Ein Karlsruher Studio kassiert Fördermittel von 180.000 € für eine Snake-Neuauflage – und dafür neuerdings viel Spott. Jetzt wehrt sich das Team.
„Bundesregierung fördert Spiele wie ‚Modern Snake‘ mit 200 Millionen Euro“ – „Steuerzahler muss für neues ‚Snake‘-Spiel blechen“ – „176.776 Steuer-Euros von Habeck für ein Handyspiel – und es wird noch absurder“: So und ähnlich lauten Schlagzeilen, die seit Freitag eine Debatte um die staatliche Games-Förderung befeuern.
Inmitten des Orkans steht die Kr3m Media GmbH mit Sitz in Karlsruhe, die eine „moderne und attraktive“ Variante des Handy-Klassikers Snake entwickelt. Für das HTML5-Browserspiel Modern Snake hat das Studio im Mai 2023 vom Bundeswirtschaftsministerium einen Förderbescheid über 176.776 € erhalten – daraus errechnet sich ein Gesamt-Budget von fast 360.000 €.
Geplantes Ende der Projekt-Laufzeit: Oktober 2024 – also schon in wenigen Wochen.
Modern Snake: Studio wehrt sich gegen Fördergelder-Kritik
Rechtzeitig vor dem Wochenende hat Kr3m infolge frei drehender Netz-Polemik eine Stellungnahme auf der Website veröffentlicht. Das mittelständische Unternehmen – das 30 Angestellte beschäftigt und in den vergangenen Tagen am Gamescom-Gemeinschaftsstand von ‚The Länd‘ vertreten war – geht darin auch auf die Kritik an einer Spiel-Abbildung ein, die in der Projektbeschreibung des zuständigen Bundeswirtschaftsministeriums enthalten ist.
Demnach handelt es sich um eine Vorab-‚Skizze‘, die „in keiner Weise“ dem Endprodukt entsprechen soll. Im Budget inklusive seien vielmehr „hochskalierende Multiplayer-Server“ und „qualitativ hochwertige Grafik“ – das veranschlagte Budget sei für ein derartiges Spiel „üblich“. Zudem sei die Reichweite von Partnern wie Der Spiegel so hoch, dass eine Erfolgswahrscheinlichkeit mit Blick auf die Refinanzierung gegeben sei.
Wenngleich das Projekt offenkundig schon kurz vor der Fertigstellung steht, hat Kr3m bislang auf die Veröffentlichung eines tagesaktuellen Screenshots aus der laufenden Entwicklung verzichtet.
„O’zapft is’“: Bayern investiert Millionen in Games
Es ist beileibe nicht das erste Mal, dass die Games-Förderung von Bund und Ländern für Irritationen sorgt: So hat der Freistaat Bayern in Summe 450.000 € in vier Games (Pong, Moon Patrol, Shark! Shark!, Skiing) für die nie erschienene Spielkonsole Intellivision Amico investiert.
Im Zuge der Modern Snake-Debatte ‚erwischte‘ es am Freitag auch das offizielle Oktoberfest-Spiel, das ausschließlich mit VR-Headsets nutzbar sein wird und im Mittelpunkt des bayerischen Gamescom 2024-Auftritts stand. Aus dem Digitalministerium kamen 2022 zunächst 200.000 € – der Bund hat vor einem Jahr eine weitere Million draufgelegt. Im April 2025 will die Münchener K5 Factory GmbH das Spiel veröffentlichen.
Der Tenor in Social Media und Presse: Warum pumpt der Staat in Zeiten leerer Kassen Hunderte Millionen Euro an Steuergeldern in die Entwicklung dieser und weiterer Computerspiele made in Germany? Und wenn es um mehr Qualität, mehr Jobs, mehr Gründungen und internationale Wettbewerbsfähigkeit geht: Kann dies mit Modern Snake, Pin Ballers & Co. gelingen?
Games-Förderung: „Flops am Fließband“?
Im Frühjahr kam die WirtschaftsWoche zur Erkenntnis, die Bundesregierung fördere „Flops am Fließband“. Daran anknüpfend stellte die AfD-Bundestagsfraktion eine Anfrage, die das Wirtschaftsministerium vor wenigen Wochen ausführlich beantwortet hat. Demnach wurden von 2019 bis 2023 knapp 180 Mio. € für 550 Projekte bewilligt – weitere 40 Mio. € sind bis Ende 2024 eingeplant. Im Haushalt für 2025 stehen zusätzliche 50 Mio. €, Stand jetzt.
Zusammen mit jenen 33 Mio. €, die unangetastet und unverplant bei Kultur-Staatsministerin Claudia Roth (Grüne) lagern, errechnet sich ein Subventions-Gesamtpaket für die deutsche Games-Branche von mehr als einer Viertelmilliarde Euro innerhalb von fünf Jahren.
Darin noch nicht eingerechnet sind anderweitige Ansiedlungsprämien und Beihilfen von Bund, Ländern und Kommunen.
Games-Subventionen: Bundesrechnungshof übt fundamentale Kritik
Nicht nur die Opposition stellt Fragen nach Effizienz und Wirksamkeit. Ende Juni ließ der Bundesrechnungshof kaum ein gutes Haar an der bisherigen Vergabe-Praxis und an der grundsätzlichen Zuständigkeit des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK). Wirtschaftsförderung sei Aufgabe der Länder. Die klare Ansage: „Soweit die Finanzierungskompetenz nicht gegeben ist, ist die Förderung des Bundes einzustellen“.
Die Aufsichtsbehörde kritisiert außerdem offenkundige „Mitnahme-Effekte“, fehlende Erfolgskontrolle und das praktizierte ‚Windhundprinzip‘ – schließlich profitieren nur die Schnellsten von der Förderung. Der Branchenverband Game reagierte auf die Schelte mit einer scharf formulierten Stellungnahme, wonach der Rechnungshof „die weltweite Marktrealität völlig verkennt“.
Das Wirtschaftsministerium hat die absehbare Kritik unterdessen in eine neue Richtlinie einfließen lassen, die Anfang 2025 in Kraft treten soll. Der Bund will sich dann auf mittelgroße und große Projekte konzentrieren – was zwangsläufig bedeutet, dass sich die Bundesländer viel stärker als bisher einbringen müssten.
Dort regt sich allerdings seit Monaten erwartbarer, heftiger Widerstand – gerade seitens wirtschaftlich starker Regionen, zumal es substanzielle Fördertöpfe bislang nur in Nordrhein-Westfalen, Berlin/Brandenburg und Bayern gibt. Aber selbst deren Mittel würden bei weitem nicht ausreichen, um die entstehenden Lücken zu schließen.
Games-Förderung: Wie geht es weiter?
Zur Wahrheit gehört: Entlang der Games-Förderung sind in den vergangenen fünf Jahren nicht nur Hunderte von Studio-Startups entstanden, sondern auch etablierte Mittelständler wie King Art, Egosoft, Keen Games, Deck13 oder Limbic Entertainment gewachsen. Auf der Haben-Seite stehen zudem qualitativ überzeugende, kommerziell erfolgreiche Titel wie Pioneers of Pandoria, Enshrouded oder die Konsolen-Umsetzung von Anno 1800. Und: Von 30 Titeln, die Zuschüsse von mehr als 1,5 Mio. € erhalten, sind mehr als 20 nach wie vor in Entwicklung und erst 2025 oder 2026 marktreif.
Doch ebenso klar ist auch: Die Games-Förderung per Gießkannen-Prinzip, die 2020 von CSU-Minister Andreas Scheuer eingeführt und von Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) weitgehend unverändert fortgeführt wurde, ist ein Auslauf-Modell – alleine deshalb, weil es nachweisbar an Planbarkeit, Verlässlichkeit und Nachhaltigkeit mangelt. Spätestens der Befund des Bundesrechnungshofs lässt daran keinen Zweifel.
Abseits der geplanten Richtlinien-Reform verstärkt der Lobby-Verband Game daher die Forderung nach ‚Tax Credits‘, der sich größere Publisher und Studios anschließen. Solche Steuer-Rabatte bergen den Charme, dass sie erstens nicht gedeckelt und zweitens international vielfach im Einsatz sind. Habeck hat auf der Gamescom 2024 grundsätzliche Unterstützung signalisiert – entschieden ist aber nichts, zumal der Koalitionspartner FDP in Gestalt von Finanzminister Christian Lindner schon seit Anfang 2024 mit einem Veto droht.
Kleinen und mittelgroßes Studios ohne hinreichende Kapitaldecke hilft es hingegen nicht, wenn erst nachträglich die Steuer-Last sinkt. Dort wächst vielmehr die Sorge, dass der Haushalts-Streit, das Zuständigkeits-Gerangel von Bund und Ländern plus die Vorboten der Bundestagswahl 2025 eine praxistaugliche Lösung ausbremsen.
