Start Meinung Games-Förderung: Whatever it takes (Fröhlich am Freitag)

Games-Förderung: Whatever it takes (Fröhlich am Freitag)

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Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) bei seinem vorab aufgezeichneten Gamescom-Grußwort (Quelle: BMWK)
Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) bei seinem vorab aufgezeichneten Gamescom-Grußwort (Quelle: BMWK)

In den kommenden Tagen wird sich entscheiden, ob – und wenn ja: in welcher Höhe – Deutschlands Games-Branche auch 2023 mit Zuschüssen rechnen kann.

Verehrter GamesWirtschaft-Leser,
verehrte GamesWirtschaft-Leserin,

es ist jetzt ziemlich genau zehn Jahre her, da formulierte Mario Draghi als Chef der Europäischen Zentralbank folgenden, schon damals historischen Satz: Die EZB sei sowas von ready „to do whatever it takes to preserve the euro.“ Gefolgt von: „And believe me, it will be enough.”

Whatever it takes. Was immer nötig ist. Also der Vorläufer von „Die Spareinlagen sind sicher“, Corona-Hilfen-Bazooka und Heizkosten-Zuschuss-Doppelwumms.

Draghis Ansage war an die freidrehenden Finanzmärkte gerichtet, weil der Euro und mit ihm die halbe EU am Abgrund stand.

Der finanzpolitische Blankoscheck der Entschlossenheit verfehlte seine Wirkung nicht. Immerhin ging es um nicht weniger als die Wiederherstellung des Vertrauens in die Handlungsfähigkeit der Währungshüter.

Fröhlich am Freitag - die wöchentliche Kolumne bei GamesWirtschaft
Fröhlich am Freitag – die wöchentliche Kolumne bei GamesWirtschaft

Ein solches vertrauensbildendes Whatever it takes-Signal würde sich seit Montag auch Deutschlands Computerspiele-Branche wünschen. Denn die Kassen der Games-Förderung sind leer. Das Wirtschaftsministerium hat den Studios schon jetzt all das Geld zugesagt, das für ganz 2022 und 2023 eingeplant war – knapp 130 Millionen € für 400 Spiele. Das ist ungefähr die Hälfte dessen, was der Bund in Summe bis 2025 für Computerspiele-Zuschüsse in Aussicht gestellt hat.

Der Branche drohen nun 14 lange Monate grober Verunsicherung. Den deutschen Spiele-Entwicklern geht es also wie vielen Bürgern in Zeiten zweistelliger Inflationsraten: Am Ende des Geldes ist noch sehr viel Monat übrig.

Dem Industrieverband war diese Viertelmilliarde von vornherein nicht „enough“ – vielmehr hätte der Staat auf die ursprünglichen 50 Millionen linear 10 Millionen pro Jahr draufpacken sollen, um 2025 bei 100 Millionen € zu landen. In ihrem Koalitionsvertrag hat die Ampel hingegen nur eine „Verstetigung“, also Fortschreibung zugesagt – von zweistelligen Steigerungsraten ist nirgends die Rede.

Die seit Halloween durchs Land schwappende Empörung über den Antrags-Stopp könnte eventuell den Eindruck vermitteln, Teile der Branche und der Union (die das Förderprogramm ja eingeführt hat) hätten die Mechanik ihres eigenen Konzepts erst jetzt wirklich verstanden. Denn dass der Staat nur Geld auszahlt, solange Vorrat reicht, war seit Tag 1 part of the deal. Wenn weg, dann Pech.

Was wiederum erklärt, warum das Ministerium seinerseits die Aufregung bedingt nachvollziehen kann. Argument: In den vergangenen Wochen – also post-Gamescom – seien einfach viel mehr Anträge eingegangen als erwartet. Kurzum: Die Games-Förderung wurde Opfer ihres eigenen Erfolges.

Ein schwacher Trost. Denn etliche Studios – vom frisch gegründeten Zwei-Mann-Startup bis hin zu etablierten Mittelständlern – haben sich in den vergangenen Tagen bei mir gemeldet und ihre zuweilen dramatische Situation geschildert, vor der sie jetzt stehen (siehe dazu auch der Beitrag beim Kollegen Schott). Noch vor wenigen Tagen war der Zuschuss nämlich vielerorts schon in die Unterlagen für 2023 eingebacken und mit Banken, Investoren und Publishern abgestimmt – jetzt beträgt dieser Posten Null.

