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Wirtschaftsministerium verteidigt Annahme-Stopp für Games-Fördermittel

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Make Games in Germany: Auftritt des Wirtschaftsministeriums auf der Gamescom 2022 (Foto: GamesWirtschaft)
Make Games in Germany: Auftritt des Wirtschaftsministeriums auf der Gamescom 2022 (Foto: GamesWirtschaft)

Das Wirtschaftsministerium probt den vorzeitigen Kohle-Ausstieg: Denn das Geld für die Games-Förderung ist aufgebraucht. Wie geht es jetzt weiter?

Just an dem Abend, als Vampire, Hexen und Zombies durch Deutschlands Gassen schlurften, sorgte Habecks Wirtschaftsministerium (BMWK) für einen Halloween-Schocker der besonderen Art. Denn am Montag um Punkt 18 Uhr platzte die Bombe, wonach die Mittel für die Games-Förderung des Bundes vorzeitig aufgebraucht sind – und zwar nicht nur für den Rest von 2022, sondern auch bereits für das gesamte Jahr 2023.

Die Antwort auf die Frage „Süßes oder Saures?“ lautet also Stand jetzt: „Weder noch“.

Großen wie kleinen Spiele-Studios des Landes bricht damit perspektivisch eine wesentliche Finanzierungssäule weg. Schließlich übernimmt der Bund bis zu 50 Prozent der Entwicklungskosten – ohne das eingesetzte Steuergeld zurück zu verlangen. Die Branche lockt im Gegenzug mit mehr Gründungen, mehr Jobs, mehr Investitionen und international wettbewerbsfähigeren Games aus heimischem Anbau.

Zuschüsse im Volumen von 129 Millionen € sind laut Ministerium bis Mitte Oktober bewilligt worden – jetzt legt der in voller Fahrt befindliche Subventions-Zug eine „Vollbremsung“ hin. Das Signal, das die Politik aussende, sei fatal, schäumt der Branchenverband. Fast wortgleich äußerte sich am Montag auch NRW-Staatskanzleichef Nathanael Liminski von der Union.

Wobei zunächst unklar blieb, an wen die Kritik eigentlich konkret gerichtet ist – wer also Schuld an der Misere hat. Und warum die Finanzierungslücke offenkundig alle Beteiligten so sehr überrascht hat.

Dabei ist das Lagebild eindeutig: Das eingeplante Budget ist schlichtweg komplett verteilt. Der im BMWK für die Games-Politik zuständige Parlamentarische Staatssekretär Michael Kellner (Grüne) schlussfolgert daraus auch messerscharf, dass es „zusätzliche Haushaltsmittel“ bräuchte, um das „überaus beliebte Programm zeitnah wieder zu öffnen.“

Es ist gerade mal zwei Monate her, da hatten Politik und Industrie im Rahmen der Kölner Gamescom intensiv für die Segnungen der Förderung geworben („Make Games in Germany!“). Wer diesem Werben folgte und buchstäblich mit staatlichen Zuschüssen kalkulierte, steht seit Montag 18 Uhr vorerst mit leeren Händen da.

Komplett in der Luft hängen nun insbesondere jene Spiele-Entwickler, die erst in den vergangenen Tagen oder Wochen ihre Unterlagen eingereicht haben. Denn Geld gibt es nur noch, solange Vorrat reicht. Was bedeuten kann, dass die gesamte Finanzierung des Projekts im Feuer steht – und in Folge schlimmstenfalls der Geschäftsbetrieb als solcher.

Doch wie kam es eigentlich zu besagter „Vollbremsung“?

Auf GamesWirtschaft-Anfrage teilt das BMWK mit, dass das Datum des Antrags-Stopps so gewählt worden sei, „dass unter Zugrundelegung eines im Durchschnitt zu erwartenden Antragseingangs noch genügend Mittel zur Verfügung gestanden hätten, um alle Anträge zu bedienen“.

In den letzten Tagen seien jedoch unerwartet viele Anträge gestellt worden, so dass nun geprüft werde, welche dieser Anträge überhaupt noch bewilligt werden können, und sei es nur teilweise. Der vom Bund eingesetzte Projektträger – das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) – werde sich kurzfristig mit den betroffenen Firmen ins Benehmen setzen.

Grundsätzlich gelte: Die Chancen für eine Bewilligung sind umso höher, je früher der Antrag gestellt wurde.

