Start Meinung Ohne Knete keine Fete (Fröhlich am Freitag)

Ohne Knete keine Fete (Fröhlich am Freitag)

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Wirtschaftsminister Robert Habeck (Bündnis 90 / Die Grünen) mit dem SPD-Gesundheitsminister Karl Lauterbach am Mittwochabend vor dem Bundestag (Foto: GamesWirtschaft)
Wirtschaftsminister Robert Habeck (Bündnis 90 / Die Grünen) mit dem SPD-Gesundheitsminister Karl Lauterbach am Mittwochabend vor dem Bundestag (Foto: GamesWirtschaft)

Die beste Nachricht vom Deutschen Computerspielpreis 2023: Endlich stehen wieder Spiele und Entwickler im Fokus. Das war nicht immer so.

Verehrter GamesWirtschaft-Leser,
verehrte GamesWirtschaft-Leserin,

am Vorabend des Deutschen Computerspielpreises nutzte ich das laue Berliner Frühlingswetter, um nach Feierabend durchs Regierungsviertel zu flanieren. Vor dem Kanzleramt hatten sich Kamera-Teams in Stellung gebracht, im Eingangsbereich parkten Limousinen mit angeflanschtem Achtung-wichtig-Blaulicht: Die Ministerpräsidenten verhandelten bei Würstchen und Kartoffelsalat über die Verteilung von Geld und Geflüchteten.

Auf dem Rückweg zum Hotel passierte ich das Reichstagsgebäude und ließ mich für einen kurzen E-Mail-Check auf einem der Betonwürfel gegenüber dem Seiteneingang des Bundestags nieder. Ein Bereich, in dem sich Touristen selten länger als nötig aufhalten, weil: Hier gibt es normalerweise außer patrouillierenden Polizisten nichts zu sehen. Normalerweise.

Fröhlich am Freitag - die wöchentliche Kolumne bei GamesWirtschaft
Fröhlich am Freitag – die wöchentliche Kolumne bei GamesWirtschaft

Hinter mir rauschte plötzlich ein Wagen heran – und heraus stieg die Bundestagspräsidentin mit einem zugenickten „Hallo!“. Es folgten Szenen, die wirkten, als hätten Illner, Maischberger und Lanz einen Betriebsausflug organisiert. Amthor, Röttgen, Kiesewetter, Hofreiter: Politiker-gewordene Twitter-Trends strömten aus allen Richtungen ins Gebäude.

In einiger Entfernung materialisierte sich schließlich ein etwas größerer Pulk, der sich schon von Weitem wie ein zum Leben erwachtes Spiegel-Online-Aufmacher-Foto anfühlte: Die Herren Lauterbach und Habeck näherten sich im Doppelpack – flankiert von einem Rudel Personenschützer. Der Vizekanzler, Wirtschafts- und ‚Games-Minister‘ machte einen außergewöhnlich tiefenentspannten Eindruck und grüßte freundlich in Richtung meiner gezückten Handy-Kamera: „Guten Aaabend …“ – was im Lichte der zurückliegenden Stunden inklusive Oppositions-Angrillen noch irritierender wirkte.

Weil ich quasi in Zivil unterwegs war, hielt ich es für wenig zielführend, unverbindlich beim fachlich zuständigen Ressort-Chef nachzufragen, ob sein Ministerium denn zeitnah wieder die Subventionierung hiesiger Spiele-Entwickler aufnimmt. Denn ausgerechnet eine Woche vor dem Deutschen Computerspielpreis hat Habecks Behörde den vorläufigen Kohle-Ausstieg verkündet: Infolge sich rapide leerender Töpfe gibt es vorerst keine Kohle mehr für deutsche Spiele-Studios.

Zwangsläufige Folge: aufgeregtes Flügelschlagen beim politischen Mitbewerber und beim Industrieverband – verbunden mit der Forderung nach mehr Knete. 50 Millionen € extra. Macht nix, wenn’s schnell geht. Die Bundesregierung müsse „jetzt handeln“ und „uns wieder wettbewerbsfähig machen“, ließ Verbands-Chef Falk mitteilen. Und zwar: „sofort“.

Die Worte wird man in Berlin wohl hören – allein, es dürfte am Glauben fehlen. Und am Geld. Im best case wird sich sicher noch irgendwo die eine oder andere Million umschichten lassen, was dann für geschätzt zweieinhalb Tage reichen dürfte. Gelöst ist damit: nichts. Im worst case droht der Branche ein minimum acht Monate langes Moratorium, in dem keine Anträge gestellt werden können. Und zwar bis zu dem Zeitpunkt irgendwann kurz vor Weihnachten, wenn der 2024-Haushalt endgültig durch ist. Schöne Bescherung.

Umso gespannter war die Branche, ob es zur Computerspielpreis-Verleihung ermutigende Signale gibt. Der für Games zuständige Staatssekretär Michael Kellner hatte die Botschaft mitgebracht, man wolle die Förderung „weiterentwickeln“ – die Regierungsviertel-Version von: „Schau’mer mal.

