Start Meinung Games haben ein Image-Problem – immer noch (Fröhlich am Freitag)

Games haben ein Image-Problem – immer noch (Fröhlich am Freitag)

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Der Dart-Sport hat zuletzt eine Welle der Sympathie erfahren (Foto: GamesWirtschaft)
Der Dart-Sport hat zuletzt eine Welle der Sympathie erfahren (Foto: GamesWirtschaft)

Organisierter Sport und Games-Branche spielen sich gegeneinander aus. Dabei wäre ein konstruktives Miteinander von Vorteil – für alle.

Verehrte GamesWirtschaft-Leser,
verehrte GamesWirtschaft-Leserin,

alle Jahre wieder, Mitte Dezember, verwandelt sich der ehrwürdige Alexandra Palace im Westen Londons für einige Wochen in ein Tollhaus. Denn im ‚Ally Pally‘ steigt die amtliche Darts-Weltmeisterschaft. Das Publikum: ein Mix aus Kölschem Fastelovend, Ischgl und Wiesn – schräge Kostüme, Mitgröhl-Mucke, Bier, noch mehr Bier. Das Event als solches ist oft wichtiger als das Geschehen auf der Bühne.

Bereits ab der Vorrunde fiebere ich am TV mit, lasse kaum ein wichtiges Spiel aus. Ich kenne die Namen der Caller (Schiedsrichter), weiß, wer zu welchem Song einläuft, die typischen Jubelposen, Taktiken und Signature Moves.

Und ich hab irrsinnigen Respekt davor, wie man es hinkriegt, einen Pfeil nach dem anderen im selben Quadratzentimeter zu versenken. Immer Glück ist Können.

Fröhlich am Freitag - die wöchentliche Kolumne bei GamesWirtschaft
Fröhlich am Freitag – die wöchentliche Kolumne bei GamesWirtschaft

Unterjährig ist mir Darts ein bisschen egal. Aber Sie hätten mich mal sehen sollen, wie ich im Finale beim 9-Darter (eine perfekte Runde, kommt irrsinnig selten vor) vom späteren Weltmeister Michael Smith aus dem Sattel gegangen bin. Ganz großer Sport.

Was in diesem Jahr anders war als sonst: Deutschlands Nummer 1 – Gabriel Clemens, der ‚German Giant‘ – spickerte sich erstmals bis ins Halbfinale. Historisch – weshalb selbst die ARD-Tagesschau Tribut zollte.

Schon Richtung Viertelfinale gingen die Einschaltquoten durch die Decke. Die Kommentatoren bei Sport1 und DAZN sahen sich veranlasst, den neu Hinzugekommenen öfter als üblich zu erklären, warum der Saal regelmäßig bei 180 Punkten ausflippt, was Double Out bedeutet und dass es gar nicht darum geht, das rote Feld in der Mitte (das Bull’s Eye) zu treffen.

Das Dart-Gewerbe hat in diesen trüben Januar-Tagen erkennbar viele neue Fans dazugewonnen. Was einigermaßen erstaunlich ist für einen Wettbewerb, der sich aus einem Kneipen-Sport entwickelt hat.

Moment, ‚Sport‘? Bezeichnenderweise führte die Dart-Community über Jahrzehnte ähnliche Debatten wie der E-Sport. Nämlich: Ist das Werfen von Pfeilen auf eine Sisal-Scheibe überhaupt ein ‚richtiger‘ Sport?

Vieles spricht dafür: Es gibt Landes- und Dachverbände, Liga-, Turnier- und Vereins-Strukturen, ein klares Regelwerk, normierte Ausrüstung, Sponsoren und Menschen, die ihr Geld damit verdienen. Man tritt den Stars der Darts-Branche allerdings sicher nicht zu nahe, wenn man attestiert: So richtig austrainiert sind die allerwenigsten Profis. Wer etwas auf sich hält, schiebt einen veritablen Bierbauch vor sich her.

Erst seit 2010 ist der Deutsche Darts-Verband Mitglied im Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB) – nach hartem Kampf, vielen Diskussionen und noch mehr Gutachten. Darts-Vereine profitieren seitdem vom Zugang zu Fördertöpfen und dürfen Spendenbescheinigungen ausstellen.

Diesen Kampf um Anerkennung, so ehrlich muss man sein, hat Deutschlands E-Sport vorerst verloren. Die Games-Branche und der DOSB arbeiten sich weiterhin routiniert aneinander ab – mit dem Ergebnis, dass der Sportdachverband sogar die Vokabel „E-Sport“ gecancelt hat und seitdem verschämt von „eGaming“ spricht. Eine Formulierung, die außerhalb des DOSB-Geländes an der Otto-Fleck-Schneise in Frankfurt ungefähr niemand verwendet.

Ein Argument: Viele E-Sport-Spiele „stünden im klaren Widerspruch zu den ethischen Werten“, die der DOSB vertritt. Das … kommt überraschend. Blöderweise hat der DOSB auch den einen oder anderen Punkt – etwa, indem er zurecht feststellt, dass über Wohl, Wehe, Regeln und Finanzierung des E-Sports nun mal einige wenige, bedingt gemeinnützige Publisher richten.

