Start Politik Gamedevs.NRW: „Kein Angriff auf Games.NRW“

Gamedevs.NRW: „Kein Angriff auf Games.NRW“

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Das Logo der Standortinitiative Gamedevs.NRW (Abbildung: Alex Ziska)
Das Logo der Standortinitiative Gamedevs.NRW (Abbildung: Alex Ziska)

Im Interview reagieren die Initiatoren von Gamedevs.NRW auf Gegenwind an der Ankündigung einer weiteren Standortinitiative für Nordrhein-Westfalen.

Es wäre nicht das erste Mal, dass sich in einem Bundesland gleich mehrere Standortinitiativen und Netzwerke in Stellung bringen, um die Interessen ihrer Mitglieder zu bündeln. So gibt es alleine in Rheinland-Pfalz unter anderem Game-Up!, Games Ahead und zusätzlich eine eigene ‚Regionalvertretung‘ des Branchenverbands Game.

In Nordrhein-Westfalen hat Games.NRW e. V. die Interessensvertretung federführend übernommen: In diesem Verein haben sich Hochschulen, Agenturen, Studios und Publisher wie Aerosoft, Bright Future, Ubisoft, Z-Software, Astragon und Electronic Arts zusammengeschlossen. Seit 2022 richtet Games.NRW zusätzlich den Deutschen Entwicklerpreis aus.

Am Montag dieser Woche wurde nun bekannt, dass sich die Entwickler-Community Gamedevs.NRW zu einer ‚richtigen‘ Standortinitiative weiterentwickeln und als Ansprechpartner für die Politik positionieren will – und zwar in bewusster Abgrenzung zu Games.NRW, dem man vorwirft, keine spürbaren Fortschritte für Gründer und Entwickler in Nordrhein-Westfalen erreicht zu haben.

Auch der Deutsche Entwicklerpreis leiste bestenfalls einen geringen bis keinen Beitrag für den Standort und dessen Games-Branche. In NRW könne „Vieles besser“ laufen – und deshalb brauche es GAMEDEVS.NRW, wo man das Versalien-‚Upgrade‘ der bisherigen Schreibweise gamedevs.nrw auch als Ausdruck von neuem Selbstbewusstsein verstanden wissen will.

Gamedevs.NRW: „Wir haben wir nicht mit einem solch breiten Echo gerechnet“

Bei Games.NRW will man diese Fundamentalkritik nicht gelten lassen: Via Facebook reagierten Vorstand und Beirat mit einer gleichermaßen ausführlichen wie freundlichen Antwort aus der Abteilung „When they go low we go high“ an „das „liebe Gamedevs.NRW-Team“.

Man sei der Überzeugung, dass sich Verbesserungen für NRW „nicht gegeneinander, sondern nur miteinander“ erreichen ließen. Games.NRW-Vorstand Benedikt Grindel – gleichzeitig Chef der deutschen Ubisoft-Studios – verband seine Stellungnahme mit der Einladung zum Dialog.

Auch aus anderen Landesteilen kam und kommt schneidiger Gegenwind in Richtung der Gamedevs.NRW-Organisatoren – denen es daher nun ein großes Anliegen ist, ihre Beweggründe genauer darzulegen. Den GamesWirtschaft-Fragen stellten sich Alex Ziska (Generalsekretär) und Dimas Tadeu de Lorena Filho (Head of Communications).


GamesWirtschaft: Die Reaktionen auf die Gamedevs.NRW-Ankündigung fielen kontrovers, teils ablehnend aus. Habt ihr mit dieser Art von Reaktion gerechnet? Und war dies möglicherweise beabsichtigt? Kurzum: Bug oder Feature?

de Lorena Filho: Um ehrlich zu sein, haben wir nicht mit einem solch breiten Echo gerechnet – und dass wir von den bereits bestehenden und etablierten Initiativen allein aufgrund einer Pressemitteilung ernstgenommen werden. Ich war darauf vorbereitet, dass wir kein offizieller Verein oder Verband sein – und dass wir deshalb von vornherein abgelehnt werden.

Negative Reaktionen kamen überwiegend von Mitarbeitern großer, etablierter Unternehmen – gleichzeitig haben wir auch positive Reaktionen aus unserer Community und von kleineren Entwicklern bekommen, die die gleichen Probleme sehen wie wir.

Unsere Intention war es, das Scheinwerferlicht auf eine einige Probleme unserer Industrie zu richten. Der Umstand, dass wir soviel Aufmerksamkeit erhalten haben, ist definitiv ein ‚Feature‘ – denn die Akzeptanz von Problemen und deren Debatte ist der erste Schritt zu deren Lösung.

