Start Meinung Wahlkampf 2021: Champagner-Laune im Schlafwagen (Fröhlich am Freitag)

Wahlkampf 2021: Champagner-Laune im Schlafwagen (Fröhlich am Freitag)

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Bewerben sich fürs Kanzleramt: Annalena Baerbock (Bündnis 90 / Die Grünen), Olaf Scholz (SPD) und Armin Laschet (CDU) - Fotos: Bündnis 90/Die Grünen, SPD / Thomas Trutschel / Phototek, CDU / Laurence Chaperon
Bewerben sich fürs Kanzleramt: Annalena Baerbock (Bündnis 90 / Die Grünen), Olaf Scholz (SPD) und Armin Laschet (CDU) - Fotos: Bündnis 90/Die Grünen, SPD / Thomas Trutschel / Phototek, CDU / Laurence Chaperon

Nur noch sieben Wochen bis zur Bundestagswahl 2021 – und die Frage: Was erwartet Deutschlands Games-Industrie eigentlich von der künftigen Regierung?

Verehrte GamesWirtschaft-Leserin,
verehrter GamesWirtschaft-Leser,

„So langweilig war der Wahlkampf noch nie“ schlagzeilte der SPIEGEL in dieser Woche – gleichzeitig warnt Bayerns Ministerpräsident und Beinahe-Kanzlerkandidat Markus Söder (CSU) seinen Parteifreund Armin Laschet (CDU) vor einem „Schlafwagen-Wahlkampf“ – sollte dieser darauf hoffen, sich irgendwie ins Kanzleramt zuckeln zu können. Hier ein Überhangsmandat, dort ein knapp gescheiterter Direktkandidat, und schon ergeben sich andere Mehrheiten.

Gab’s alles schon. 2002 zum Beispiel, als Edmund Stoiber am Wahlabend seiner euphorisierten Truppe in Lothar-Matthäus-Manier zurief: „Der Abend ist noch lang. Und ich werde noch kein Glas Champagner öffnen.“ Zurecht: Am Ende landeten sowohl CDU/CSU als auch SPD bei exakt 38,5 Prozent – und Schröder blieb Kanzler. Mikroskopische 0,01 Prozent der Zweitstimmen machten den Unterschied.

Fröhlich am Freitag - die wöchentliche Kolumne bei GamesWirtschaft
Fröhlich am Freitag – die wöchentliche Kolumne bei GamesWirtschaft

Es gäbe also allen Grund, um jeden Wähler zu kämpfen, buchstäblich. Denn bei aller Rammdösigkeit im laufenden Wahl’kampf‘ ist es ja nicht so, dass es an Endgegnern mangeln würde: die Pandemie, das Klima, die Digitalisierung – und über allem die Frage, wie sich all das denn finanzieren ließe. Die Wahlprogramme liefern darauf bestenfalls vage Antworten, freilich auch deshalb, um die Anschlussfähigkeit an Koalitionsverträge zu wahren. Und deshalb wird es am Ende auf die Frage hinauslaufen: Wem trauen die Deutschen am ehesten die Führung des Landes zu – Unions-Armin, SPD-Olaf oder Grünen-Annalena?

Aus Sicht der deutschen Games-Industrie steht am 26. September 2021 weit weniger auf dem Spiel als noch 2017. Das wird sich sicher auch heute in drei Wochen besichtigen lassen, wenn sich in Berlin die Partei-Generalsekretäre und -Geschäftsführer zur Gamescom-Talkrunde Debatt(l)e Royale treffen – wie immer mit Ausnahme der AfD.

Die Prioritäten sind andere als vor vier Jahren. Damals auf Platz 1 im Forderungskatalog: die „Einführung einer systematischen Games-Förderung durch den Bund“. Wer ‚Förderung‘ sagt, meint meist ‚Subvention‘: 250.000.000 Euro – eine Viertelmilliarde Euro – werden die Steuerzahler den deutschen Videospiele-Entwicklern in den kommenden Jahren zur Verfügung stellen. Weltspitze, wir kommen! Fraglos ein gewaltiger Lobby-Erfolg.

Gleiches galt für den seinerzeit dringenden Wunsch nach einer Mittel-Aufstockung für den halbstaatlichen Deutschen Computerspielpreis: Die Unternehmen dürften „nicht über ihre Möglichkeiten hinaus finanziell belastet“ werden, schluchzte der Game-Vorläufer BIU im Namen bedürftiger Mitglieder wie Activision, EA, Sony, Ubisoft & Co. Im Ergebnis kommt mittlerweile wer für das Preisgeld auf? Bingo, der Steuerzahler.

Auch andere Themen wurden von der Groko abgeräumt, wenngleich nicht so, wie es sich die Branche gewünscht hätte – etwa die umstrittene Reform des Jugendmedienschutzes. Alle weiteren Anliegen fallen unter die Rubrik Wiedervorlage: mehr Fachkräfte, mehr Games in Schulen und der Scheuer’sche Running Gag namens „Flächendeckende Versorgung mit schnellem Internet“. Und weil es (fast) alle Parteien irgendwie wollen, wird sich schon noch irgendein künftiger Finanzminister erbarmen und den E-Sport auf die Liste gemeinnütziger und somit steuerlich absetzbarer Freizeitbeschäftigungen setzen.

Wir lernen: Theoretisch könnte die Branche tatsächlich mit großer Gelassenheit im Schlafwagenabteil abwarten, wer denn nun das Büro im 7. Stock des Kanzleramts bezieht.

Gibt’s Präferenzen? Offiziell natürlich nicht. Doch die größten Schnittmengen und engsten Drähte gäbe es fraglos mit CDU-Chef Laschet – allein deshalb, weil NRW seit jeher Gamescom-Land ist und weil er Games schon gut fand, bevor sie cool wurden. Sollte er tatsächlich Merkel nachfolgen, könnte ich mir daher gut vorstellen, dass in der Verbands-Zentrale das eine oder andere zusätzliche Glas Champagner geöffnet wird.

Ein schönes Wochenende wünscht Ihnen

Petra Fröhlich
Chefredakteurin GamesWirtschaft


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