelpacks lassen sich zum Beispiel die Kader im FIFA-Online-Modus FIFA Ultimate Team (FUT) verstärken – je prominenter der Weltstar, desto seltener taucht er auf. Die abgestufte Wahrscheinlichkeit mitsamt ihrer ‚Hauptgewinne‘ aus dem obersten Regal (Messi, Ronaldo, Mbappé, Neymar, Neuer, Lewandowski, De Bruyne etc.) unterscheidet Lootboxen von Panini-Stickern und Ü-Eiern.

Führende Influencer haben bereits angekündigt, zum Start von FIFA 22 einen 48-Stunden-Streaming-Marathon hinlegen zu wollen, während dessen sie FIFA-Packs im Wert von mehreren tausend Euro öffnen. Dennoch ist das Spiel ab 0 Jahren freigegeben.

USK 0 trotz Lootbox: Was bringt das neue Jugendschutzgesetz?

Im Falle von NBA 2K22 wird das Spiel in regelmäßigen Abständen von Minispielen unterbrochen, die nach übereinstimmender Auffassung des USK-Prüfgremiums Mechaniken und Merkmale klassischer Glücksspiele aufweisen. Engelhard nennt als Beispiel sogenannte einarmige Banditen, die bei Gewinn des Jackpots einen virtuellen Geldregen in Form der Spielwährung auslösen. Solche und weitere Elemente können bei jüngeren Kindern zu einer Gewöhnung beziehungsweise zu einer Verharmlosung von Glücksspiel führen, indem Spielverluste bagatellisiert und unrealistische Gewinnerwartungen geschürt werden.

Die Folge: NBA 2K22 ist freigegeben ab 12 Jahren gemäß § 14 JuSchG.

Anders bei FIFA 22: Zwar können durch zufallsbasierte Spielerkarten Vorteile im Spiel erworben werden. „Allerdings werden diese nicht durch glücksspieltypische Gerätschaften – wie etwa Geldspielautomaten – visualisiert, weshalb der Aspekt ‚Glücksspiel‘ im Sinne der USK-Leitkriterien hier keine Anwendung fand“, so Engelhard gegenüber GamesWirtschaft.

Eigentlich sollte die Reform des Jugendschutzgesetzes an dieser Stelle mehr Einheitlichkeit und Klarheit bringen: Das Gesetz ist seit Mai 2021 in Kraft, sehr zum Ärger des Branchenverbands der deutschen Games-Industrie. Nutzungsrisiken – etwa In-Game-Käufe oder Chat-Funktionen – können seitdem bei der jugendschutzrechtlichen Bewertung berücksichtigt werden.

Dazu zählen explizit auch Zufallskäufe durch Lootboxen. Auf derartige Risiken soll künftig allerdings vorrangig mithilfe von Symbolen oder anderweitiger Zusatz-Infos („Deskriptoren“) hingewiesen werden. Nur dann, wenn der Hinweis als solcher aus Sicht der USK nicht ausreicht, kann es in Einzelfällen zu einer höheren Alterseinstufung kommen.

Die USK und die Obersten Landesjugendbehörden arbeiten laut Engelhard derzeit an der konkreten Umsetzung der gesetzlichen Vorgaben. Begleitet würden die Überlegungen durch den USK-Beirat, der die Leitkriterien vorgibt. Dem 15köpfigen Gremium unter Leitung des Bischofskonferenz-Vorsitzenden Wolfgang Hußmann gehören unter anderem Branchenverbands-Geschäftsführer Felix Falk sowie Jens Kosche vom FIFA-Hersteller Electronic Arts an.