Das Team von Gamedevs.NRW: Anne Heyroth, Kirill Didenko, Dimas Tadeu de Lorena Filho, Alex Ziska, Lucia Möllenbruck und Gerald Schenke (Foto: Gamedevs.NRW)
Das Team von Gamedevs.NRW: Anne Heyroth, Kirill Didenko, Dimas Tadeu de Lorena Filho, Alex Ziska, Lucia Möllenbruck und Gerald Schenke (Foto: Gamedevs.NRW)

Die Reaktionen aus der Branche betreffen insbesondere die Kritik an der bisherigen und aktuellen Arbeit von Games.NRW. Gab es denn Versuche eurerseits, die Anliegen „aus dem Inneren“ heraus anzugehen – zumal ihr ja selbst Mitglied von Games.NRW seid?

Ziska: Zunächst möchten wir darauf hinweisen, dass unsere Anliegen möglicherweise nicht klar genug formuliert waren, so dass es wie ein direkter Angriff auf Games.NRW wirkte – was es nicht ist. Wir weisen auf ein Problem hin – nämlich darauf, wie Politik und Industrie hier zusammenarbeiten, und das betrifft an einigen Stellen sicher auch Games.NRW.

Wenn man sich die Pressemitteilung und die Website anschaut, dann sagen wir nicht, dass Games.NRW das Problem ist. Wir fühlen uns lediglich nicht von ihnen repräsentiert und erklären, warum. Das ist ein sehr wichtiger Unterschied, der von manchen Leuten übersehen wird.

Einige Beispiele für die Probleme, mit denen wir hier in Nordrhein-Westfalen konfrontiert sind:

  • Zwar werden viele Games-Experten jedes Jahr ausgebildet, aber die meisten müssen das Bundesland verlassen, weil sie hier keine Jobs finden. Und selbst wenn diese Jobs existieren: Eine Menge dieser offenen Stellen bleiben unbesetzt. Dies lässt auf eine Dissonanz schließen: Wenn wir so viele Studenten ausbilden – noch dazu an öffentlichen Schulen -, warum sind sie offenbar nicht gut genug für die Branche in der Region? Wie können wir diese Lücke schließen, zumal sowohl Schulen als auch Betriebe Subventionen erhalten?
  • Für junge Gründer gibt es einen Mangel an Orientierung. Selbst wenn Startups etwas Startkapital erhalten, sind sie im Anschluss auf sich allein gestellt. Es gibt einen dringenden Bedarf an Unterstützung für all jene, die ein kleines Studio aufsetzen und wachsen wollen.
  • Und schließlich ein Mangel an Relevanz auf internationaler Bühne, explizit im Vergleich zu Berlin.

Um auf die Frage zurückzukommen: Als Initiator von Gamedevs.NRW habe ich für mich entschieden, vorab keinen Kontakt zu Games.NRW aufzunehmen – und zwar aufgrund früherer Erfahrungen, die ich gemacht habe. Als es Mega Geeks (Event- und E-Sport-Agentur, an der Ziska beteiligt war, Anm. d. Red.) noch gab, habe ich mehrmals vergeblich versucht, eine mögliche Kooperation für das letztlich gescheiterte Gaming-Festival #G4L zu diskutieren.

Gleiches gilt für die Networking-Dinner, die ich 2021 und 2022 organisiert habe. Als es um eine Beteiligung am Deutschen Entwicklerpreis ging, fiel die Kommunikation ebenfalls dünn aus – und unser Vorschlag einer angedockten Party blieb beantwortet.

Alles in allem habe ich als damaliges ‚Ordentliches Mitglied‘ von Games.NRW die Erfahrung gemacht, dass sie andere Prioritäten haben oder sich auf andere Projekte fokussieren. Ich bin inzwischen kein zahlendes Ordentliches Mitglied mehr, sondern nur noch ein nicht-zahlendes Außerordentliches Mitglied. Deshalb erwarte ich auch weiterhin keine Antwort auf meine Anfragen.

Auf eurer Website betont ihr explizit, dass Gamedevs.NRW unabhängig ist, dass man euch nicht „kaufen“ kann, dass ihr keine Verbindungen zu „Wohltätern“ habe und dass euch niemand diktiert, was ihr zu sagen habt und was nicht. Was zwangsläufig den Eindruck vermittelt, dass dies auf bereits existierende Organisationen zutrifft. Um an dieser Stelle ganz klar zu sein und keine Missverständnisse aufkommen zu lassen: Gibt es bei Games.NRW aus eurer Sicht diese Themen?

de Lorena Filho: Nochmal: Wir wollen uns auf das größere Problem fokussieren. Wir legen Wert auf den Umstand, dass wir keine Firma sind und demzufolge keinen Aktionären oder Kunden verpflichtet sind. Dies gibt uns die Freiheit, auch mal kritische Positionen einzunehmen – was in einer solchen Struktur unmöglich wäre.