Da war die Förder-Welt noch in Ordnung: Gamescom-Eröffnung mit KoelnMesse-Chef Gerald Böse, Köln-OB Henriette Reker, Michael Kellner (BMWK), NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst, Game-Geschäftsführer Felix Falk, NRW-Staatskanzleichef Nathanael Liminski und Game-Vorstand Lars Janssen (Foto: GamesWirtschaft)
Da war die Förder-Welt noch in Ordnung: Gamescom-Eröffnung mit KoelnMesse-Chef Gerald Böse, Köln-OB Henriette Reker, Michael Kellner (BMWK), NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst, Game-Geschäftsführer Felix Falk, NRW-Staatskanzleichef Nathanael Liminski und Game-Vorstand Lars Janssen (Foto: GamesWirtschaft)

Das Wirtschaftsministerium wehrt sich heftig gegen die Kritik, es habe keine rechtzeitige Kommunikation oder Vorwarnung stattgefunden. Denn jede Antragstellung stehe grundsätzlich unter dem Vorbehalt ausreichender Haushaltsmittel. Auf diesen Vorbehalt werde in allen Förderprogrammen auch immer hingewiesen, weil es sich um einen „allgemeinen haushaltsrechtlichen Grundsatz“ handelt.

Weder gebe es einen Anspruch noch eine Garantie für eine Förderung – die Zuwendungen stünden immer unter dem Vorbehalt, dass erstens die Antragsvoraussetzungen erfüllt sind und dass zweitens ausreichende Finanzmittel zur Verfügung stehen.

Gegenüber dem Branchenverband Game und weiteren Akteuren der Branche sei „seit einiger Zeit und wiederholt darauf hingewiesen“ worden, dass die verfügbaren Töpfe endlich seien und dass bei fortgesetzt hohem Antragsaufkommen mit einem Antragsstopp gerechnet werden müsse.

Der Projektträger DLR, der die Anträge abschichtet, stünde zudem in „ständigem und engem Kontakt mit zahlreichen Unternehmen, die beabsichtigten, einen Antrag auf Computerspieleförderung zu stellen“. Im Zuge der Förderberatung sowie bei allen anderen individuellen Anfragen sei den Unternehmen grundsätzlich empfohlen worden, bei Projektreife umgehend einen Antrag zu stellen.

Diese Botschaft ist natürlich nur dann angekommen, wenn bereits ein Erstkontakt mit dem Games-Referat stattgefunden hat.

Wie geht es nun weiter?

Weil das Ministerium in der Saison 2023 absehbar mehr als 150 Einzelprojekte mit 80 Millionen € ausstatten wird, ist der buchhalterische Spielraum, der sich durch sogenannte Verpflichtungsermächtigungen ergibt, erschöpft. Das Ministerium kann und darf nicht mehr ausgeben, als ihm der Bundestag zuweist.

Vorübergehende Linderung kann es nur dann geben, wenn der Gesetzgeber Milde walten lässt und in Zeiten milliardenschwerer Hilfspakete weitere Mittel für den Videospiele-Sektor freischaufelt. Eine der voraussichtlich letzten realistischen Chancen bietet sich in der extralangen Nacht von Donnerstag auf Freitag kommender Woche, wenn die Bereinigungssitzung im Haushaltsausschuss ansteht. Ende November berät der Bundestag abschließend über den BMWK-Etat.

Doch selbst für den Fall, dass die Haushälter mit der einen oder anderen Million nachsteuern, wird sich bestenfalls der akute Bedarf decken lassen – zumal die für 2023 vorgesehenen, zusätzlichen Anträge ja noch gar nicht eingepreist sind.

Um wieder halbwegs vor die Lage zu kommen, bräuchte es schon einen Doppelwumms – wie ihn CDU-Politiker Liminski mit dem Vorschlag einer 100-Millionen-€-Aufstockung ins Spiel bringt. Um unkalkulierbare Antrags-Stopps zu verhindern und den Games-Unternehmen mehr Planbarkeit zu bieten, sollten außerdem analog zum Film steuerliche Anreizmodelle geprüft werden.

Doch das ist Zukunftsmusik. Nächster Halt: Bereinigungssitzung am 10. November.

1 Kommentar

  1. Sollte es eine Erhöhung der Fördermittel geben, wird diese ebenfalls in absehbarer Zeit verplant sein. Die Lösung wäre also tatsächlich eine dauerhafte Subventionierung.

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