Für die betroffenen Studios kann (und wird!) das heißen: Budget und damit Qualität runterregeln, weniger Planstellen besetzen, die Entwicklungszeit strecken, den Produktionsbeginn und damit die Fertigstellung verschieben oder das Projekt ganz absagen. Nichts davon hilft dem Games-Standort.

Wer ein Herz hat, kann den Branchen-Frust über diese unerwartete Vollbremsung nachfühlen. Frag nach bei Häuslebauern, die ihr Eigenheim mit staatlichen Zuschüssen auf Kante nähen und dann plötzlich erfahren müssen, dass die KfW von heute auf morgen nix mehr zu verteilen hat.

Dabei galt Deutschlands Computerspiele-Förderung als ‚Meilenstein‘ oder ‚Erfolgsmodell‘ – zumindest bis Montag 17:59 Uhr. Seitdem wird die mühsam erkämpfte Konstruktion schon wieder offen in Frage gestellt. Einfach deshalb, weil es – wie gesehen – an Planbarkeit und Zuverlässigkeit mangelt. Unions-Politiker wie NRW-Staatskanzlei-Chef Liminski denken schon laut über Alternativen nach, etwa über ein nach oben offenes Whatever-it-takes-Steuerrabatt-Modell, wie es in anderen Ländern üblich ist.

Auch in Deutschland wurden solche Tax-break-Pläne gerechnet – allein: Um- und durchsetzbar waren sie halt nicht.

Am kommenden Donnerstag steht nun die Bereinigungssitzung im Haushaltsausschuss an. FDP-Chef-Haushälter Otto Fricke ließ sich am Mittwoch im Twitch-Talk des Branchenverbands nicht die Zuversicht abringen, dass schon noch alles gut werde.

Zwischen den Zeilen ließ er vielmehr durchblicken, dass die Zeit knapp werden könnte. Fricke hätte sich daher ein frühzeitigeres „Leute, die Kohle wird knapp“-Signal aus dem Wirtschaftsministerium gewünscht, damit mehr Luft gewesen wäre, um gröberes Unheil zu verhindern – stattdessen habe er vom Annahme-Stopp „aus der Zeitung erfahren“. Jetzt bleibt nur noch weniger als eine Woche bis zur entscheidenden Nacht-Sitzung.

Zumindest war der Finanzpolitiker sehr klar in der selten zu hörenden Einordnung, dass wir hier weiterhin von Subventionen reden. Also von Steuergeld, das nicht vom Himmel fällt und daher möglichst sinnstiftend eingesetzt werden will. Fricke erwartet demzufolge, dass Habeck liefert – und zwar einen Vorschlag, an welcher Stelle er in seinem Ressort zugunsten der Games-Förderung einsparen will.

Bei diesen Verteilungskämpfen kann man nur gutes Gelingen wünschen.

Zur Wahrheit gehört aber auch: Wer dem ‚Games-Minister‘ bei seinem Gamescom-Grußwort aufmerksam gelauscht hat, konnte schon vor zwei Monaten erfahren, dass “die Nachfrage nach weiteren Geldern, nach weiteren Spieleentwicklungs-Unterstützungsmaßnahmen dramatisch zunimmt.“ Und weiter: „Das heißt, es gibt einen Bedarf dafür. Und wir werden miteinander im Gespräch sein und bleiben, wie wir diesen Bedarf vernünftig kalibrieren – so dass wir, und ich hoffe, ich spreche auch für die Branche, die Sowieso-Mitnahme-Effekte möglichst verringern, aber das Kreativpotenzial für die Branche maximal heben.“

Entweder hat niemand hingehört oder kein Mensch sah sich veranlasst, die Signale ernst zu nehmen. Passiert ist nämlich offenbar – nix.

