Kreativität ist reichlich vorhanden, allein: Es fehlt an finanzieller Substanz. Deutschlands Games-Industrie gerät daher zunehmend ins Schlingern – hilft ein Sondervermögen Games?
Verehrter GamesWirtschaft-Leser,
verehrte GamesWirtschaft-Leserin,
über den Rhein-Main-Donau-Kanal direkt vor meiner Haustür führt die ‚Zirndorfer Brücke‘ – vor mehr als 50 Jahren eingeweiht, vielbefahren und mittlerweile so marode, dass sie zu einem Risiko für Leib und Leben geworden ist.
Das Dilemma: Eine Sanierung wäre weder technisch noch wirtschaftlich sinnvoll. Doch Abriss und Neubau können sich Stadt und Landkreis erst recht nicht leisten.
Schon 2015 lautete die Prognose: Mit Ach und Krach könnten Stahl und Beton noch acht bis zehn Jahre durchhalten, maximal. Dann ist endgültig Schicht. Jetzt haben wir 2025. Damals wurden für das Projekt rund 50 Mio. € veranschlagt. Man muss nicht in Ingenieurswesen promoviert haben, um zu antizipieren: Die Nummer kostet mittlerweile das Doppelte, mindestens.
Also lautet ein Beschluss, dass die Brücke halten muss.
Im ersten Schritt wurde eine Tempo-30-Zone eingerichtet, um die gröbsten Erschütterungen zu minimieren – überwacht von tückischen Radarfallen auf einer schnurgeraden Außerorts-Strecke. Wenig später folgte die Vorgabe, dass keine Fahrzeuge jenseits von 3,5 Tonnen drüber fahren dürfen. Leider hat man vergessen, den Bord-Navis jener LKWs Bescheid zu geben, die die örtlichen Gewerbegebiete ansteuern. Die Verkehrsschilder wurden daher stumpf ignoriert – genauso wie die Drohung der Stadt Fürth, das Bauwerk komplett zu sperren.

Um das „widerrechtliche Befahren“ wirksam zu unterbinden, hat man sich dafür entschieden, kurzerhand eine Kollektivstrafe auszusprechen – nämlich in Form von Fahrbahnverengungen und Höhenbegrenzungen. Die in Kurven verlaufenden Beton-Schikanen sind so eng, dass man höllisch aufpassen muss, um nicht versehentlich anzudotzen. Lackspuren in allen Farben des Regenbogens sind stumme Zeugen, dass dies nicht allen Verkehrsteilnehmern gelungen ist.
Mittlerweile müssen studierte Gelehrte alle paar Wochen nachmessen, ob der 70er-Jahre-Bau noch trägt – buchstäblich. Es wird also ein irrer finanzieller und logistischer Aufwand betrieben, um die Brücke noch ein bisschen auf Verschleiß fahren zu dürfen – in der Hoffnung, dass die Pfeiler nicht irgendwann unvermittelt nachgeben und den Passagieren der darunter verkehrenden Flusskreuzschiffe in den Cappuccino kippen.
Sagen wir es gemeinsam: Es ist eine Zumutung, in jeder Hinsicht. Spätestens beim Blick auf den Gewerbesteuer-Bescheid schwillt das Unterputzkabel: Warum ist dieser Staat nicht in der Lage, Brücken und damit unverzichtbare Lebensadern für Bevölkerung, Tourismus und Wirtschaft in Schuss zu halten? Gleiches gilt für Krankenhäuser, Schulen, ÖPNV.
Wie es der Zufall will, wurden die Sondierer von CDU, CSU und SPD schon am Tag nach der Bundestagswahl von der Erkenntnis überrascht, dass die Bausubstanz des Landes nicht im besten Zustand ist. Deshalb ist zusätzlich zu einem gewaltigen Aufrüstungs-Paket ein „Sondervermögen“ für Infrastruktur in Planung. Volumen: eine halbe Billion Euro, verteilt auf zehn Jahre.
Die Vokabel ‚Vermögen‘ führt (bewusst) in die Irre. Denn es bedeutet mitnichten, dass man vorhandenes Geld einfach anders ausgibt. Es sind schlichtweg Kredite und Schulden, nichts anderes. Der zuständige Fachbegriff lautet Euphemismus.
