Gelöschte Videos, sinkende Werbeeinnahmen, deaktivierte Monetarisierung: Youtube und Twitch sehen sich dem Zorn ihrer prominentesten Zugpferde ausgesetzt.
[no_toc]Jenseits der anhaltenden Debatten um Rundfunklizenzen und Schleichwerbung werden Youtuber und Letsplayer derzeit mit einer Reihe weiterer Risiken und Nebenwirkungen konfrontiert.
Aktuelles Hauptproblem: die konsequente De-Monetarisierung von Videos durch Youtube. Wer Haupt- oder nebenberuflich Videos auf die Google-Plattform hochlädt, verdient bekanntlich an den Werbeeinblendungen zu Beginn oder während des Videos. Eine Änderung der Youtube-Geschäftsbedingungen hat in den vergangenen Monaten dazu geführt, dass sich einzelne Kanäle und Videos entweder gar nicht mehr oder nur noch sehr eingeschränkt monetarisieren, sprich: vermarkten lassen.
Offizielle Begründung: Die Beiträge seien aus Sicht von Youtube „nicht angemessen“ mit Blick auf eingeblendete Werbung, weil sie diskriminierende, verharmlosende oder respektlose Inhalte enthalten. Das gilt bezeichnenderweise auch für satirische Beiträge oder Comedy-Formate.
Betroffen sind daher auch Nicht-Gaming-Formate wie „LeNews“, wo sich Youtuber LeFloid (Florian Mundt) mit dem Weltgeschehen auseinandersetzt, das zwangsläufig aus wenig erbaulichen Themen wie Anschlägen in europäischen Metropolen oder Trump-Tweets besteht.
Neue Youtube-Richtlinien: Werbeeinnahmen von Letsplayern sinken dramatisch
Pro Minute werden weltweit 400 Stunden Videomaterial auf Youtube hochgeladen. Angesichts der Flut an Videos siebt ein Youtube-Algorithmus automatisch „kritische“ Videos aus, in denen zum Beispiel bestimmte Begriffe in der Videobeschreibung, im Thumbnail (also in der Video-Grafik) oder im Titel vorkommen.
Insbesondere Action-Spiele-Letsplays auf Basis von „Counter-Strike: Global Offensive“, „Call of Duty“, „Destiny“, „Battlefield“ oder „Grand Theft Auto 5“ lassen sich nur noch eingeschränkt zu Geld machen. Im Einzelfall sollen die Einnahmen drastisch eingebrochen sein.
Inzwischen hat sich auch Youtube-Manager Ryan Wyatt (Head of Gaming, Content & Partnerships) öffentlich zu Wort gemeldet, der die Maßnahmen mit den Wünschen der Youtube-Werbekunden erklärt. Das automatische System sei nicht perfekt. Insofern führe kein Weg an einer manuellen Prüfung vorbei. Gewalt als Teil des gezeigten Spielgeschehens sei zum Beispiel in Ordnung – „unnötige“ Gewalt hingegen nicht, zumindest mit Blick auf die Werbevermarktung.
Demonaterisierung von Youtube-Videos trifft Letsplay-Szene
Den betroffenen Youtubern bleibt nichts anderes übrig, als im Einzelfall eine händische Überprüfung der Sperren durch das Youtube-Support-Team zu beantragen. Der Haken: Der Youtuber wird nicht informiert, falls sein Video aus der Vermarktung genommen wird. Gerade bei frisch hochgeladenen Videos führt dies schlimmstenfalls dazu, dass die Einnahmen von vielen hunderttausend Abrufen schlichtweg verloren gehen, ehe eine nachträgliche Prüfung möglicherweise doch noch grünes Licht gibt.
Bekannte Youtuber wie Gronkh haben ihrem Ärger via Twitter Luft gemacht: Unter anderem sei der 12-Stunden-Mitschnitt des Meet & Greet im Rahmen der Gamescom 2017 streckenweise als „Nicht für alle Werbetreibenden geeignet“ gekennzeichnet worden. Ranges bitterer Kommentar: „Aber klar, Menschen umarmen und Community passt einfach nicht mehr zu Youtube. Schade.“
Problem Nummer 2: die offenkundig anlassfreie Löschung von Videos. Zuletzt wurden mehrfach ältere Beiträge seitens Youtube entfernt, weil sie vorgeblich gegen die Youtube-Nutzungsbedingungen verstoßen. Betroffen sind zum Beispiel einzelne Letsplay-Folgen des – völlig harmlosen – Daedalic-Adventures „Edna bricht aus“ und selbst Episoden aus dem Letsplay des Lucasarts-Klassikers „Monkey Island 1“. Auch einzelne LeFloid-Videos waren betroffen, in denen er unter anderem die politischen Vorgänge in der Türkei besprochen hat.
Erik Range plant Umbau von Gronkh.de und Gronkh.tv
Die Ereignisse der jüngsten Zeit zeigen, dass die Abhängigkeit von einigen wenigen Quasi-Monopolisten mit erheblichen Risiken behaftet ist – a) aus inhaltlichen und b) aus wirtschaftlichen Gründen. Oder wie es Range formuliert: „Sich von Youtube abhängig zu machen, ist inzwischen scheinbar Russisch Roulette geworden.“ Er sei sich bewusst, dass er Youtube eine Menge zu verdanken habe, aber die Entwicklung der Plattform mache ihn „gleichermaßen traurig und wütend.“
Ich weiß, ich verdanke YouTube eine ganze, ganze Menge. Aber die Entwicklung der Plattform macht mich gleichermaßen traurig und wütend :/
— GRNK ☕ (@Gronkh) 29. August 2017
Im Zusammenspiel mit weiter sinkenden Tausenderkontaktpreisen (TKPs) ergibt sich für reichweitenschwächere Youtuber und Letsplayer schnell eine möglicherweise existenzgefährdende Situation.
Deshalb sehen sich gleich mehrere führende Influencer nach Alternativen um, indem sie Videos zum Beispiel auf Twitch oder die junge Plattform vid.me hochladen. Doch auch die Zusammenarbeit mit Twitch verläuft nicht reibungslos: In seinem Twitch-Livestream hat Range angekündigt, seinen Twitch-Partnervertrag zu kündigen. Grund seien Differenzen mit Blick auf gleichzeitige Live-Streams auf mehreren Kanälen bei gleichzeitiger Beibehaltung des Twitch-Chats – was bei seinen Mitbewerbern problemlos möglich sei, ihm aber seitens Twitch verwehrt wurde.
Range will daher eine zentrale Plattform schaffen: Dazu soll die in die Jahre gekommene Website Gronkh.de einem Relaunch unterzogen werden und künftig einen Anlaufpunkt für die Community bieten. Auch die Website Gronkh.tv – die derzeit lediglich auf den Twitch-Kanal umleitet – soll reaktiviert werden. Mittelfristiges Ziel sei es, die Live-Streams auf allen denkbaren Plattformen auszuspielen, egal ob Youtube (Google), Twitch (Amazon), Facebook, Mixer (Microsoft) oder in Apps.
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