In guten wie in schlechten Zeiten soll ein Betriebsrat die Interessen der Belegschaft vertreten. Ganz neu auf der (kurzen) Liste: Ubisoft Düsseldorf.
Update vom 21. März 2025: Fast zeitgleich mit der Bandai-Namco-Tochter Limbic Entertainment (Park Beyond) ist nur wenige Kilometer entfernt ein weiterer Betriebsrat entstanden – nämlich bei der KAIKO GmbH in Frankfurt. Drei Betriebsräte vertreten die Interessen von rund 30 Beschäftigten. KAIKO gehört zur Embracer-Gruppe und ist eine Tochter des Wiener Publishers THQ Nordic, in dessen Auftrag ein noch unangekündigtes Action-Adventure auf Basis einer bekannten Marke entsteht.
Das aktualisierte ‚Line-Up‘ sieht demzufolge so aus:
- Bigpoint, Hamburg
- Deck13 Interactive, Frankfurt am Main
- Electronic Arts, Köln
- KAIKO, Frankfurt am Main (seit 2024) NEU
- Limbic Entertainment, Langen (seit 2024) NEU
- Microsoft Deutschland, München
- Nintendo of Europe, Frankfurt am Main
- Ubisoft Berlin (in Vorbereitung)
- Ubisoft Düsseldorf (seit 2024) NEU
- Ubisoft Mainz (in Vorbereitung)
- Webedia, München
Meldung vom 17. März 2025: Fünf Teil- oder Vollzeit-Kräfte – mehr braucht es formal nicht, um einen Betriebsrat in einer Firma zu installieren. Doch die Arbeit fängt dann erst richtig an: Die Beschäftigten erhoffen sich ein Zustimmungs- und Veto-, mindestens aber ein Gehört-werden-wollen-Recht bei wichtigen Themen – Aus- und Weiterbildung, Probezeit, Arbeitszeiten, Überstunden, Home-Office, Gleichberechtigung, Urlaubsregelungen, Arbeits- und Unfallschutz und vieles mehr.
Einen echten Unterschied kann der Betriebsrat spätestens dann machen, wenn es ans Eingemachte geht, also um Stellenabbau oder Betriebs-Schließungen und -Verlagerungen. Verhindern lassen sich schmerzhafte Einschnitte meist nicht – wohl aber lindern, etwa über einen seriösen Sozialplan.
In der Games-Industrie galten solche Gremien lange aus der Zeit gefallen – und völlig inkompatibel zur disruptiven Dauer-Startup-Attitude vieler Studios und Publisher. Gerade Self-Made-Unternehmer wittern im Wunsch nach einer institutionalisierten Arbeitnehmervertretung regelmäßig ein Misstrauensvotum. Groß ist die Sorge mit Blick auf eingeschränkte unternehmerische Freiheiten, hohe Kosten und nicht zuletzt ganz viel Bürokratie. Einen milden Eindruck vermittelt das Betriebsverfassungsgesetz samt Urteilen und Kommentierung, das mehrere tausend eng beschriebener Seiten umfasst.
In der Theorie darf der Arbeitgeber die Betriebsrats-Gründung nicht ausbremsen oder verhindern – in der Praxis passiert das dennoch regelmäßig auf subtile und weniger subtile Weise. Zuweilen kommt es gar zu regelrechten Betriebsrat-Abwehrschlachten.
Betriebsrat in der Games-Branche: Widerstand von ganz oben
Doch das Thema hat zweifellos Fahrt aufgenommen – in vielen Ecken der Games-Republik wird über das Pro und Contra eines Betriebsrats zumindest nachgedacht. Dafür gibt es Gründe:
- Strukturelle und hausgemachte Krisen führen industrieweit zu Kündigungswellen, zur Aufgabe von Standorten oder zur kontrollierten Abwicklung von Unternehmen. Die Angestellten lernen auf die harte Tour: Leidenschaft alleine zahlt keine Miete.
- Großherzige Remote-Regelungen, die in den Corona-Jahren 2020 bis 2022 eingeführt und eingeübt wurden, sind mittlerweile Makulatur: Zusagen gelten nicht mehr – vielfach herrscht wieder Büro-Anwesenheitspflicht.
- Zur kompletten Wahrheit gehört, dass insbesondere die Dienstleistungs-Gewerkschaft Ver.di die Games-Industrie ‚entdeckt‘ hat und proaktiv die Gründung von Betriebsräten vorantreibt.
Beim Industrieverband Game stößt die Ver.di-Rührigkeit auf wenig Gegenliebe. Schließlich stünden die Unternehmen unter Druck, dass sie mit Blick auf gute Arbeitsbedingungen konkurrenzfähig sein müssten – Stichwort Fachkräftemangel. Statt „einheitlicher Gewerkschaftsvorstellungen“ müsse daher der praktizierte Dialog in den Unternehmen ausgebaut werden, um für alle Seiten passende und attraktive Lösungen zu finden – was die Wettbewerbsfähigkeit der Betriebe einschließt.
Ubisoft-Standorte treiben Gründung von Betriebsrat voran
Ein Betriebsrat ist in der Branche weiterhin eher die Ausnahme. Ganz frisch auf der Liste ist Ubisoft Düsseldorf, wo es seit Sommer 2024 ein neunköpfiges Gremium gibt, das die 390 Beschäftigten vertritt.
