Start Meinung Ampel-Aus: Drei verlorene Jahre (Fröhlich am Freitag)

Ampel-Aus: Drei verlorene Jahre (Fröhlich am Freitag)

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'Games-Minister' und Vizekanzler Robert Habeck (Grüne) auf der Gamescom 2024 (Foto: Koelnmesse / Uwe Weiser)
'Games-Minister' und Vizekanzler Robert Habeck (Grüne) auf der Gamescom 2024 (Foto: Koelnmesse / Uwe Weiser)

Jetzt wieder mit dabei sein, die nächste Fahrt geht rückwärts: Das Scheitern der Ampel wirft auch zentrale Projekte der deutschen Games-Branche zurück.

Verehrter GamesWirtschaft-Leser,
verehrte GamesWirtschaft-Leserin,

jetzt mal ehrlich: War das eine Woche – oder war das eine Woche? Mein lieber Scholli.

Womöglich haben Sie es mitbekommen: In der Nacht zum Mittwoch hat sich Amerika entgegen der nun wirklich glasklar artikulierten Erwartungshaltung im fernen Deutschland mehrheitlich dafür ausgesprochen, dass Donald J. Trump demnächst als 47. US-Präsident ins Oval Office zurückkehren soll. Und das, obwohl Taylor Swift, Bruce Springsteen und Arnold Schwarzenegger extra noch Pro-Kamala-Insta-Storys aus dem wohligen Kokon ihrer gated community abgesetzt hatten. Also in maximaler Entfernung – mental, monetär, geografisch – von den Inflations- und Job-Sorgen in Montana, Tennessee oder Wyoming.

Es bleibt ein Rätsel, warum diese Strategie nicht so richtig aufgegangen ist.

Noch während am Mittwoch-Abend die Sondersendungen zur US-Wahl liefen, gab es erste Eilmeldungen zum Rosenkrieg in der Bundesregierung. Ein Unfall wie in Zeitlupe: Der Kanzler schmeißt seinen Finanzminister raus – und überschüttet ihn im Anschluss mit einem Jauche-Kübel an Vorwürfen, die regelmäßig ins Persönliche abdriften. Es fehlte nicht viel und es wären Tiernamen gefallen. Selbst hartgesottenen Hauptstadt-Journalisten verschlug es die Sprache. Man muss keinen VHS-Kurs in Tiefenpsychologie belegt haben, um festzustellen: Diese ‚Partner‘ haben sich nichts mehr zu sagen, allenfalls Schlechtes.

Ein überraschend deutlicher Trump-Triumph, gefolgt von einem überraschend schnellen Ampel-Aus, dazu vorgezogene Neuwahlen irgendwann Anfang 2025 – all das innerhalb von 24 Stunden. Man soll mit solchen Kategorien ja vorsichtig sein, aber diese Woche darf man gerne „historisch“ nennen.

Fröhlich am Freitag - die wöchentliche Kolumne bei GamesWirtschaft
Fröhlich am Freitag – die wöchentliche Kolumne bei GamesWirtschaft

Als ob die Lage der Bundesrepublik, der Vereinigten Staaten und des Rests der Welt nicht ohnehin fragil genug wäre, sind die Dramen im Berliner Regierungsviertel alles andere als hilfreich für die deutsche Games-Industrie. Denn spätestens mit der Aushändigung der Entlassungsurkunden an die ausgemusterten FDP-Minister und dem Einsetzen von Interims-Personal droht anhaltende Planungs-Unsicherheit, wie es jetzt weitergeht. Der Branchenverband hat diese Sorge gestern Abend per Pressemitteilung zum Ausdruck gebracht.

Sehr grundsätzlich ist das Kabinett natürlich weiterhin handlungsfähig: Vizekanzler Habeck – gleichzeitig Minister für Wirtschaft, Klimaschutz und gewerbsmäßigen Videospiele-Anbau – ist im Amt (Stand jetzt) und bleibt das vorerst auch (Stand jetzt). Gleiches gilt für seine beamteten und parlamentarischen Staatssekretäre (Stand jetzt), darunter sein einstiger Wahlkampf-Manager Michael Kellner, der im Ministerium die Drähte zur Spiele-Lobby hält.

