Start Meinung Youtuber im Visier der Medienanstalten: Das Ende der „güldenen Zeit“

Youtuber im Visier der Medienanstalten: Das Ende der „güldenen Zeit“

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Youtuber Valentin Rahmel alias Sarazar auf der Gamescom 2016 (Foto: KoelnMesse)
Youtuber Valentin Rahmel alias Sarazar auf der Gamescom 2016 (Foto: KoelnMesse)

Das Bußgeld gegen Fitness-Youtuber Flying Uwe zeigt: Die Medienanstalten stecken ihre Claims ab – GamesWirtschaft-Chefredakteurin Petra Fröhlich kommentiert.

„Wo wir sicher sein können: Dieses Wir-machen-einfach-was-wir-wollen-und-interessiert-eh-keinen – ich glaube, diese güldene Zeit ist so langsam vorbei“, orakelte PietSmiet-Gründer Peter Smits in seinem jüngsten Vlog zum Dauerbrenner-Thema Rundfunklizenz.

Besonders ‚interessiert‘ erscheinen seit geraumer Zeit die Landesmedienanstalten. Nachdem einige wenige TV-Konzerne die Fürstentümer der deutschen Fernsehlandschaft unter sich aufgeteilt haben, tut sich für die Medienaufseher durch Internet und Live-Streaming ein neues, charmantes Betätigungsfeld auf. Und es gibt weiß Gott hinreichend Anlass: Man muss nicht sehr weit mit der Taschenlampe in Youtube hineinleuchten, um festzustellen, dass es vor Product Placement, rundfunkähnlicher Angebote und ungekennzeichneter Werbung nur so wimmelt.

Jüngstes „Opfer“: Uwe Schüder alias Flying Uwe. Die Medienanstalt Hamburg Schleswig-Holstein (MA-HSH) hat dem Fitness-Youtuber ein Bußgeld von 10.500 Euro aufgebrummt, weil er trotz Vorwarnung eine Handvoll älterer Videos nicht mit dem Hinweis „Dauerwerbesendung“ versehen hat. Schließlich sei er Geschäftsführer jener Firma, die die darin gepriesenen Präparate vertreibt.

Ein klassischer Fall von Schleichwerbung also.

Wenn es zutrifft, was „Flying Uwe“ in einem Youtube-Video sagt, nämlich dass die für ihn zuständige Schleswig-Holsteinische Medienanstalt zuerst die Pressemitteilung veröffentlicht und erst im Anschluss den Bescheid herausgeschickt hat, dann muss man sich schon fragen, auf welchem Kreuzzug sich die Behörden befinden.

Denn exakt genauso ist es im Falle von PietSmiet abgelaufen: Die Letsplayer haben zunächst aus der Presse erfahren, dass ihre Twitch-Kanäle offenbar zulassungspflichtig sind. Gleichzeitig geben sich die Anstalten auf Veranstaltungen, in Pressemitteilungen und in Interviews maximal verständnisvoll und gerieren sich als Unschuld vom Land: Eigentlich sei man ja total auf Seiten der Youtuber, aber leider sind die Gesetze nun mal so, wie sie sind.

Robin-Hood-Attitüde“ und „unprofessionelles Verhalten“ wirft Landesmedienanstalt-Direktor Tobias Schmid jenen Influencern vor, die die Aufforderung zum Zulassungsantrag nicht einfach so unwidersprochen hinnehmen – und die Schärfe der Formulierung zeigt, wie sehr sich beide Parteien aneinander abarbeiten.

Öffentlichkeitswirksames Durchgreifen einerseits – Dialog-Bereitschaft andererseits: Die Good-Cop-Bad-Cop-Arbeitsteilung zwischen den Bundesländern klappt reibungslos.

Das ist die eine Seite der Medaille.

Wenn sich Flying Uwe nun hinstellt und beklagt, er wolle doch einfach nur seine Youtube-Videos machen und schließlich sei ja in den letzten zehn Jahren nie was gewesen, dann liegt die Frage nahe, ob die 10.500 Euro nicht doch ein Stückweit unter dem angemessenen Strafmaß liegen – und zwar wegen fortgeschrittener Naivität. Abgesehen davon, dass es noch nie sonderlich clever war, feist in die Kamera grinsend den Eindruck zu erwecken, man würde Behörden und Amtspersonen nicht sonderlich ernst nehmen.

Man kann nur eine Kerze ins Fenster stellen und darauf vertrauen, dass Schüder die lebensmittelrechtlichen Vorschriften bei seinen Eiweißriegeln ernster nimmt als das Gesetz gegen den Unlauteren Wettbewerb.

Überhaupt wirkt das notorische Understatement, das gerade reichweitenstarke Youtuber umwabert, zunehmend unglaubwürdiger. Oder wann haben Sie Ihre Lieblings-Rockband zuletzt sagen hören: „Wir sind doch nur ein paar gute Kumpels, die wahnsinnig gerne auf der Bühne stehen und ein bisschen rumschrammeln. Im Stadion. Vor ein paar zehntausend Fans. Und dann kommen diese piefigen Behörden um die Ecke mit so öden Themen wie GEMA, Bundesimmissionsschutzgesetz, Gewerbeordnung, Jugendschutzgesetz und Versammlungsstättenverordnung.“?

Das Internet sei nun mal kein rechtsfreier Raum, heißt es bei solchen Gelegenheiten gerne – so steht es auch wortwörtlich in der Pressemitteilung der norddeutschen Medienaufpasser.

So weit, so spießig.

Mehr als 30 Youtuber hat allein die Hamburger Medienanstalt angeschrieben und über ihre Kennzeichnungs-Pflichten aufgeklärt – vorsorglich, versteht sich. Die unverhohlene Botschaft: Wer Youtube oder Twitch professionell betreibt, sich von Agenturen vermarkten lässt, für internationale Konzerne wirbt und damit seinen Lebensunterhalt verdient, der muss damit rechnen, dass ihm genauer auf die Finger geschaut wird.

Spätestens mit der angekündigten EU-Richtlinie werden Youtuber den gleichen Auflagen wie Fernsehsender unterliegen – in vielen Belangen gilt dies heute schon. Und das ist auch völlig richtig so. Es ist dem Publikum durchaus zuzumuten, dass in aller Transparenz und Ehrlichkeit darauf hingewiesen wird, wenn ein Hersteller für das Stattfinden von Letsplays und Vlogs, für Flüge, Unterkunft, Tickets oder andere geldwerte Späße aufkommt. Und ja, das gilt für Influencer aller Art, inklusive der Presse.

Verschämte Verklausulierungen wie „Sponsored by“ oder #Sponsored-Hashtags oder „In Zusammenarbeit mit …“ oder „Unterstützt von …“ sind oft genug nicht nur unzureichend, sie sollten auch durch ein Wort ersetzt werden, das jeder versteht: Werbung.

Denn Fans von Youtubern mögen überwiegend jung sein – doof sind sie nicht. Die Großen – etwa Gronkh – sind sich dessen bewusst und handeln entsprechend.

Die Zeiten des Wilden Westens im Lande Youtube seien vorbei, sagt Peter Smits sinngemäß. Jetzt muss nur noch irgendjemand den Sheriffs von den Medienanstalten Bescheid geben, dass sie künftig nicht schneller schießen als ihr Schatten.

Weitere Informationen zum Thema Youtube und Live-Streaming finden Sie in diesen Beiträgen: