
Was, wieviel, an wen – und warum? Das Wirtschaftsministerium muss aktuelle Zahlen rund um die Games-Förderung offen legen.
„Der große Boom – doch Deutschland profitiert kaum“: So ist der Artikel überschrieben, den die WirtschaftsWoche im April veröffentlicht hat (hinter Paywall). Die These: Wenngleich die Bundesregierung Hunderte Millionen € in die Computerspiele-Branche investiert habe, würden „Flops am Fließband“ produziert. Erfolgreiche Spiele blieben die Ausnahme.
Die AfD-Fraktion im Bundestag hat diesen Beitrag zum Anlass genommen, um Ende Juni eine ‚Kleine Anfrage‘ zu stellen (PDF). Entlang von 15 Fragen geht es im Kern um die Wirtschaftlichkeit der Games-Subventionen, deren Vergabepraxis zuletzt vom Bundesrechnungshof gerügt wurde.
Die am 10. Juli an die AfD-Fraktion übermittelte und nun veröffentlichte Antwort des zuständigen Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) umfasst 71 Seiten – was insbesondere daran liegt, weil das Ministerium das Internet ausgedruckt hat. Denn 65 Seiten des PDFs entfallen auf eine tabellarische, öffentlich zugängliche Auflistung jener Unternehmen, die zwischen 2019 und Herbst 2023 eine Zusage für Fördermittel aus der Staatskasse erhalten haben. Seit Mai 2023 sind keine zusätzlichen Anträge mehr möglich, weil die Mittel vorzeitig ausgeschöpft waren.
Games-Förderung: Bund will / muss nachsteuern
Die Bundesregierung ist verpflichtet, auf solche Anfragen aus dem Bundestag erstens zeitnah und zweitens so präzise wie möglich einzugehen. Die Auswertung enthält daher neben bereits bekannten Informationen auch bislang unveröffentlichte Zahlen, die nicht in der vom BMWK in Auftrag gegebenen ‚Evaluierung‘ durch Wirtschaftsprüfer berücksichtigt wurden.
Wesentliche Erkenntnis: Der Bund hat seit Herbst 2019 fast 138 Mio. € an 581 Projekte in unterschiedlichen Stadien ausbezahlt – davon alleine 51,8 Mio. € im Jahr 2023. Für das Gesamtjahr 2024 sind bereits weitere 40 Mio. € fest verplant, wodurch sich das Gesamt-Budget auf über 178 Mio. € innerhalb von fünf Jahren erhöht. Elf Spiele wurden noch während der Produktion eingestellt, darunter der Gollum-Nachfolger von Daedalic Entertainment und Project Black der Embracer-Sparte Fishlabs.
Die staatliche Förderung hat dazu geführt, dass sich nach Zählung des Branchenverbands Game die Zahl der Entwickler-Studios zwischen 2020 und 2023 mehr als verdoppelt hat – nämlich von 208 auf 450. Bis August 2023 ist auch die Zahl der Beschäftigten auf rund 12.000 geklettert – fast 2.000 mehr als noch 2020. Allerdings handelt es sich zwangsläufig um Momentaufnahmen – Rückbau-Maßnahmen wie im Falle von Mimimi Games, Piranha Bytes oder Fishlabs sind nicht enthalten.

Games-Förderung: Bund investiert 178 Mio. € in fünf Jahren
Inwieweit mithilfe der Games-Förderung tatsächlich „Flops am Fließband“ produziert werden, wie es die WirtschaftsWoche unterstellt, geht aus dem Dokument nicht hervor.
Klar ist aber: Die Nachfrage nach Zuschüssen ist größer als der verfügbare Fördertopf – gleichzeitig hat das Prozedere offenkundige Mängel. Dass die Games-Förderung auf Basis der gewonnenen Erkenntnisse reformiert werden muss, darin besteht daher grundsätzlich Einigkeit. Strittig ist das ‚Wie?‘.
Die Bundesregierung bekräftigt in ihrer Stellungnahme abermals die Bereitschaft, den Umstieg auf eine steuerliche Förderung durch Steuergutschriften (‚Tax Credits‘) „prüfen“ zu wollen – ohne auf Details einzugehen. Das Wirtschaftsministerium arbeitet außerdem an einer neuen Förderrichtline und schließt auch nicht aus, dass darin Rückzahlungen im Erfolgsfall verankert werden, wie sie beim Film üblich ist.
Die Lage bei der Computerspiele-Förderung stellt sich zum Start des Gamescom-Monats August folgendermaßen dar:
- Das Ministerium leistet weiterhin Zuschüsse für bereits bewilligte Games, die zum Teil erst 2025 oder 2026 fertig werden.
- Im Haushalt 2025 sind weitere 50 Mio. € eingeplant, die zwar grundsätzlich die Annahme neuer Förder-Anträge erlauben würden. Da mit dem Geld aber auch mehr als 60 noch laufende Projekte weiterfinanziert werden müssen, schmilzt der Spielraum für zusätzliche Projekte.
