Ubisoft, Zenimax, Microsoft, Deck13: Das Coronavirus hat auch Auswirkungen auf den laufenden Betrieb in der deutschen Computerspiele-Industrie.
Update vom 17. März 2020: Weil sich die Coronavirus-Situation in den vergangenen zwei Wochen sowohl in Deutschland als auch in ganz Europa dramatisch verschärft hat, sind viele Vorsichtsmaßnahmen längst Makulatur. Der Flugverkehr ist weitgehend zum Erliegen gekommen, das Auswärtige Amt warnt vor Reisen ins Ausland, unzählige Konferenzen und Messen finden nicht statt. Im Inland sind teils massive Einschränkungen des öffentlichen Lebens in Kraft getreten, die das Wirtschaftsleben und die Lieferketten in vielen Branchen zum Erliegen gebracht haben. Der Handel, etwa die MediaMarktSaturn-Gruppe, wird Filialen in einzelnen Bundesländern vorerst schließen.
Viele kleine und große Publisher-Niederlassungen, Dienstleister, Agenturen und Studios – etwa Crytek in Frankfurt – haben den Büro-Alltag auf das absolut notwendige Minimum heruntergefahren und ihre Mitarbeiter in den einstweiligen Home-Office-Betrieb versetzt.
Ursprünglicher Beitrag vom 5. März 2020:
Vorweg: Veröffentlichbare Aussagen zu den Nebenwirkungen des Coronavirus (Covid-19) bei Unternehmen der deutschen Games-Branche sind derzeit nur in Ausnahmefällen zu bekommen. Was unter anderem daran liegt, dass insbesondere Niederlassungen US-amerikanischer oder asiatischer Computerspiele-Hersteller grundsätzlich eher selten willens oder befugt sind, ohne Okay des Hauptquartiers mehr zu kommunizieren, als ohnehin den Pressemitteilungen zu entnehmen ist.
Off-the-records sieht die Sache schon anders aus. So gut wie jedes der 30 angefragten Studios und Publisher ist derzeit damit beschäftigt, mögliche Auswirkungen des Coronavirus zu bewerten und angemessen zu reagieren – allein schon mit Blick auf die eigenen Mitarbeiter.
Eine Erkenntnis: Je größer und börsennotierter der Konzern, desto generalstabsmäßiger gestaltet sich meist das Coronavirus-Krisen-Management. Bei Microsoft gibt es zum Beispiel einen „globalen All-Hazards-Ansatz“ mit eigenem „Business Continuity Council“, das mögliche Unterbrechungen des Geschäftsbetriebs minimieren soll.
Bei Deutschlands größtem Games-Arbeitgeber Nintendo of Europe in Frankfurt wurden ebenfalls besondere Vorsichtsmaßnahmen ergriffen: Wer etwa kürzlich in Gebieten unterwegs war, der von Covid-19 betroffen ist, erhält die Möglichkeit, von zu Hause zu arbeiten. „Diese Vorkehrungen gehören zu einem umfangreichen Maßnahmenkatalog, der auf aktuellen Empfehlungen von Aufsichtsbehörden und Expertengremien beruht. Wir können aus diesem Katalog jederzeit weitere Maßnahmen aktivieren“, heißt es auf GamesWirtschaft-Anfrage. „Sie ermöglichen es uns, unsere MitarbeiterInnen zu unterstützen, das Infektionsrisiko für sie und ihre Familien zu verringern und den laufenden Geschäftsbetrieb aufrechtzuerhalten.“
Startups und mittelständische Studios fahren hingegen zwangsläufig auf Sicht und versuchen zum Beispiel, mit großzügigen Home-Office-Regelungen mögliche Gefährdungen zu vermeiden oder abzufedern. Die Entscheidung über die Teilnahme an nationalen und internationalen Messen und Konferenzen wird den meisten Unternehmen dankenswerterweise von Veranstalter-Seite abgenommen: Derzeit gibt es keinen Tag, an dem nicht kleine, große und sehr große Events abgesagt oder verschoben würden (laufend aktualisierte Übersicht).
Coronavirus: So reagieren deutsche Computerspiele-Hersteller
Die konkreten Auswirkungen auf Belegschaft und Tagesgeschäft bei deutschen Spiele-Herstellern fallen ganz unterschiedlich aus:
„Aktuell gibt es bei uns keine Änderungen. Wir achten auf die Gesundheit unseres Teams und die Einhaltung der Hygiene-Hinweise“, sagt zum Beispiel Jan Klose vom Frankfurter Studio Deck13 Interactive („The Surge 2“). „In der Arbeit mit unseren Outsourcing-Partnern aus der asiatischen Region hat es bereits Verzögerungen gegeben, und wir rechnen mit weiteren Unregelmäßigkeiten. Wir bleiben aufmerksam, arbeiten aber ansonsten weiter wie gewohnt.“
Schon sehr viel problematischer seien hingegen Event-Absagen wie zuletzt die kalifornische Game Developers Conference (GDC), erklärt Klose: „Wir wissen nicht, wie es mit den weiteren Messen in den nächsten Wochen aussieht. Dort ist das eine oder andere geplant, und hier müssen wir möglicherweise kurzfristig umplanen.“
Auch in der Münchener Microsoft-Niederlassung beobachtet man die laufende Situation sehr genau und richtet sich nach den Empfehlungen der Gesundheitsbehörden. Eine Präsenzpflicht im Büro gäbe es ohnehin nicht, betont Xbox-Communications-Manager Sandro Odak: Die 3.000 Mitarbeiter hätten – unabhängig von Covid-19 – immer die Möglichkeit, mit ihren Notebooks und Tablets von zu Hause aus zu arbeiten. Die Teilnahme an der GDC 2020 habe man als Vorsichtsmaßnahme abgesagt. Weitere Maßnahmen seien bislang nicht getroffen worden.