Dass die Administration ‚funktioniert‘, heißt allerdings nicht, dass sie noch Substanzielles gewuppt bekommt. Der Haushalt für das Jahr 2025 – inklusive den Budgets für Games-Förderung, Standort-Marketing, Computerspielpreis – ist on hold. Die für kommenden Mittwoch geplante, finale ‚Bereinigungssitzung‘ im Haushalts-Ausschuss wurde abgesagt. Beschlossen wird mangels Ampel-Mehrheit vorerst eh nichts. Jetzt passiert das, was man „vorläufige Haushaltsführung“ nennt – Fahren auf Sicht.

Der Schluss-Akkord der Ära Scholz bietet Anlass, einen Strich unter drei Ampel-Jahre zu ziehen, die unter dem beschwingten Motto „Mehr Fortschritt wagen“ starteten. Zur Ehrenrettung: Der mühsam ausgehandelte, Anfang Dezember 2021 unterzeichnete Koalitionsvertrag war wenige Monate später infolge des russischen Überfalls auf die Ukraine schon Makulatur.

Dennoch: Die Haltungsnoten aus Branchen-Perspektive fallen nur minimal hübscher aus als jene Zwischenbilanz, die der Game-Verband zur (rechnerischen) Ampel-Halbzeit vor ziemlich genau einem Jahr vorgelegt hat. Wenn die laufende Legislatur nicht als „verlorene Zeit“ in Erinnerung bleiben solle, müsse es so langsam mal los gehen mit dem ‚Fortschritt wagen‘, hieß es damals sinngemäß. Den Worten müssten Taten folgen.

Zu diesem Zeitpunkt bestand noch Hoffnung, der seit Mai 2023 geltende Antrags-Stopp für staatliche Games-Entwicklungshilfe könne zeitnah aufgehoben werden – 125 Mio. € erschienen dem Verband dafür tat- und schuldangemessen. Doch der Bundestag wollte ’nur‘ 50 Mio. € zugestehen – womit klar war, dass sich nur bestehende Ansprüche bedienen lassen. Auch 2024 kam somit kein einziges Projekt on top. Es blieb beim Abschichten von ‚Altfällen‘.

Weil sich die Haushälter nicht nachsagen lassen wollten, sie ließen die Branche hängen, hat man sich einen besonders pfiffigen Story-Twist ausgedacht – nämlich ein auf drei Jahre angelegtes 100-Mio.-€-Games-Paket, das man der grünen Kultur-Staatsministerin Claudia Roth vor die Tür legte. Die aber danach weder gefragt hatte noch mit dem Geldsegen etwas Sinnstiftendes anzufangen wusste.

Mittlerweile ist Roths Games-Sondervermögen kaum noch wiederzuerkennen, weil es auf 8,5 Mio. € zusammengeschrumpelt ist. Maximal 6,5 Mio. € gehen demnächst per „Games-Stipendium“ an 130 Studio-Gründer, der Rest ist für Vergabe, Verwaltung und Webinare vorgesehen, die der Branchen-Verband über seine Stiftung organisiert.

Immerhin: Das Last-Minute-Stipendium als solches ist nicht gefährdet, da es ja mit bereits bewilligten Haushaltsmitteln finanziert wird – Bewerbungsschluss ist schon Ende kommender Woche, danach tagen die Gremien. Weitere 17 Mio. € sollen 2025 zum Wirtschaftsministerium umgeschichtet werden. Mit der Betonung auf „sollen“. Denn spätestens seit Mittwoch ist klar, dass nichts klar ist.

Zumal Habecks Behörde weiterhin auf grünes Licht aus Brüssel wartet, wo man sich über die eingereichte Games-Förderrichtlinie beugt. Eine zeitliche Prognose traut sich niemand zu. Und selbst, wenn die EU den Daumen hebt: Was wird die neu gewählte Regierung mit dem Ergebnis anfangen? Wer ist dann überhaupt zuständig – weiterhin das Wirtschaftsministerium? Ein Digitalministerium? Das Ministerium für Zauberei? Und wie blickt der Bundesrechnungshof darauf, der ja die Zuständigkeit des Bundes grundsätzlich in Frage stellt und an der Wirkung von Gießkannen-Subventionen zweifelt?

‚Zurück auf Los‘ heißt es auch bei den Tax Credits: Im September hatte sich die Bundesregierung mühsam auf eine „Wachstumsinitiative“ verständigt – inklusive der steuerlichen Förderung von Film- und Games-Großprojekten. Ein politisch richtig dickes Brett, sagen Fachleute. Nach dem Auseinanderbrechen der Ampel ist die Zusage das Papier nicht mehr wert, auf dem es ausgedruckt wurde.

Mit Ausnahme des Stipendiums muss man daher leider festhalten: Es waren tatsächlich drei verlorene Jahre für das Projekt ‚Make Germany’s Games-Industry Great Again‘.

Der Illusion, dass nach Neuwahlen alles gut wird, sollte man sich vorsichtshalber nicht hingeben. Das lässt sich bereits an vermeintlichen Lappalien besichtigen: Sowohl die Groko als auch die Ampel scheitern seit 2017 zuverlässig daran, die Gemeinnützigkeit des E-Sport-Ehrenamts anzuerkennen. Irgendwas ist ja immer.

Seit Mittwoch herrscht nun zumindest Klarheit, dass sich die Fortschritts-Koalition nicht noch ein ganzes Jahr bis zum regulären Wahltermin durchampelt.

Dass der Wahlkampf bereits begonnen hat, lässt sich im Übrigen auf X besichtigen: Games-Minister Habeck, der die „Plattform formerly known as a Twitter“ Anfang 2019 mit großem Tamtam verlassen hatte, ließ seinen X-Account wieder scharf schalten – und wird sehr wahrscheinlich heute seinen Hut als Kanzlerkandidat in den Ring werfen.

Ein schönes Wochenende wünscht Ihnen

Petra Fröhlich
Chefredakteurin GamesWirtschaft


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3 Kommentare

  1. Vielen Dank, die ersten allgemeinen Absätze zum Verlauf der Woche sind treffender als alle anderen Kommentare, die ich in den letzten Tagen lesen / hören / sehen durfte. Respekt!

  2. Ende mit Schrecken > Schrecken ohne Ende.

    Es ist skandalös wie die mühsam aufgebaute Förderlandschaft die letzten drei Jahre durch ideologisch motivierte Scheuklappen-Politik vernichtet wurde; wie beinahe gewaltsam die immer und immer wieder von der Branchenvertretern aufgebrachten Punkten ignoriert und bestehende Richtlinien verschlimmbessert wurden.

    Das nun über ein Jahr dauernde Kasperltheater mit den Geldern bei Frau Roth allein scheint eine Doku bei Netflix wert sein. Zum Lachen, wenn es nicht zum Weinen wäre denn leider geht es da um Existenzen.
    Wer meinte Andi Scheuer war die Spitze der Inkompetenz hat die Rechnung ohne Grün gemacht. Immerhin gab’s bei Andi dann nach über nem Jahr doch mal Geld. Bei Claudia gibt’s 1,5 Jahre nach dem Versiegen der Töpfe jetzt ein komplett neues Programm – wo man als Firma die seit 1,5 Jahren darauf hofft nun zu alt ist um daran teilzunehmen. Finde den Fehler!

    Der Entschließungsantrag des Saarlands zeigt dass zumindest die dortige SPD kapiert was die Branche benötigt. Ich denke da wird man sich in einer GroKo schon finden.
    Aber bis dahin wird dauern und für viele kleine Studios wie meines, wird das dann leider zu spät kommen.

    Vielen Dank lieber Anti-Games-Minister Habeck – bitte bleib dann weg for good!

    • Wenn du es nicht gebacken kriegst aus eigenen kitteln dein unternehmen aufzubauen, dann hast DU als Unternehmer bereits versagt. Es gibt kein gesetzliches Anrecht auf irgendeine Förderung nur weil es der arme kleine Gamessektor ja so schwer hat. In anderen Branchen sieht es nunmal auch nicht besser aus, da müssen Aufträge auch mühsam an Land gezogen und Kunden erst gewonnen werden, das ist nunmal das Los eines Startups. Jetzt rumzujammern und alles auf Grün zu schieben ohne den politischen Hintergrund zu kennen ist AFD geschwätz!!

      Nicht die Grünen sind Schuld an der fehlenden Förderung sondern die FDP unter Lindner. Der ist immerhin nicht um sonst aus dem Kabinett geflogen. Lindner hat ständig gegen die geplanten Vorhaben sein Veto eingelegt, sei es nun Kindergrundsicherung oder Gamesföderung, nur damit er Steuererleichterungen für seine Freunde in der Wirtschaft durchdrücken konnte. Die geplanten Steuerbonds sind auch nicht vom Wirtschafts sondern vom Finanzministerium abgelehnt worden, welches – ach guck an – vom Lidner geführt wurde.

      Am besten informierst du dich erstmal bevor du hier solche halbgaren Anschuldigungen ins Netz stellst. Nochmal Danke für die AFD Propaganda, die hilft unserem Land bestimmt weiter

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