Start Marketing & PR Die Akte PewDiePie: Letsplayer unter Beobachtung

Die Akte PewDiePie: Letsplayer unter Beobachtung

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Indie-Hit
Indie-Hit "Firewatch": Die Entwickler von Campo Santo legen sich mit Youtuber PewDiePie an.

Die „Firewatch“-Debatte rund um Youtuber PewDiePie zeigt: Letsplayer sind mehr denn je auf die Gnade der Spielehersteller angewiesen.

[no_toc]Wenn man es gut mit ihm meint, könnte man Felix Kjellberg alias PewDiePie einen Mix aus Naivität, Unreife und Lust an der Provokation unterstellen. Andererseits hat diese Geisteshaltung dem 27jährigen Schweden eine Anhängerschaft von fast 60 Millionen Youtube-Abonnenten und jährliche Einkünfte in Millionen-Höhe beschert. Sein Geld verdient Kjellberg vorwiegend mit den Werbeeinblendungen in seinen Letsplays, also kommentierten Aufzeichnungen von Computerspielen.

Eine beiläufige rassistische Beschimpfung eines Mitspielers während eines „Playerunknown’s Battlegrounds“-Livestreams hat nun das Fass zum Überlaufen gebracht. Einer der Gründer des kleinen kalifornischen Spielestudios Campo Santo hat per Twitter verkündet, er habe es satt, dass „dieses Kind“ künftig Geld mit etwas verdient, was er und sein Team erdacht und entwickelt hätten.

Und deshalb hat der „Firewatch“-Spieldesigner Sean Vanaman dem Youtuber Felix Kjellberg einen sogenannten „Strike“ verpasst.

Youtube-Debatte: „Firewatch“-Entwickler legen sich mit PewDiePie an

Kurz gefasst: Der Entwickler will verhindern, dass PewDiePie weiterhin „Firewatch“-Letsplays veröffentlicht. Doch anstatt Kjellberg einfach eine freundliche E-Mail zu schicken, übersprang Vanaman kurzerhand alle diplomatischen Optionen und ging sofort zum Atomkoffer über. Denn mit einem Strike können sich Musiker, Filmstudios, Künstler und Spiele-Entwickler per Mausklick bei Youtube über einen mutmaßlichen Copyright-Verstoß beschweren. Jeder Youtube-Kanalbetreiber hat theoretisch drei Freischüsse – und natürlich eine Reihe von Optionen, sich zu wehren und den Streit beizulegen.

Gelingt das mehrfach nicht, wird der Kanal samt aller Videos kurzerhand gelöscht – im konkreten Fall wären es weit über 3.000 Videos samt einer riesigen Community. Kjellberg hat seinen Fehler eingesehen, löschte die „Firewatch“-Videos und bat öffentlich um Entschuldigung, wies aber gleichzeitig auf die negativen Folgen für die gesamte Letsplay-Szene hin, wenn das Beispiel Schule macht.

Campo Santo ermuntert Youtuber zu „Firewatch“-Letsplays

Wie die juristische Lage im angelsächsischen Raum – insbesondere in den USA und Großbritannien – aussieht, darüber streiten sich die Gelehrten. Der dort geltende „Fair Use“-Grundsatz erlaubt es Kreativen prinzipiell, Videospiele und andere urheberrechtlich geschützte Werke als Basis für die Schaffung neuer Werke zu nutzen – etwa für Parodien. Gerade bei linearen Spielen wie Adventures sind Letsplays aber eher Nacherzählungen, die allein durch die Kommentierung des Youtubers eine Aufwertung oder einen Zusatznutzen erhalten. Kompliziert wird die Sache auch dadurch, dass Campo Santo auf der Website explizit dazu auffordert, „Firewatch“-Letsplays zu erstellen und hochzuladen.

Eindeutiger ist die Lage in Deutschland: Hier findet „Fair Use“ keine Anwendung. Ohne das ausdrückliche Okay von Spiele-Studios und Publishern dürften Letsplays erst gar nicht stattfinden. Denn alle Rechte an Marken, Figuren, Artworks, Logos und Dialogen liegen in der Regel beim jeweiligen Entwickler oder Publisher. Weil Spiele-Hesteller wissen, wie sehr sie von der Werbung durch reichweitenstarke Letsplayer profitieren, liegt es natürlich in ihrem Interesse, die Letsplays unkompliziert zu ermöglichen.