Die Social-Media-Häme in Gamescom-Zeiten ist daher derzeit eine der kleineren Sorgen von Deutschlands Spiele-Entwicklern.
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Direkt vorweg, die letzten Jahre waren leider von vielen Krisen geprägt. Wenn dann noch die Games-Förderung auch noch mitten während einer Pandemie anläuft, unausgegoren ist und auf halber Strecke auch noch liegen bleibt und sich bis heute nicht hochgerappelt kriegt, dann ist das einfach nur katastrophal. Junge Unternehmen, die von den Krisen wie ein Spielball hin und her getreten werden, ohne sich auf etwas wirklich verlassen zu können, verbringen schlicht und einfach mehr Zeit mit allem anderen (plus Inflation), außer mit qualitativer Spielentwicklung. Dazu gesellt sich noch das massive reinstecken an endlicher Energie/Motivation und Ressourcen, vor allem aber auch einem ordentlichen Eigenanteil (Zuschuss nicht Voll-Finanzierung!). Gewiss ziehen einige wenige Unternehmen auch einen Mehrwert aus dem Ganzen, doch ich gehe davon aus, dass die Mehrheit mit allen Kräften versucht hat und immer noch versucht, eine nachhaltige Spieleentwicklung in Deutschland aufzubauen… was in Kombination mit etlichen deutscher Macken und einer mitschwingenden gesellschaftlichen Skepsis gegenüber „Spielen“, das Ganze nicht einfacher macht.
@Samereier Ludwig
Games und deren Entwicklung sind ein wirtschaftliches und kulturelles Schwergewicht. Viele der heutigen Technologien kommen aus dem Gamesbereich (und auch ein wenig aus dem Medienbereich) oder wurden dort bedeutend vorangetrieben. Bildschirme, Computer, Infotainmentsysteme (In PKWs), Internetausbau usw… Unternehmen wie Nvidia haben (inzwischen nicht nur) ihren Kernbereich bei Games. Kreativität ist eng verbunden mit Fortschritt und Innovation, mehr als so manchem bewusst ist.
Man kann ja froh sein das dieses Debakel überhaupt geprüft wurde. Ich denke der „Mitnahme-Effekt“ hat in manchen Unternehmen für gute Zahlen gesorgt, hat aber der Branche an sich überhaupt nicht geholfen. Ich bezweifle auch das die Prüfung hier tief genug ging und nicht genau geschaut wurde, inwiefern die geförderten Beträge auch wirklich genutzt wurden.
Das man hier im Land gerade kleine Studios und die die es werden wollen so gut wie gar nicht unterstützt, halt ich für ein Armutszeugnis und auch weit weg von der Realität der Branche. Da kann der Game Verband auch noch so viel fordern, es hilft einfach nicht um hier auch wirklich mal etwas nach vorne zu bringen.
Wieso fördern die Regierungen in Deutschland etwas so Überflüssiges wie Videospiele? Sie fördern doch auch keinen Schwachsinn wie Tätowierungen.
Weil Kunst wertvoll ist.
Prinzipiell richtig, allerdings praktiziert die Bundesregierung hier Wirtschafts- und keine Kulturförderung (das läge in der Zuständigkeit von Claudia Roth).
Zeigt warum man von der Game nicht viel halten sollte. Da werden die Interessen eher größerer Entwickler bedacht. Aber auch nachvollziehbar.
Ich habe mir auch einige Spiele angeschaut, bei denen die Förderung ausgelaufen ist und es auch Releases gibt: Zum Teil funktionieren diese Spiele einfach nicht. Somit kann man zurecht sagen, dass hier enorm viel Missbrauch stattfindet. Diese Leute schaden der Gaming Kultur enorm. Ich frage mich auch, wieso es keine Qualitätskontrolle gibt: Ich würde mich freiwillig melden. Denn es kann nicht sein, dass man wirklich für Müll (!) Spiele 50.000 € bekommt. Davon kann ich locker mindestens 5 Jahre von existieren. Und in dieser Zeit schaffe ich es deutlich bessere Spiele zu programmieren, die nicht schon beim Titelbildschirm abstürzen.
Ist aber auch Quatsch dein Kommentar. 50k ist das Jahresgehalt das man einem Mid – Programmierer vielleicht geben kann,der alleine macht aber kein Spiel.
In welcher Welt verdient ein Mid – programmer 50k im Jahr wenn man nicht gerade bei Ubisoft, EA, Epic oder THQ angestellt ist? Die ganzen Indieklitschen zahlen doch maximal 35k wenn überhaupt
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