Start Wirtschaft Und jetzt zur Börse (Fröhlich am Freitag)

Und jetzt zur Börse (Fröhlich am Freitag)

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Die Zuversicht, die der Bulle an der Börse symbolisiert (hier in Frankfurt), ist der Games-Branche zuletzt etwas abhanden gekommen (Foto: GamesWirtschaft)
Die Zuversicht, die der Bulle an der Börse symbolisiert (hier in Frankfurt), ist der Games-Branche zuletzt etwas abhanden gekommen (Foto: GamesWirtschaft)

Discord strebt an die Börse – es wäre das erste größere IPO seit langem in einer Branche, die nicht nur gute Erfahrungen auf dem Parkett gesammelt hat.

Verehrte GamesWirtschaft-Leserin,
verehrter GamesWirtschaft-Leser,

mein privater Alltag ist ziemlich inkompatibel mit Podcasts. Doch auf mehrstündigen Feiertags-Autofahrten bietet sich dann doch die Gelegenheit, um zumindest Einiges von dem nachzuholen, was sich in den vorangegangenen Wochen angesammelt hat.

Am Oster-Wochenende habe ich bei den Kollegen von OMR eine ganze Menge über die deutsche Einzelhandels-Landschaft gelernt – und mit einigem Erstaunen wahrgenommen, was mir in dieser Ausprägung gar nicht so bewusst war.

Nämlich erstens, dass sich einige der umsatzstärksten stationären Händler des Landes – Aldi, Lidl / Kaufland, Otto, Rossmann, dm, Obi, Tchibo, C&A, Müller, Kik, Deichmann, Fressnapf, Fielmann, außerdem IKEA und viele weitere Größen – weiterhin in Familienbesitz befinden oder in entsprechenden Stiftungen geparkt sind.

Wenn man mal drauf achtet, fallen einem ganz viele weitere Beispiele ein und auf.

Und zweitens: Es ist kein Zufall, dass inhabergeführte Imperien dieser Größenordnung ausgerechnet im Handel entstanden sind. Denn in kaum einer anderen Branche (mit Ausnahme von Tech und Software natürlich) gelänge es so oft und schnell, binnen nur einer Generation ein nachhaltiges Multi-Milliarden-Business mit Zigtausenden Beschäftigten aufzubauen. Einfach deshalb, weil sich ein einmal etabliertes Modell gut multiplizieren und zuverlässig skalieren lässt. Laufen Sortiment, Einkauf und Logistik erstmal rund, wird eben ein Ladengeschäft nach dem anderen eröffnet.

Nun, ganz so trivial ist es in der Praxis natürlich nicht, wie die jüngsten Pleiten und Schließungen vor Augen geführt haben. Auch eine etablierte Marke mit treuer Stammkundschaft und engmaschigem Filialnetz bietet keine Bestandsgarantie – siehe Galeria Karstadt Kaufhof, Esprit, MyToys, Gerry Weber, Hallhuber, Depot, The Body Shop, Peek & Cloppenburg, Görtz et cetera pp.

Andere traten mehr oder minder freiwillig den Rückzug an: An einst Hunderten GameStop-Standorten erinnern vielerorts noch nicht einmal mehr die Rückstände der abmontierten Leuchtreklame.

Fröhlich am Freitag - die wöchentliche Kolumne bei GamesWirtschaft
Fröhlich am Freitag – die wöchentliche Kolumne bei GamesWirtschaft

Dass erstaunlich viele deutsche Traditions-Händler den Verlockungen einer Börsennotierung widerstanden und im Lauf der Jahrzehnte bestenfalls überschaubare Minderheits-Beteiligungen zugelassen haben, hat auch mit der damit einhergehenden Öffentlichkeit und Rechenschafts-Pflicht zu tun. Nicht jeder Unternehmer ist für das Scheinwerferlicht gemacht. Es kann ein ziemlich angenehmes Gefühl sein, unterm Radar fliegen zu dürfen – ohne teuren Investor-Relations-Apparat. Ohne lästige Inquisition durch Analysten und Finanzpresse. Ohne die Notwendigkeit, jedes Wort auf die Goldwaage zu legen. Ohne die Vorgabe, im Quartals-Rhythmus die Hosen runter lassen zu müssen.

Und wenn eine Saison mal nicht ganz so brillant läuft – so what.

Größere IPOs, also Börsengänge, sind daher etwas aus der Mode gekommen. Und die wenigen, die es gab, enttäuschten zu oft. Wer vor einem Jahr Aktien der Parfümerie-Kette Douglas zum Ausgabepreis von 26 € erworben hat, konnte den Depot-Wert seitdem zuverlässig mehr als halbieren.

Auch in der Games-Industrie übt man sich in Zurückhaltung und wartet auf bessere Zeiten und hübschere Rahmenbedingungen. Im Jahr 2021 gab es durch Krafton, Roblox und Playtika nochmal einen Peak, seitdem sind die Zahlen rückläufig. Im erweiterten Branchen-Kosmos ist Publikumsliebling Discord sehr wahrscheinlich der nächste Kandidat, wie in dieser Woche bekannt wurde.