Als Stichworte warf Kellner „Tax Credits“ und ein eigenes Programm für „Independent-Studios“ in den Festsaal – das sei „wichtig und richtig“. Frenetischer Applaus. Niedriger können Früchte kaum hängen.

Bei den erwähnten ‚Tax Credits‘ oder auch ‚Tax Breaks‘ handelt es sich – grob vereinfacht – um Steuer-Rabatte, die bereits der Game-Vorgänger-Verband BIU vor sieben Jahren ins Spiel gebracht hat und die in unterschiedlicher Ausprägung in Kanada, Skandinavien oder Großbritannien zum Einsatz kommen. Der 2016 durchgerechnete, durchdiskutierte und letztlich durchgefallene Vorschlag sah eine Steuerermäßigung von 25 Prozent vor. Dadurch sinken unterm Strich die Entwicklungskosten.

Ohne es bereits in jedem Einzelfall abgefragt zu haben, würde ich die Zahl der Betriebe, die solche Tax Credits überhaupt sinnstiftend einsetzen können, auf 30 bis 40 schätzen. Klingt nicht viel, ist aber durchaus substanziell. Denn bei diesem illustren Zirkel handelt es sich ganz überwiegend um Töchter internationaler, börsennotierter Holdings und Konzerne, die deutlich mehr als die Hälfte der Arbeitsplätze und Umsätze aller Spieleentwickler in Deutschland stellen.

Kellners ‚One more thing‘ im Rahmen seiner Computerspielpreis-Laudatio war ein zarter Hinweis darauf, dass das Thema im politischen Berlin platziert ist – und man kann sich schon jetzt darauf freuen, dass FDP-Finanzminister Lindner beim Verbands-Sommerfest Anfang Juli eigene Gedanken beisteuern wird, wie sich die Games-Förderung „weiterentwickeln“ ließe. Gefolgt von Habeck bei der Gamescom im August – ehe der ‚heiße Herbst‘ der Haushaltsberatungen aka Verteilungskämpfe losbricht.

Zum kompletten Bild gehört aber auch: Faktisch keinem der Studios, die gestern beim Deutschen Computerspielpreis ausgezeichnet wurden, hätten solche Tax Breaks bei der Umsetzung ihrer Spielideen weitergeholfen. Warum? Weil Tax Breaks erst mit Zeitverzögerung wirken und nur jenen Linderung versprechen, die ohnehin gut im Futter stehen und keine akuten Cash-Flow-Herausforderungen haben.

Der Normalfall ist ja: Idee vorhanden, aber kein Geld. Was Startups, Hochschulausgründungen, kleine Indie-Studios und mittelständische Publisher also wirklich brauchen, sind deshalb keine Steuergutschriften, sondern Kapital, Zaster, Kies, Moos, Knete. Also ein Geschäftskonto, mit dem sich Büroräume, Hardware, Lizenzen, Reisen, Messe-Auftritte und vor allem Honorare und Gehälter a) sofort, b) seriös und c) planbar vorfinanzieren lassen. Zumindest waren das jene Signale, die ich aus vielen Gesprächen der vergangenen 48 Stunden mitgenommen habe.

Zwar steht das Ergebnis des Games-Förderung-MRTs durch eine Unternehmensberatung noch aus. Aber ich würde Geld darauf setzen, dass ein Ergebnis der Studie lauten wird: Die bestehende One-size-fits-all-Regelung muss dringend differenzierter ausgestaltet werden.

Immerhin: Kellners Laudatio-Highjacking war dankenswerterweise eine der ganz wenigen Stellen in der diesjährigen Computerspielepreis-Choreographie, in der es für einige Augenblicke politisch wurde. Das haben wir auch schon ganz anders gesehen: Bei zurückliegenden Ausgaben der DCP-Gala wurde den Nominierten und Preisträgern von Amts- und Mandatsträgern im Wortsinne die Show gestohlen – vordergründig zum Wohle der Branche, aber eben auch aus durchschaubaren Eigen-PR-Gründen.

Vergleichen Sie gerne mal die Abschlussfotos des Deutschen Computerspielpreises von 2017, 2018 oder 2019 mit 2023: Über Jahre hinweg standen Moderatoren, Minister, Models und Musiker mitsamt voluminöser Blumensträuße stets im Vorder- und Mittelpunkt – Kellner ist hingegen kaum zu entdecken, weil er sich dezent im Hintergrund hält (womöglich auch der Körpergröße geschuldet). Und das, obwohl der Bund den DCP in dieser Form überhaupt erst ermöglicht, indem er das komplette Preisgeld von 800.000 € beisteuert. Ohne Knete keine Fete.

Im kommenden Jahr gastiert der DCP-Zirkus übrigens wieder in München – und ich wage schon jetzt die waghalsige Prognose: Die Politik steht dann wieder ganz weit vorne. Buchstäblich.

Ein schönes Wochenende wünscht Ihnen

Petra Fröhlich
Chefredakteurin GamesWirtschaft

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