PewDiePie-Debatte: Experten sehen Campo Santo im Recht

Der kommerzielle Erfolg von Spielen wie „Minecraft“, „Rocket League“ und „Playerunknown’s Battlegrounds“ wäre ohne Youtube und Twitch kaum vorstellbar. In den meisten Fällen werden Aufzeichnungen daher mindestens toleriert, vielfach aber explizit forciert. Anbieter wie Sony Interactive haben zur gezielteren Betreuung (und Kontrolle) von Youtubern, Live-Streamern und Social-Media-Stars gar ein eigenes Influencer-Netzwerk aufgesetzt.

Im konkreten Fall – und da sind sich die meisten Beobachter einig – geht es natürlich überhaupt nicht um eine vorgebliche Copyright-Verletzung. Der „Firewatch“-Entwickler missbraucht das Strike-Instrument, um den Youtuber an einer verletzlichen Flanke zu treffen und für seine rassistische Äußerung schlichtweg zu bestrafen. Dass Campo Santo nach Meinung vieler Experten im Recht ist, lässt die tatsächlichen Beweggründe in den Hintergrund treten. Zudem handelt es sich bei der öffentlichen „Freistellung“ im Firewatch-FAQ um einen sehr allgemein formulierten Passus, der im Einzelfall jederzeit widerrufen werden könnte.

Die 50 reichweitenstärksten Letsplayer im deutschsprachigen Raum (Stand: Juli 2017)
Die 50 reichweitenstärksten Letsplayer im deutschsprachigen Raum (Stand: Juli 2017)

Die Causa „Firewatch“ und die Auswirkungen auf Youtube-Deutschland

Was heißt das nun für Letsplayer im deutschsprachigen Raum? Prinzipiell sind Letsplayer und Livestreamer zu 100 Prozent auf das Wohlwollen des Rechte-Inhabers angewiesen. Anders formuliert: Alle Räder stehen still, wenn der Publisher es will. Das gilt nicht nur für Computerspiele: So untersagte der Spielwarenhersteller Playmobil vor einigen Jahren die Nutzung von Playmobil-Männchen für Wahlwerbe-Videos – man wolle nicht, dass die Marke und die urheberrechtlich geschützten Figuren für politische oder auch religiöse Themen missbraucht würden.

Mehr oder minder gute Gründe für den Entzug der Games-Publisher-Liebe gibt es jedenfalls zuhauf: Verstöße gegen Test-Embargos und anderweitige Vereinbarungen, rassistische oder sexistische Äußerungen, gewalt- oder drogenverherrlichende Szenen und vieles weitere. Abhängig von der Reichweite des Influencers wird der Publishers zunächst das direkte Gespräch suchen, ehe er zum schärfsten Schwert greift. Doch prinzipiell ergibt sich aus mehreren tausend „Minecraft“-Videos natürlich nicht automatisch das Recht, viele tausend weitere „Minecraft“-Videos zu produzieren, falls Microsoft Einspruch einlegen würde.

Youtuber sind also auf bestenfalls freundschaftliche, mindestens aber neutrale Beziehungen zum jeweiligen Spiele-Hersteller und dessen prinzipielles, meist stillschweigendes Einverständnis für Letsplays angewiesen. Im Zusammenspiel mit den verschärften Werberichtlinien der Google-Tochter Youtube und der Debatte um Rundfunklizenzen und Schleichwerbung spricht Vieles dafür, dass gerade prominenten Youtubern stärker auf die Finger geschaut wird. In jedem Fall ist das Risiko von Konsequenzen gestiegen, falls Influencer und andere Vorbilder ihrer Verantwortung gegenüber vieler Millionen meist junger Fans nicht gerecht werden.

Weitere Informationen rund ums Thema Influencer und Letsplayer finden Sie in diesen Beiträgen: