Start Meinung Gamescom: Köln forever (Fröhlich am Freitag)

Gamescom: Köln forever (Fröhlich am Freitag)

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Köln - Hauptstadt der Keyseller (Foto: GamesWirtschaft)
Köln - Hauptstadt der Keyseller (Foto: GamesWirtschaft)

Die Gamescom gehört zu Köln wie der Dom. Aber ist das für alle Ewigkeit in Trachyt gemeißelt? Es spricht viel dafür.

Verehrte GamesWirtschaft-Leser,
verehrte GamesWirtschaft-Leserin,

zum Ende seiner Amtszeit hat der Kölner SPD-Oberbürgermeister Jürgen Roters noch mal einen rausgehauen: „Die Videospielebranche ist in der Mitte der Gesellschaft angekommen”.

Bäm!

Das war 2015. Seitdem kommt seiner parteilosen Nachfolgerin Henriette Reker die Aufgabe zu, jedes Jahr eingangs der Gamescom für „Europas Hauptstadt der Games“ zu trommeln. Nach Veranstalter-Zählung hat die Messe in der abgelaufenen Woche 335.000 Besucher angezogen, ein dezentes Plus gegenüber Vorjahr. Offiziell ist sogar von „500.000 Gamern“ die Rede, weil ungefragt arglose Passanten eingerechnet werden, die sich am Wochenende zwischen Friesen- und Rudolfplatz vor den Bühnen des ‚Gamescom City Festivals‘ verirrt haben.

Reker hat logischerweise ein vitales Interesse daran, dass Köln im Hochsommer aus allen Nähten platzt und dass die Gamescom brummt – als Vorsitzende des Koelnmesse-Aufsichtsrats, aber zuvorderst natürlich als Stadtoberhaupt.

Als kleines Willkommensgeschenk hat ihr kommunaler Elferrat zum 1. Juli 2024 die sogenannte Kulturförderabgabe auf Geschäftsreisende ausgeweitet, was an Hotel-Rezeptionen für hübsche Ihr-habt-sie-doch-nicht-mehr-Diskussionen gesorgt hat. Bislang waren beruflich veranlasste Aufenthalte nämlich von der 5-%-Steuer ausgenommen – seit Gamescom 2024 aufwärts nicht mehr.

Diese „Übernachtungssteuer“ hat Köln nicht exklusiv, aber der Zeitpunkt ist mit ganz viel Liebe ausgewählt. Wer 2023 ein Gamescom-2024-Gemach für 200 € gebucht hat, zahlt jetzt 10 € on top. Pro Nacht. Weil: Is‘ halt so. Im Großraum Köln gibt es fast 40.000 Hotelbetten, das läppert sich. Darauf ein dreifach donnerndes Alaaf!

Fröhlich am Freitag - die wöchentliche Kolumne bei GamesWirtschaft
Fröhlich am Freitag – die wöchentliche Kolumne bei GamesWirtschaft

Überhaupt nimmt die Kölner Hotellerie keine Gefangenen. Weil die Herbergen traditionell bestens geölte Drähte zu den städtischen Event-Locations unterhalten, war man in der Lage, schon Tage vor Start der Gamescom 2024 drastisch erhöhte Tarife für den Gamescom 2025-Zeitraum in den Buchungs-Systemen zu hinterlegen. Nur zur Sicherheit.

Der reinen Lehre nach würde man von Angebot und Nachfrage sprechen. Aber weil die Flut völlig zufällig und unabgesprochen alle Boote gleichzeitig hebt, ist die Formulierung „Abzocke“ mehr als angemessen – auch und gerade im Gamescom-Kontext. Zumal Zimmer-Kontingente vielfach gar nicht erst in den regulären Verkauf gehen, sondern tout de suite für Stammkunden geblockt werden – was das Angebot bei einsetzender Nachfrage noch weiter verknappt.

In der Kasse klüngelt’s. Das weckt Begehrlichkeiten in anderen Landesteilen. Weswegen Koelnmesse-Boss Böse auch in diesem Jahr Fragen beantworten musste, wie er derlei Begehrlichkeiten von Berlin und anderswo bewertet. Dem Kölner Stadtanzeiger diktierte er in den Block, er sehe keinen Grund, warum die Gamescom am Standort Köln in Frage gestellt werden sollte. Das Vertrauensverhältnis zum co-veranstaltenden Game-Verband sei intakt.

Wofür Einiges spricht. Verband und Messe arbeiten offiziell seit 2008 zusammen – der Gamescom-Vertrag wurde zuletzt im Jahr 2019 verlängert, dem Vernehmen nach (wenngleich nie bestätigt) um weitere fünf Jahre. Jetzt haben wir 2024. Was darauf schließen lässt, dass es zwischenzeitlich zumindest Gespräche, womöglich sogar Verhandlungen gegeben haben muss. Die beteiligten Partner wollen sich nicht dazu äußern. Auch bei der der jüngsten Pressekonferenz ließ sich das Koelnmesse-Management nicht aus der Reserve locken.

Fakt ist: Die Messegesellschaft und der Verband sind engmaschig mit- und ineinander in gemeinsamen Projekten verwoben. Etwa beim Export des Formats nach Brasilien (Gamescom Latam) und Singapur (Gamescom Asia). Oder bei der Gamescom LAN im April. Oder beim deutschen Gemeinschaftsstand auf der GDC in San Francisco. Oder oder oder.

Es erscheint kaum vorstellbar, wie sich diese Verflechtungen komplikationslos aufdröseln lassen. Dabei wäre Konkurrenz natürlich gut und würde das Geschäft beleben, sicher – aber diese Konkurrenz ist nirgends in Sicht.

„Wer kann Gamescom?“ fragte GamesWirtschaft, als Mitbewerber-Standorte schon mal sehr laut drüber nachdachten, dass sie das ja wohl auch hinbekämen. Wär doch gelacht. Ergebnis der Analyse, wer das ‚könnte‘: nicht so viele. Hinreichend Platz gäbe es maximal in Hannover und Frankfurt.

Beides ist unwahrscheinlich. Niedersachsen entfaltet unwesentlich mehr Videospiele-Glamour als ein Meter Feldweg. Anders Frankfurt: Nintendo, Sony, Bandai Namco, Bethesda, Crytek und andere ansässige Unternehmen müssten nirgendwo hin, sondern wären schon da. Mainhattan punktet außerdem mit Airport, Anbindung, Hotelkapazitäten, unter anderem. Gleichwohl fehlt es seit jeher an politischem Willen und substanziellem Rückhalt in der Region. Weder CDU-Ministerpräsident Boris Rhein noch sein rheinland-pfälzischer SPD-Kollege Schweitzer ließen sich in Köln blicken. Mehr als eine Indie Arena Booth-Beteiligung war für die hessische Games-Industrie nicht drin. Gude!

Und watt is mit Balin? Wirtschaftssenatorin Franziska Giffey kokettierte vor einem Jahr mit einem Gamescom-Umzug in die Hauptstadt. Diese Rufe sind leiser geworden. Irgendjemand muss ihr zwischenzeitlich vorgerechnet haben, dass das Gelände unterm Funkturm schon jetzt nicht ausreichen würde, um die Spiele-Messe in annähernd ähnlicher Größe zu bespielen wie Köln – zumal sich Gamescom und IFA (startet nächste Woche) zeitlich fast überlappen.

Das letzte Wort mit Blick auf den Gamescom-Standort hat ohnehin der Industrieverband Game, bei dem sämtliche Marken-Rechte liegen. Diese Schutzrechte gelten für ungefähr alles – angefangen von Veranstaltungen über Klamotten, Computerspiele, Schmuck und Kerzenhalter bis hin zu Sitzsäcken und Spazierstöcken.

Das ohnehin üppige thematische Spektrum wurde beim Deutschen Patent- und Markenamt sehr gezielt um weitere dieser ‚Nizza-Klassen‘ erweitert – jetzt inklusive Backmischungen, Müsliriegeln, Kartoffelchips, Nudelsalat sowie „nichtlebende Fische, Meeresfrüchte und Weichtiere“. Sollten Sie also demnächst Gamescom-Shrimps in Cocktailsauce im Tiefkühlregal entdecken: Sie wissen Bescheid.

Die Gamescom ist eben nicht nur für Köln und die Koelnmesse, sondern auch für den Verband von exorbitanter wirtschaftlicher Bedeutung. Zwar tragen die 500 Mitglieder mit ihren Gebühren siebenstellig zum Umsatz bei, aber damit alleine lässt sich keine 20köpfige Geschäftsstelle auslasten, die in der Mitte der Gesellschaft (in diesem Fall: Berlin-Mitte) angekommen ist. Nein, die Cash-Cow war und ist die Gamescom: Nach Steuern blieben knapp 3 Mio. € in der Vereinskasse übrig, wie das amtliche Lobbyregister verrät.

Ich würde daher Wetten eingehen: Solange es genügend Menschen gibt, die analoge Verbrauchermessen besuchen und freiwillig 34 € für eine zweistündige Trailer-Show oder 64 € für maximal sechs Stunden Aufenthalt am Gamescom-Mittwoch zahlen, solange bleibt die Gamescom in Köln-Deutz. Den einen reut’s – den andern freut’s.

Ein schönes Wochenende wünscht Ihnen

Petra Fröhlich
Chefredakteurin GamesWirtschaft


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5 Kommentare

  1. ‚Die Gamescom gehört zu Köln wie der Dom’… So wie das Völkerschlachtdenkmal zu Leipzig.

    Mit Verlaub, es haben sich auch schon andere Städte in Sicherheit gewiegt.

    • Das ist sicher richtig – never say never. Gleichwohl wurden zuletzt Grundlagen für mittel- bis langfristige Projekte gelegt (wie im Text geschildert) – das lässt sich schwerlich umtopfen.

  2. Mich würden Mal die internen Milestones interessieren: Welche Ziele haben die Kölnmesse und der Game-Verband für die Nach-Corona-Zeit vereinbart? Es wird schon einen Grund haben, warum man die Gamescom 2025 eine Woche vorverlegt und noch in die NRW-Ferien geschoben hat.

    Auch spannend zu wissen, wäre der Einnahmenanteil: Wie viel wird überhaupt durch Standmiete, Tickets, Werbung und Co anteilig eingenommen? Vielleicht ergibt sich dann ein Bild, ob die Kölnmesse überhaupt stark an einem Besucherzuwachs interessiert ist, oder lieber die Besucherzahlen gleich/ nur minimal erhöhen möchte und lieber Mehreinnahmen in anderen Bereichen erwirtschaften möchte.

    Denn sollte die Messe auf über 400.000 Besucher wachsen, sehe ich kaum eine Möglichkeit den Besucherstrom noch zufriedenstellend zu handhaben.

    Auch könnte ich mir vorstellen, dass viele Aussteller, die in 10.1 untergebracht sind, auf die Hallen 6 bis 9 schielen. Halle 10.1 hat durch die geringe Deckenhöhe und die Säulen mehr etwas von Parkhaus-Atmosphäre. Da im Vergleich zu 2019 aber nun auch in Halle 10.1 mehr Aussteller auf Licht und lebhaft inszenierte Stände setzen, sind sie eigentlich der Halle entwachsen … Und viel weitere Fläche (außer Halle 1, die sich mehr für Fachbesucher eignet; und Halle 8 wieder als Stand- statt Eventfläche) bietet sich kaum.

    Falls wirklich nach Frankfurt geschielt wird: Immer am letzten Augustwochenende findet das Museumsuferfest statt. Anzahl der Besucher dieses Jahr: eine Million. Hotels und Nahverkehr waren gut ausgelastet .Wenn also das Datum einer Gamescom in der VORletzen Augustwoche nächstes Jahr fruchtet, könnte Frankfurt doch wieder interessant werden …

    • Am End ewirds wie die deutsche Bahn: Ein Milliardengrab mit Gmescom-Frühstücksbecher, Gamescom-Unterwäsche und einer Show am Broadway. Ständig kurz vor der Insolvenz und quersubventioniert durch den Verband und Lizenzen

    • Die Gamescom 2024 war nicht ganz ausverkauft – am Mittwoch, Donnerstag und Sonntag war noch Luft, weshalb die Kapazitätsgrenze sicher jenseits von 350.000 liegt (also so wie früher). Eine Bestätigung wird man dafür nicht bekommen.

      Die ‚Vorverlegung‘ hat dem Vernehmen nach logistische Gründe mit Blick auf vorherige und nachfolgende Formate. Für den Auf- und Abbau muss man ja hinreichend Puffer einplanen.

      Und ja, viele „10er“-Aussteller wären lieber in der 6, 7, 9 gewesen – auch wegen der viel höheren Frequenz. Möglich, dass das Konzept der Event Arena (Halle 8) überdacht wird, um Platz zu schaffen. Die bislang ungenutzte Halle 1 böte sich als Option an (alle anderen Hallen sind zu niedrig bzgl. Bühnenaufbau).

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