In dieser Woche hat der Verband nun die millionenschwere Kampagne „Dein Verein: Sport, nur besser“ gestartet, um Jung und Alt wieder in die Sportvereine zu locken. Das ist aller Ehren Wert, denn die Studien-Lage ist eindeutig: Gerade Kinder und Jugendliche sind in der Pandemie träge, bräsig und pummelig geworden – mit allen Risiken und Nebenwirkungen. Und auch wenn die Games-Industrie Anderes suggeriert: Mit ein paar Runden Ring Fit Adventure oder Just Dance wird sich dieser Zustand kaum lindern lassen, schon gar nicht in der Breite.

Unter den vielen Slogans, die die DOSB-Agentur derzeit bundesweit plakatiert, ist auch folgender, der gestern für Unruhe in der Branche sorgte: „Zusammen das Spiel rocken statt alleine zocken.“ Tatsächlich ist das exakte Gegenteil der Fall, denn die E-Sport-Branche wünscht sich ja nichts sehnlicher, als dass Computerspiele endlich im Verein betrieben werden können. Mehr noch: Der DOSB lobbyiert ganz offen – und bislang erfolgreich – dagegen, dass E-Sport-Vereinen und -Abteilungen die erhoffte Gemeinnützigkeit erfährt.

Dabei hat genau dies die Ampel im Koalitionsvertrag versprochen, wie schon zuvor die Groko. Um ein Ergebnis der diesjährigen GamesWirtschaftsWeisen vorweg zu nehmen: An eine zeitnahe Umsetzung glauben gerade einmal 16 Prozent (!) der Teilnehmer – ein Armutszeugnis für die Politik.

Was mich zu der These bringt, dass das Videospiele-Segment ungeachtet der Rekord-Umsätze immer noch ein Image-Problem hat, in Politik, Medien und Gesellschaft. Unterschwellig wabert sogar die unverwüstliche Killerspiel-Debatte, wie zuletzt bei den Silvesterkrawallen in Berlin und 2019 beim Anschlag in Halle.

Ich erinnere mich auch noch lebhaft an einen Info-Abend in einem regionalen Gymnasium, den ich als Zaungast beobachtete. Die Aula war rappelvoll – besorgte Eltern mit verschränkten Armen, wohin man blickte. Thema des Abends: Hilfe, mein Kind spielt Fortnite – geht das wieder weg? Unausgesprochene Sorge: Droht meinem armem Jungen durch die Zockerei der gesellschaftliche Abstieg? Und wie um Himmelswillen kann ich das verhindern?

Die gleiche Veranstaltung zum Thema Fußball, Basteln, Lesen? Undenkbar.

Die Games-Branche war und ist fast immer in einer Defensiv-Position – und tut meines Erachtens zu wenig, um positive Akzente zu setzen. Einige Debatten sind leider hausgemacht – auch deshalb, weil man Fehlentwicklungen unwidersprochen laufen lässt oder gar verteidigt, Stichwort: Lootboxen und (simuliertes) Glücksspiel.

Ablesen lässt sich das anhaftende Schmuddel-Image auch daran, dass im Unterschied zu Literatur, Musik, Film und Fernsehen stets eine Nützlichkeits-Debatte mitgeführt wird. Die ohnehin winzigen Games-Fördertöpfe in Hessen oder Rheinland-Pfalz sind zum Beispiel daran geknüpft, wie serious ein Serious Game ist. Der Freistaat Bayern zahlt keine Zuschüsse für Ab-18-Games. Und die CSU-Digitalministerin denkt beim Stichwort Computerspiele-Förderung zunächst die Segnungen für die hiesige Automobil-Industrie mit – so wird das nix.

Dabei führt der Weg ja tatsächlich über die Politik: Nach meiner Beobachtung hat wenig so viel Schönes für den Leumund der Branche bewirkt wie Merkels Gamescom-Rundgang 2017 – und wenn Habeck heuer seine diesbezügliche Zusage einhält, wäre das ebenfalls förderlich.

Kurzum: Ich finde, auch für Games wäre mal eine Image-Kampagne angebracht, um eine positive Botschaft in die Welt zu senden, die über das ohnehin überzeugte Stammpublikum hinaus wirkt. Serviervorschlag: „Wie Sport. Nur besser.“

Ein schönes Wochenende wünscht Ihnen

Petra Fröhlich
Chefredakteurin GamesWirtschaft

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2 Kommentare

  1. Einfach ein mehr aufeinander zugehen. Da stoßen eben auch sehr unterschiedliche Gesellschaften zusammen. Gerade Vereine haben oft noch eine sehr historisch sehr veraltete festgefahrene Struktur, wo es meist auch an Digitalisierung mangelt und man selbst selten heute ankam. Da könnte man sich auch gegenseitig unterstützen. Ebenso werden die Zocker auch mal die Sportlichen Aktivitäten nutzen oder vielleicht sogar durch die Möglichkeit ganz dazu übergehen. Wenn man mal die Win-Win Situation erkannt hat..
    Gerade wo es mehr Vereinsangebote als Jugendangebote gibt. Hier wird die Jugend abends schon überwacht mit Sicherheitsdienst und Jugendamt statt mal entsprechende Angebote zu liefern.

  2. Grundsätzlich gute und sinnvolle Argumente in einer wie so oft gut geführten Kolummne.
    Jedoch der Schlußpunkt:
    „Wie Sport. Nur besser.“
    Das konterkariert genau die erwähnten Argumente für eine seriöse Debatte und würde doch noch mehr dazu führen, dass kein Konsenz erreicht wird.

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