Gleiches gilt für NGOs (Nichtregierungsorganisationen, etwas private Standortinitiativen, Anm. d. Red.) – die buchstäblich ’nicht-staatlich‘ sind, weil ihre Ziele nicht von politischen Wechseln oder Lagern vereinnahmt werden sollten. Wir wollen uns als Initiative positionieren, die nicht dem Druck des Marktes oder der Politik ausgesetzt ist.

Könnt ihr drei konkrete Projekte nennen, die sofort umgesetzt werden können und sollten, um die Situation für Spiele-Entwickler in Nordrhein-Westfalen zu verbessern – und die bislang keine hinreichende Berücksichtigung finden?

de Lorena Filho: Gerne:

  • Erstens die Arbeit an einem besseren, solideren Mentorship-Programm mit internationalen Experten der Games-Industrie, die Startups dauerhaft auf ihrem Weg begleiten – nicht nur hin und wieder.
  • Zweitens der Zugriff auf internationale Branchen- und Publishing-Experten – Leute wie Jason Della Rocca, die Entwicklern, Indies und kleinen Publishern in NRW dabei helfen, anstelle eines rein nationalen auch ein weltweites Publikum zu erreichen. Dazu gehört die Vermittlung von Wissen über internationale Märkte – sprich: welche Games ‚funktionieren‘ und sich gut verkaufen, auch in Nordamerika, Südkorea oder gar in China.
  • Und drittens mit Blick auf die hiesige Politik: Games sollten als eigenständige Branche wahrgenommen, nicht als Unterdisziplin. In einer Industrie, die 2022 fast 10 Milliarden € umgesetzt hat, sollte es aus unserer Sicht auch eine dedizierte Politik für Zuschüsse und Förderung geben, die den speziellen Bedürfnissen der Branche Rechnung trägt.

Wie geht es nun weiter? Werdet ihr an der anstehenden Mitgliederversammlung von Games.NRW teilnehmen, wie es deren Vorstand angeboten hat?

Ziska: Wir werden uns auf jene Themen fokussieren, die wir bereits erwähnt haben. Die Teilnahme an der Games.NRW-Mitgliederversammlung erscheint uns daher nicht produktiv, zumindest zum jetzigen Zeitpunkt. Wir nehmen aber gerne das Angebot eines Austauschs mit dem Games.NRW-Vorstand an.

Darüber hinaus wollen wir das Feedback unserer Community einholen und unter anderem das GC Couch Project (günstige Übernachtungsmöglichkeiten zur Gamescom, Anm. d. Red.) vorbereiten.

2 Kommentare

  1. Ist doch absolut nachvollziehbar, dass sich „die kleinen“ jetzt Gehör verschaffen wollen. Welches interesse hat ein Games.NRW Verband denn an Gründern oder Aufbau von Studios – genau, garkeins. Das sieht man doch alleine schon daran, dass der Vorstand vom Ubisoft Bluebyte Chef geleitet wird und oh wen wunderts, Ubisoft bekommt Millionen an Fördergeldern für eine Konsolenportierung von Anno1800 obwohl der Konzern das auch hätte locker aus eigener Tasche zahlen können. Ist ja nicht so, als ob man hier am Hungertuch nagen würde.

    Für mich stellt es einen erheblichen Interessenskonflikt dar wenn ein Verbandsmitglied auch gleichzeitig den Vorstand stellt! Böse Zungen würden jetzt von Fetternwirtschaft sprechen.

    Ja es gibt zugegeben auch Initiaitvprojekte von z.B. Ubisoft aber hier wird mit Knebelverträgen gearbeitet um sich ja nicht den nächsten großen Hit entgehen zu lassen. Der Konzern und somit Games.NRW sind doch nur an einem interessiert, der eigene Profit bzw. der Profit der Mitglieder. Hier geht es nicht im geringsten darum den Nachwuchs zu fördern sondern nur das eigene Gehalt zu sichern!

    GAMEDEVS:NRW hat absolut eine Dahseinsberechtigung und die großen werden das hoffentlich schnell zu spüren bekommen

    • Die Zuschüsse des BMWK basieren – anders als bei den Ländern – nicht auf einer inhaltlichen Prüfung. Da wird anhand ziemlich klarer Kriterien geprüft, ob der Antrag die formalen Voraussetzungen erfüllt.

      Es ist völlig beabsichtigt, dass gerade internationale Konzerne subventioniert werden, damit deren Entwicklung auch in Deutschland passiert (und damit Gründungen, Jobs, Steuern usw.) – so, wie es auch in anderen Industrien passiert.

      Für kleine Entwickler und Studios ist die Bundesförderung eher ungeeignet, weil man mind. die Hälfte des Geldes mitbringen muss. Dafür gibt es die Töpfe der Länder – und die machen das schon ziemlich gut (wenngleich sich da auch Einiges kritisieren ließe). NRW hat erst vor kurzem die Budgets angehoben und fördert gerade kleine UGs, Ausgründungen und Solo-Entwickler, eher selten bis nie die ‚Großen‘.

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