- Kulturstaatsministerium Claudia Roth (Grüne) knobelt seit November an einem Konzept für die Verwendung von 33 Mio. €, die als „Anreiz zur Stärkung der Entwicklung und Produktion von Computerspielen in Deutschland“ gedacht sind. Wie und wann es zur Umsetzung kommt: völlig unklar.
- Das Wirtschaftsministerium hat erste „Eckpunkte“ der besagten Förderrichtlinie ab 2025 vorgestellt – in wesentlichen Punkten pocht die Industrie auf Nachbesserungen.
- Ein Knackpunkt: Der Bund will die Länder künftig stärker an der Finanzierung beteiligen – dort regt sich erwartbarer Widerstand. Unterdessen setzen Nordrhein-Westfalen, Berlin/Brandenburg oder Bayern ihre regionalen Förderprogramme fort, die mit jeweils 3 bis 4 Mio. € ausgestattet sind.
- Derzeit größtes Projekt, das mit Mitteln der Bundes-Games-Förderung entsteht, ist das Aufbau-Strategiespiel Anno 117: Pax Romana: Ubisoft Mainz bekommt rund 5,7 Mio. €. Platz 2: Foxtrott von Deck13 Interactive (5 Mio. €). Den 3. Platz belegt weiterhin Piranha Bytes mit ‚Currywurst‘, für das 3,2 Mio. € zugesagt worden – an diesem Projekt wird dem Vernehmen nach aber nicht (mehr) gearbeitet.
- Neue Erkenntnisse ergeben sich möglicherweise direkt nach der parlamentarischen Sommerpause: Der für die Games-Branche zuständige Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) eröffnet am 21. August die Gamescom 2024 in Köln.
Volle Zustimmung zu Marvs Kommentar. Man sollte viel mehr Start-Ups und KMUs in der Breite fördern statt einige wenige „Großprojekte“. Nicht nur sind die Projekte dieser verhältnismäßig kostengünstig (Von der Fördersumme eines einzelnen „AA“-Spiels, lassen sich gleich 10-20 Indiegame-Projekte finanzieren, wo die Chance das diese auch fertig gestellt werden zudem auch deutlich höher ist da dort nicht einfach nur für irgendwelche Publisher im Hintergrund gearbeitet wird, sondern an der „eigenen Idee“ deren IP-Rechte man auch behält.
Dabei ist es dann auch verschmerzbarer, wenn 9/10 Projekten kommerziell floppen, aber evtl. dennoch ein Folgeprojekt und somit 2. Chance für das Studio dank des 100% Zuschusses erlauben, den hat man erst mal bereits ein fertiges Spiel auf Steam released finden sich Investoren und Publisher für das zweite Projekt gleich viel einfacher. Das 10. Projekt hat zudem das Potential seine Entwicklungskosten um ein Vielfaches wieder einzuspielen, was nebst Steuereinnahmen auch neue Arbeitsplätze schafft.
Bei den geförderten „AA“-Projekten großer Publisher (Streng genommen ist da bereits ein A zu viel im internationalen Budget- und Qualitätsvergleich), seh ich die Chancen gleich viel geringer das das nachhaltig etwas bringt.
Die Lage der Games Industrie in Deutschland ist katastrophal und wird noch viel schlimmer, sollte der Staat nicht weitaus mehr investieren. Und hier geht es nicht nur um Förderungen im Business-Bereich, sondern auch in der Bildung.
Wenn ich mir anschaue, was an Talent von den Firmen gefordert wird, ist nicht nur das was bezahlt wird, sondern auch das was an öffentlichen Institutionen gelehrt wird, völlig unverhältnismäßig.
Wenn in 2 Jahren auch nur noch 50% der 450 Studios existieren, bin ich überrascht.
Man muss aufhören großen Firmen, mit genügend Eigenkapital und eigener Finanzierung, Geld in die Taschen zu wirtschaften, nur weil sie einen großen Namen haben. Denn genau diese Unternehmen sind unwirtschaftlich, zerstören den Wettbewerb und verschlechtern qualitativ den Markt, mit schlechten und überfinanzierten Projekten.
Es müssen Jungunternehmer und Startups massiv gefördert werden, um den Rückstand zur internationalen Industrie aufzuholen. Da führt kein Weg dran vorbei. Nur das ist nachhaltig.
Ebenso muss man aufhören Schwachsinnsprojekte von runtergewirtschafteten Embracer Unternehmen zu fördern. Dort werden weder Arbeitnehmer glücklich, noch die Kunden, die eine weitere Monströsität a la Gollum serviert bekommen.
Ohne ein gewaltiges Risko, im Sinne einer enormen staatlichen Finazierung von Kleinunternehmern, bzw. Startups, ist diese Industrie in Deutschland nicht mehr zu retten und das, obwohl die Nachfrage größer denn je ist.
Im Übrigen bin ich der Meinung, dass man eine FDP nie wieder in eine Regierung lassen sollte.
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