Und jetzt hammwer den Salat. Ich würde trotzdem vermuten, dass sich in den haushalterischen Sofaritzen vielleicht doch noch die eine oder andere Million wird finden lassen. Hinter den Kulissen werden jedenfalls jetzt nochmal alle Hebel in Bewegung gesetzt, um last-minute doch noch einen Nachschlag zu bekommen.

Egal wie. Whatever it takes.

Ein schönes Wochenende wünscht Ihnen

Petra Fröhlich
Chefredakteurin GamesWirtschaft

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6 Kommentare

  1. Ich finde den Schritt vollkommen in Ordnung! Auch wenn es anders hätte kommuniziert werden können, so stellt sich mir schon lange die Frage nach der Sinnhaftigkeit der Förderung. Was machen wir hier eigentlich genau, fördern wir tatsächlich Unternehmen um sich ein zukunftsfähiges Geschäft aufzubauen oder subventioniert der Staat aus den Abgaben vieler die Träume und Luftschlösser einzelner Individuen?

    Der Staat muss meiner Meinung nach endlich anfangen ein Investor zu sein anstatt wie Opa dem Enkel immer wieder Geld zuzustecken. Wenn es nicht passt und das Spiel am Ende eingestellt wird oder sich nicht verkauft, dann muss man auch sagen dürfen: Tut uns sehr leid aber aus diesem Grund sind wir raus. Außerdem muss eine Förderung zukünftig auch davon abhängig gemacht werden über welches Eigenkapital das Studio verfügt. Ein Ubisoft oder Gameloft schüttet jährlich hunderte Millionen Euro Gewinn an die Aktionäre aus aber bekommen trotzdem tausende Euro an Steuergeldern in den Rachen geschoben … wo ist da der Sinn einer Förderung?

    Spiele müssen in erster Linie Spaß machen, dann werden sie auch gekauft. Ich weiß nicht warum sich die Fachpresse immer wieder über ein Stray oder von mir aus auch Dorfromantik wundert, so MÜSSEN Spiele nun mal sein um Erfolg zu haben. Es reicht nicht wenn man ein halbherzig dahingeklatschtes Autobahnpolizei Simulator oder das 20ste Assassin’s Creed herausbringt und dann davon ausgeht, dass sich das schon irgendwie verkauft weil „Der Spieler kauft das schon“!

    Gamesstandort Deutschland hin oder her aber nicht auf meine Kosten!

  2. Man könnte als Spieleentwickler natürlich auch einfach Spiele entwickeln, die man anschließend verkaufen kann…

    • Guter Punkt.

      Vielleicht ist aber auch das Problem, dass man diese Spiele gar nicht erst entwickeln kann, wenn man nicht die notwendigen Mittel dafür aufbringen kann und dadurch auf eine Föderung angewiesen ist.

      • Man kann ohne Kapital auch kein anderes Geschäft aufbauen, es liegt nun mal in der Natur der Sache, dass man am Anfang erstmal investieren muss. Eine Möglichkeit wäre die Freizeit dafür zu nutzen um einen Prototypen zu bauen, mit dem man entweder beim Publisher oder auf einer Investitionsplattform die notwendigen Mittel auftreiben kann

    • Das wäre ja viel zu einfach. Dann müssten Studios anfangen echtes technisches know-how zu entwickeln anstatt nur mit einem Team aus pseudo Experten zu arbeiten. Das würde allerdings voraussetzen, dass man dem Personal mehr als nur 30.000 p.a. zahlt, denn Expertise möchte schließlich auch entsprechend entlohnt und nicht mit Floskeln wie „dafür sind wir halt indie“ abgespeist werden.

      Ich erwarte keine Utopiebezahlung wie es die SAE ganz gerne ihren Studenten eintrichtert aber die Gamesbranche ist nach wie vor weit davon entfernt den Durchschnittslohn anderer IT Industriezweige zu bieten. Auch wenn es nach Außen hin immer so scheint als würden wir den ganzen Tag nur zocken, so sind Spiele genau so hochkomplexe Softwareprodukte wie es auch ein SAP oder eine Bankensoftware ist. Genau wie eine Bank verwalten Game Studios Konten mit einem Wert digitaler Güter von mehreren tausend Euro

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