Start Politik Streit um Lootboxen: Europas Verbraucherschützer fordern Regulierung

Streit um Lootboxen: Europas Verbraucherschützer fordern Regulierung

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Zwei Sportspiele, zwei USK-Wertungen: FIFA 22 ist ohne Einschränkung freigegeben - NBA 2K22 ab 12 Jahren (Abbildungen: USK, EA, Take Two)
Zwei Sportspiele, zwei USK-Wertungen: FIFA 22 ist ohne Einschränkung freigegeben - NBA 2K22 ab 12 Jahren (Abbildungen: USK, EA, Take Two)

„Räuberisch, manipulativ und zunehmend aggressiv“: 20 europäische Verbraucherschutzorganisationen warnen vor Lootboxen in Videospielen.

Aus Sicht von Lobbyverbänden und Spieleherstellern sind Lootboxen so harmlos wie Überraschungseier und Panini-Sticker – doch Politik und Verbraucherschützer sehen das seit Jahren anders. Nun haben sich 20 europäische Verbände unter Führung des Norwegian Consumer Council (NCC) zusammengeschlossen, um auf die Risiken und Nebenwirkungen des umstrittenen Geschäftsmodells hinzuweisen.

In Deutschland ist der Verbraucherzentrale Bundesverband (VZBV) eingebunden – auch Organisationen in Österreich, der Schweiz und in Großbritannien sind involviert.

Prominentestes Beispiel für Lootboxen sind die digitalen Sammelpacks im meistverkauften Computer- und Konsolenspiel Europas: FIFA 22-Spieler können gegen Gebühr zufallsgenerierte Pakete mit Fußballern freischalten, die dann im Online-Modus FIFA Ultimate Team (FUT) zum Einsatz kommen. Je höher der Geldeinsatz, desto größer die Wahrscheinlichkeit, einen Superstar wie Lewandowski, Mbappé oder Messi zu ‚ziehen‘. Auf GamesWirtschaft-Anfrage beteuert FIFA-Hersteller Electronic Arts, dass das Nutzer-Verhalten und deren Gesamt-Ausgaben keinen Einfluss auf den Lootbox-Inhalt haben.

Der Löwenanteil des Milliarden-Umsatzes des US-Konzerns entstammt solcher Lootboxen.

Die Verbraucherschützer fordern nun in einer konzertierten Aktion eine stärkere Regulierung. Begründet wird der Vorstoß mit dem – so wörtlich – „trügerischen Design“, dem aggressiven Marketing bei Kindern und Jugendlichen und irreführenden Wahrscheinlichkeits-Angaben. Gerade junge Kunden würden durch perfide Mechaniken manipuliert und „ausgebeutet“. Durch virtuelle Währungen (Punkte, Münzen, Gold etc.) würden Echtgeld-Ausgaben verschleiert und verzerrt.

Auf Basis einer umfangreichen Studie (PDF) fordern die Verbraucherschützer unter anderem …

  • … dass Ingame-Käufe stets in Echtgeld (Euro, Kronen, Pfund etc.) ausgewiesen werden – mindestens zusätzlich zur Ingame-Währung
  • … einen besseren Schutz von Minderjährigen, indem ihnen keine Spiele mit Lootboxen (also Games mit Zufallsinhalten gegen Bezahlung) zugänglich gemacht werden.
  • … mehr Transparenz: Gegenüber Gesetzgebern und Wissenschaftlern sollen die zugrundeliegenden Algorithmen offen gelegt werden.

Falls die genannten Maßnahmen nicht für einen besseren Verbraucherschutz ausreichen, müsse ein Verbot von Lootboxen in Betracht gezogen werden.

Spiele wie FIFA 22 sind in Deutschland weiterhin ohne Einschränkungen freigegeben: Die für Alterskennzeichnungen zuständige Unterhaltungssoftware Selbstkontrolle (USK) hält Lootboxen zwar für nicht völlig unproblematisch, sieht aber „keinen gesetzlichen Auftrag, Lootboxen bei der Prüfung zur Alterseinstufung zu berücksichtigen.“

Die USK argumentiert auch mit den eigenen Leitkriterien, die vom USK-Beirat aufgestellt werden – dem nach wie vor der langjährige Deutschland-Chef von FIFA-Produzent Electronic Arts als Abgesandter des Industrieverbands Game angehört. Die Branche entscheidet also darüber mit, ob Lootboxen ein Problem darstellen oder nicht.

In Belgien gelten Lootboxen seit einigen Jahren als Glücksspiel – weshalb Electronic Arts auf den Vertrieb von FIFA Points zum Kauf von FUT-Packs verzichtet. Activision Blizzard wird die heute erscheinende Mobilegames-Neuheit Diablo Immortal aus gleichen Gründen weder in den Niederlanden noch in Belgien freischalten.

Mit dem reformierten Jugendschutzgesetz hat die Bundesregierung zwar potenziellen ‚Kostenfallen‘ den Kampf angesagt. In der Praxis soll auf Lootboxen und ähnliche „Interaktionsrisiken“ lediglich durch Piktogramme hingewiesen werden; die konkrete Ausgestaltung ist auch zwölf Monate nach Inkrafttreten des neuen Gesetzes noch offen.