Schon wenige Monate später ist bereits der Ernstfall eingetreten, denn der Konzern hat im Januar den Abbau von 65 Jobs in NRW angekündigt. Jetzt sehen sich die frischgebackenen Betriebsräte in der ungewohnten Rolle, zwischen Arbeitgeber und -nehmern zu moderieren.
Die Lage in Düsseldorf blieb auch bei den beiden anderen Niederlassungen des Ubisoft-Verbunds nicht unbemerkt: Bei Ubisoft Mainz (Anno 117: Pax Romana, Beyond Good And Evil 2) und Ubisoft Berlin (Rainbow Six Siege, Snowdrop-Engine) haben bereits Informationsveranstaltungen stattgefunden – Mitte Februar wurde ein Wahlvorstand installiert, der die Wahl eines Betriebsrats ganz konkret vorbereitet.
Eine Entscheidung mit Symbolkraft: Schließlich gelten die drei Studios von Ubisoft Blue Byte als größter Spiele-Entwickler des Landes.

Ver.die forciert Betriebsrats-Gründungen
Die Betriebsrats-Gründung bei Ubisoft Mainz wird vom Ver.di-Landesbezirk Rheinland-Pfalz unterstützt, wo man den Vorgang als „bedeutenden Schritt für die Belegschaft in einer wirtschaftlich und strukturell herausfordernden Zeit für die Branche“ einstuft.
Auslöser für die Betriebsrats-Gründung in Mainz war laut Ver.di eine „Gruppe engagierter Mitarbeitender“, die sich für mehr Mitbestimmung und eine sichere Arbeitsumgebung einsetzen. Ziel sei es, einen „sozialen Dialog zwischen Belegschaft und Geschäftsführung“ zu etablieren.
Auch im Mainzer Stadtrat findet die Betriebsratswahl Zustimmung: „Die Gaming-Branche ist weltweit berüchtigt für grenzwertige Arbeitsbedingungen und wenig Mitbestimmung“, weiß Linken-Politiker Tupac Orellana. „Die schlechten Arbeitsbedingungen haben inzwischen sogar ihre eigenen Wortschöpfungen wie das ‚Crunching‘, das Leisten von überdurchschnittlichen Überstunden teils mit 80 Wochenstunden vor Veröffentlichungen, zu Tage getragen.“

Wo es in der deutschen Games-Branche einen Betriebsrat gibt
Mit Blick auf die anhaltenden Unwucht in der Branche spricht viel dafür, dass im laufenden Jahr mit weiteren Gründungen zu rechnen ist. Stand März 2025 gibt es Arbeitnehmervertretungen in folgenden Games-Unternehmen (wird laufend aktualisiert) – in allen Fällen handelt es sich um deutsche Niederlassungen internationaler Mutterkonzerne:
- Bigpoint, Hamburg
- Deck13 Interactive, Frankfurt am Main
- Electronic Arts, Köln
- KAIKO, Frankfurt am Main (seit 2024) NEU
- Limbic Entertainment, Langen (seit 2024) NEU
- Microsoft Deutschland, München
- Nintendo of Europe, Frankfurt am Main
- Ubisoft Berlin (in Vorbereitung)
- Ubisoft Düsseldorf (seit 2024) NEU
- Ubisoft Mainz (in Vorbereitung)
- Webedia, München
Bis 2024 gab es auch einen Betriebsrat bei Flying Sheep Games in Köln: Das Studio wurde allerdings zum Jahresende geschlossen. Der bereits etablierte Betriebsrat bei der HandyGames-Tochter Massive Miniteam in Köln hat sich zwischenzeitlich wieder aufgelöst.
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Guter Artikel!
Finde aber die Formulierung spannend, dass die „Ver.di die Games-Industrie ‚entdeckt‘ hat“ – denn genau das Gegenteil ist eigentlich der Fall! Schließlich kommt nicht die Gewerkschaft um die Ecke und schnappt sich ein paar Leute die grad Lust auf Betriebsrat haben, sondern die Leute haben den Kanal voll und laufen zur Gewerkschaft, denn die haben die notwendigen Ressourcen und die Erfahrung.
Am Anfang der Kette steht immer der Arbeitnehmer.
Besten Dank fürs Feedback.
Am Ende stimmt beides – interessierte Arbeitnehmer wenden sich an die für ihre Branche zuständige Gewerkschaft, weil dort die Experten sitzen. Umgekehrt gibt es aber natürlich auch bei Ver.di und weiteren Gewerkschaften großes Interesse mit Blick auf frische Mitglieder.
Das ist Deutschland und nicht Amerika, wo Arbeitnehmer absolut gar keine Rechte haben. Wenn den unternehmen das nicht passt dann sollen sie doch über den großen teich gehen und da ihre Studios öffnen. Ich habe dieses ganze MiMiMi mittlerweile so satt. Wenn die Aktionäre druck machen dann liegt das Problem ja offenbar ganz woanders als bei der Belegschaft oder deren gesetzlich verankerten Rechten. Jeder der ohne den nötigen Geschäftsinn gründet und meint man könne ja mit einem 08/15 Spiel heutzutage noch easy Geld verdienen, der hat es verdient mit allem was er oder sie hat für diese Entscheidung zu haften!
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