So ein Sondervermögen weckt natürlich Begehrlichkeiten. Wer auf den Presseverteilern von Lobby-und Dachverbänden steht, ist wenig verblüfft, welche Branchen in diesen Tagen schon mal sicherheitshalber Ansprüche formulieren – der Sport, die Kultur, die Hochschulen. Infrastruktur ist überall. In Ländern und Kommunen wird das Fell des Bären bereits gedanklich verteilt, bevor er erlegt ist.
Man ahnt: Es wird Enttäuschungen geben, zwangsläufig.
Ein Sondervermögen dringend gebrauchen könnten auch die hiesigen Games-Entwickler – erst recht mit Blick auf die jüngsten Tragödien, die auch (aber natürlich nicht nur) ganz viel damit zu tun haben, dass sich geplante Projekte als nicht durchfinanzierbar darstellen. Oder um im Brücken-Bild zu bleiben: als nicht tragfähig.
Eine gehörige Mitschuld trägt die wieder mal ausgesetzte und im Wortsinne unkalkulierbare Computerspiele-Förderung: Wäre ich Mutterkonzern, Publisher oder Investor, würde ich mir auch dreimal überlegen, ob ich jetzt voll ins Risiko gehe – oder noch ein paar Monate abwarte, ob der Bund nicht doch eine Art Sondervermögen Games auflegt und 30, 40, 50 Prozent meiner Kosten übernimmt.
Doch diese „paar Monate“ haben viele Entwickler nicht. Sie brauchen Planungssicherheit. Jetzt. Genauer: gestern. Andernfalls wird sich das stille Studio-Sterben fortsetzen.
Die Lage ist einigermaßen ernst. Doch ob sich die Politik kurzfristig zu weiteren Entwicklungshilfen durchringt, ist fraglich. Die Rahmenbedingungen haben sich objektiv verschlechtert.
- Erstens, weil es bis auf Weiteres keinen 2025-Haushalt gibt und die Prioritäten woanders liegen.
- Zweitens, weil die Bundestagswahl jene Entscheidungsträger entnommen hat, die entlang von Gamescoms, Sommerfesten und Twitch-Auftritten mit großem Aufwand per Leistungskurs ‚Games‘ eingeschult wurden. Der Robert (Habeck), der Michael (Kellner), der Christian (Lindner) – alle raus.
- Drittens und fast noch bitterer: Unfassbar viele engagierte Medien-, Games-, Digital- und Haushaltspolitiker der zweiten und dritten Reihe haben Wahlkreis und/oder Mandat verloren – gerade bei Personal von SPD und Grünen half auch die Absicherung über die Landesliste nichts, bei der FDP ohnehin nicht. Ganz viel Erfolg beim Aufrechterhalten von Brandmauern aller Art.
Im Ergebnis wird der Zeiger fast auf Null gestellt. Unter diesen Vorzeigen muss man fast schon eine Kerze ins Fenster stellen, dass etwa CSU-Vize Dorothee Bär mit dem Aufbau eines Digital- (in Klammern: Games-) Ministeriums beauftragt wird. Andernfalls könnte die Games-Branche im politischen Verschiebebahnhof aufs Abstellgleis geraten. Was die Chancen auf steuerliche Anreizmodelle – die tatsächlich ein Segen wären – nicht erhöht.
Dass die Lage der Branche nicht noch prekärer ist, liegt daran, dass die größeren Studios mit der Abschichtung des bereits vorhandenen ‚Sondervermögen Games‘ beschäftigt sind – nämlich mit jener Viertelmilliarde Euro, die Bund und Länder seit 2019 via Förderung vorgeschossen haben. Manches Großprojekt wird frühestens Ende 2025, oft erst 2026 und 2027 fertig.
Der Glaubwürdigkeit gegenüber der Politik würde es in diesem Zusammenhang massiv helfen, wenn möglichst viele dieser Spiele einen Nachweis für die kolportierte These erbringen, wonach jeder investierte Subventions-Euro zu Folge-Investitionen von 8 Euro führt – und nicht zu Standort-Schließungen und Stellenabbau.
Am Wochenende werde ich im Übrigen all meinen Mut zusammen nehmen und abermals die Zirndorfer Brücke überqueren, um zum Baumarkt zu gelangen – wünschen Sie mir Glück.
Ihnen ein schönes Wochenende – trotz allem!
Petra Fröhlich
Chefredakteurin GamesWirtschaft
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