Das letzte Games-IPO auf nationaler Ebene ist noch viel länger her. Die Anläufe in den Anfang-2000ern waren ja allesamt semi-erfolgreich – Jowood, 10tacle, CDV und Phenomedia sind in mächtigen Feuerbällen verglüht. Und damit auch die Hoffnungen und Einlagen der Aktionäre – denen offenbar niemand Bescheid gesagt hat, dass ein Zufalls-Hit ungefähr nichts über die Erfolgsaussichten der Folgeprodukte aussagt.

Trotzdem sind natürlich irrsinnig viele Games-Unternehmen im Land börsennotiert – wenn auch indirekt: Denn was in den letzten Jahren stattdessen statt gefunden hat, waren Zukäufe durch bestehende Publisher-AGs, überwiegend aus dem skandinavischen Raum und aus Frankreich.

Es gab Wochen, da reihte sich eine Übernahme an die andere: Die Käufer drohten mit mächtigen Schecks und erwarben damit Zugriff auf eingespielte Teams, tragfähige Strukturen sowie bekannte Marken. Die Verkäufer wiederum hofften umgekehrt auf Stabilität und Berechenbarkeit in einem instabilen, unberechenbaren Markt.

Nicht in allen Fällen haben sich die damit einhergehenden Erwartungen erfüllt: Nach anfänglicher Euphorie schlugen Kosten- und Renditedruck bei den Mutterkonzernen brutal auf die deutschen Niederlassungen durch. Die hiesige Branche hat zwei schlimme Jahre hinter sich.

Mancher hätte längst versilbern können – nicht alle haben das getan. In Deutschland gibt es daher nach wie vor eine erstaunlich lange Liste etablierter, mittelständischer Spiele-Hersteller, in denen weiterhin Gründer und Inhaber das alleinige Sagen haben – ohne dass Stockholm reingrätscht. Eine Gameforge fällt einem ein, ein CipSoft, ein Weltenbauer, ein Kalypso, ein Crytek, ein Travian, ein Egosoft, ein Softgames, ein King Art, ein Aerosoft, ein Lotum. Oder auch Giants Software in der Schweiz. Unter anderem.

Etliche dieser Unternehmen sind seit Jahrzehnten am Markt unterwegs – was schon für sich genommen eine Leistung ist. Gerade deshalb sollte niemand überrascht sein, wenn wir in den kommenden Wochen und Monaten den einen oder anderen Exit oder zumindest eine Neuordnung der Gesellschafter-Struktur erleben. Von der Öffentlichkeit weitgehend unbemerkt kam es vereinzelt bereits zu Staffelübergaben, wie ein scheuer Blick ins Handelsregister zeigt.

Die ältesten Games-Studios und -Publisher in Deutschland 2025 (Stand: 12.3.25 / v11)
Die ältesten Games-Studios und -Publisher in Deutschland 2025 (Stand: 12.3.25 / v11)

Den zuletzt eher schleppenden Konsolidierungs-Prozess beschleunigen wird im Übrigen ausgerechnet die mit absurd vielen Unsicherheiten behaftete Games-Förderung von Bund und Ländern – die ja ursprünglich die internationale Wettbewerbsfähigkeit der Branche stärken sollte, jetzt aber zu einer echten Belastungs- und Bewährungsprobe wird.

Denn wenn der Staat mindestens kurzfristig als belastbarer Mit-ins-Risiko-Geher ausfällt, dann wird sich vielfach eine ziemlich akute Frage stellen. Nämlich: Wer genau finanziert eigentlich unser nächstes Projekt?

Ein schönes Wochenende wünscht Ihnen

Petra Fröhlich
Chefredakteurin GamesWirtschaft


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1 Kommentar

  1. „Wer finanziert uns das nächste Projekt?“ insbesondere wo es gerade in den klein bis mittelgroßen Studios klar ist: extrem viel ausprobieren und den Markt testen mit Prototypen, Trailern und Steamseiten. Früh Erkenntnisse über Produkt und Zielpublikum generieren und Kurs korrigieren. Alles bringt einen näher an ein verkaufbares Produkt, kostet aber eben auch Zeit und Geld. Neben der möglichst vielen Experimente sollte man auch sein Team klein halten und eher vorsichtig wachsen.
    Beide dieser Best Practices stehen diametral gegenüber einer Förderung die nachvollziehbarerweise fertig geplante Projekte ohne große Richtungskorrekturen und Wachstum wünscht, sogar zur Grundlage der Förderung macht.
    Theoretisch sind möglichst früh gecancelte Projekte ein gutes Zeichen, praktisch will das kaum ein Förderer, ein Investor oder gar Publisher bezahlen. Muss man sich dann eben leisten können, die Weisheiten der Industrie auch anzuwenden.

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