Coronavirus-Sorgen: Ubisoft untersagt Geschäftsreisen in betroffene Regionen
Analoges gilt für Ubisoft in Düsseldorf und die angeschlossenen Funkhäuser in Mainz und Berlin. Sofern erforderlich, würde man im Sinne der fast 700 Mitarbeiter in Deutschland entsprechend handeln. „Aktuell haben wir Geschäftsreisen in die betroffenen Regionen untersagt und raten von Reisen, die nicht zwingend erforderlich sind, ab.“ Ubisoft unterhält unter anderem Niederlassungen in Shanghai, Chengdu, Hongkong, Osaka und Singapur sowie im besonders vom Coronavirus betroffenen Mailand.
Auf das lokale Tagesgeschäft im deutschsprachigen Raum hat die aktuelle Situation indes noch keine Auswirkungen: „Wir halten unsere Mitarbeiter über die neusten Entwicklungen stets auf dem Laufenden, verfolgen die Situation weiterhin und werden unsere Maßnahmen gegebenenfalls anpassen und erweitern“, heißt es aus Düsseldorf.
Bei Zenimax in Frankfurt (u. a. „Doom Eternal“, „Fallout 76“) hat man eine Promotion-Veranstaltung für die „The Elder Scrolls Online“-Erweiterung „Greymoor“ abgesagt, die für 10. März geplant war. Die Sicherheit von Mitarbeitern, Partnern und Gästen habe höchste Priorität.
„Landwirtschafts-Simulator“-Hersteller Giants Software (Zentrale: Zürich, deutsche Filiale: Erlangen) war in den vergangenen Tagen gleich mehrfach von Coronavirus-Auswirkungen betroffen: So musste das hauseigene E-Sport-Format „Farming Simulator League“ (FSL) im Rahmen des IEM Katowice auf behördliches Geheiß unter Ausschluss des Publikums stattfinden. Die GDC-Absage hat zudem dazu geführt, dass neun eingeplante Konferenzbesucher ihre Reise nicht antreten werden.
„Ansonsten planen wir jetzt erstmal vorsichtiger, was Messen wie die TwitchCon angeht – heißt: Hotels und Flüge möglichst spät oder mit Storno-Möglichkeit buchen“, verrät Marketing- und PR-Chef Martin Rabl. Für die Sommer-Events – inklusive der Giants-Hausmesse FarmCon 2020 – rechnet Giants Software derzeit damit, dass diese stattfinden können. Die Entwicklung laufe wie geplant weiter, ohne Home-Office: Weil für das laufende Jahr keine neuen Produkte vorgesehen seien, „haben wir vielleicht gerade etwas Glück“, so Rabl.
Covid-19: Asiatische Games-Konzerne besonders stark betroffen
Besonders prekär ist die Lage natürlich für Unternehmen mit chinesischen, japanischen oder südkoreanischen Mutterkonzernen – etwa in der Berliner Niederlassung des Mobilegames-Riesen Gamevil Com2Us („Summoners War“). Eine für diese Woche angesetzte Geschäftsreise zum Hauptquartier in Seoul sei abgesagt worden. „Außerdem musste ein Event für italienische Fans von ‚Summoners War‘, das am kommenden Wochenende in Mailand stattfinden sollte, aus bekannten Gründen gestrichen werden“, weiß Marketing & Communications Manager Sebastian Beiler.
Davon abgesehen würden alle ‚gesunden‘ Kollegen unverändert vom Büro aus weiterarbeiten. „Natürlich sind alle Mitarbeiter angehalten, auf die Hygiene zu achten und sich regelmäßig die Hände zu waschen. Zusätzlich befinden sich bei uns nun Desinfektionsmittelspender neben unseren Waschbecken“, so Beiler. Das sei aber kein Vergleich zu den Kollegen in Seoul, wo Hunderte Mitarbeiter angewiesen worden seien, präventiv von zu Hause aus zu arbeiten.
Über weiteren Events im laufenden Kalenderjahr schwebt aus seiner Sicht ein Fragezeichen. Immerhin: Die Merchandise-Produktion in China sei nach mehrwöchigen Verzögerungen wieder angelaufen – deshalb werde es auch hier zu keinen Engpässen kommen.
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