Start Wirtschaft Marcinek: „Games-Branche ist sehr weltoffen und tolerant“

Marcinek: „Games-Branche ist sehr weltoffen und tolerant“

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Unternehmer Stefan Marcinek - hier als Moderator der GermanDevDays Awards 2020 (Foto: Assemble Entertainment)
Unternehmer Stefan Marcinek - hier als Moderator der GermanDevDays Awards 2020 (Foto: Assemble Entertainment)

In dieser Deutlichkeit haben sich bislang nur wenige positioniert: Stefan Marcinek über die Reaktionen auf seinen Offenen Brief.

„Wen ich nicht als Kund:in will“ – so lautetet die Überschrift eines vielbeachteten Statements, das Stefan Marcinek am Freitagvormittag über die Kanäle und Verteiler von Assemble Entertainment verbreitet hat. Der 2016 gegründete Publisher hat seinen Sitz in Wiesbaden und beschäftigt rund 25 Mitarbeiter. Kommerziell erfolgreichster Titel: das PC-Strategiespiel Endzone: A World Apart.

In seinem Text positioniert sich der Games-Unternehmer und Veranstalter gegen Kunden und Partner mit ausländerfeindlichen, rassistischen, homophoben und rechten Ressentiments. Wörtlich schreibt Marcinek: „Ich will dich nicht als Kund:in! Ich will dich nicht auf unseren Veranstaltungen bzw. Konferenzen sehen – weder als Besucher:in noch als Speaker:in! Ich will mit dir nichts zu tun haben!“

In diese Botschaft explizit eingeschlossen wissen will Marcinek auch Politiker und Sympathisanten der AfD. Mit dieser Haltung liegt er auf Linie des Branchenverbands Game, dessen Vorstand er seit 2018 angehört. Dort gilt die Maßgabe: „Auch wenn die AfD vereinzelt Positionen vertritt, die Forderungen des Game entsprechen, steht die Partei in Gänze unseren Werten und Zielen als Games-Branche entgegen. Daher verschaffen wir diesen keine Öffentlichkeit und laden Funktionsträger nicht zu unseren Veranstaltungen ein.“ Dies betrifft zum Beispiel die Polit-Talkrunde Debatt(l)e Royale im Rahmen der Gamescom.

Der Offene Brief hat es bis zum Forbes-Bericht gebracht und in den Sozialen Medien großen Zuspruch erfahren, aber erwartungsgemäß auch Gegenreaktionen hervorgerufen. Gegenüber GamesWirtschaft beschreibt Marcinek, was in den vergangenen 72 Stunden passiert ist.

Marcinek: „Auch ich mache Fehler, versuche aber jeden Tag dazuzulernen und konsequent zu sein.“

GamesWirtschaft: Wer dein Statement liest, hat den Eindruck: Das ist ein Thema, das dich seit längerem bewegt. Was hat den Ausschlag gegeben zu sagen: ‚Damit gehe ich an die Öffentlichkeit – und zwar jetzt‚?

Marcinek: Das ist tatsächlich ein Statement, dass ich schon vor einiger Zeit schreiben wollte. Angefangen mit der Veröffentlichung von Leisure Suit Larry – Wet Dreams Don’t Dry und den damit teils sehr negativen und heftigen Reaktionen, dass wir einen schwulen Charakter im Spiel haben. Das war schon ziemlich ätzend. Dann ging das Ganze weiter mit der Veröffentlichung von Endzone. Hier wird das Intro von einem Kind gesprochen. Im Englischen klingt sie sehr nach Greta Thunberg. Und was da für Kommentare losgelassen wurden, war oft unter aller Sau und widerlich.

Bei beiden Spielen, und generell, sind wir hart dagegen vorgegangen und ich schreibe auch selber ab und zu Antworten auf solche Kommentare.

Die grundsätzliche Haltung ist daher nicht neu und wir sind da schon immer sehr konsequent. Aber letztendlich, und man schiebt Sachen ja gerne mal vor sich her oder verliert sie mit der Zeit immer mal wieder aus dem Auge, habe ich mich dann hingesetzt und das in einem Rutsch heruntergeschrieben.

Aus der Games-Industrie gab es erwartbar positiven, teils euphorischen Zuspruch für dein Statement. Hast du auch Verwunderung oder Unverständnis für diesen Schritt wahrgenommen? Wie fielen die Reaktionen von Kunden aus? Gab es insbesondere Feedback aus dem AfD-Lager, das du in deinem Offenen Brief ja explizit ansprichst?

Dass das Feedback aus der Games-Branche positiv ausfallen würde, war klar – alles andere hätte mich wirklich sehr verwundert. Auch wenn es statistisch gesehen auch in unserer Branche genügend Personen geben müsste, die es negativ sehen, sich dann aber nicht trauen, dies auch öffentlich zu schreiben. Was ich im Übrigen auch negativ sehe, denn sich kritisch, offen und ehrlich mit anderen auszutauschen, zu diskutieren, zu streiten und eine andere Meinung zu haben, gehört dazu.

Anders sieht es generell bei Kommentaren auf Seiten aus, die das Statement gebracht haben. Hier muss man sicherlich unterscheiden, ob das generell die Kundschaft (oder unsere Kundschaft ist) oder einfach nur Idiot:innen. Hier waren die Kommentare zu 95+ Prozent negativ – zumindest, was ich gelesen habe. Und wie zu erwarten, war es auch oft heftig unter der Gürtellinie. Aber damit muss man klarkommen. Passt schon. Darauf einzugehen, mit diesen Leuten versuchen zu diskutieren, macht sowieso keinen Sinn und ist verschwendete Lebenszeit. Aus dem AfD-Lager kam eigentlich kaum was. Aber selbst wenn, wen interessiert es?

Die Branche ist regelmäßig in den Schlagzeilen, sobald Unternehmen dem eigenen Credo mit Blick auf Respekt und Gleichbehandlung nicht gerecht werden – zuletzt im Falle von Ubisoft und Activision Blizzard. Du kennst die Branche seit Jahrzehnten und hast als Game-Vorstandsmitglied einen guten Ein- und Überblick. Wie bewertest du den Status Quo bei Studios und Publishern? Ist das Videospiele-Gewerbe in der Praxis so bunt, divers und tolerant, wie es sich selbst sieht?

Ich bin fest davon überzeugt, dass die Games-Branche sehr weltoffen und tolerant ist. Aber wie in jeder Branche, in jeder Gesellschaft, gibt es auch bei uns schwarze Schafe. Und wenn die besonders schlimmen Sachen ans Licht kommen, Sachen, die schon über Jahre – wenn man mal davon ausgeht, dass das alles so stimmt, wie berichtet – so laufen, da fragt man sich doch, wie das sein kann.

Natürlich kann man sich als CEO ab einem gewissen Punkt nicht mehr um alles selbst kümmern. Firmen und Strukturen wachsen. Aber als Verantwortlicher, als Verantwortliche muss ich sicherstellen, dass die Chance, dass so etwas passiert, sehr gering ist. Das ich mir genau anschaue, wer ist für was verantwortlich, was sind das für Menschen, denen ich vertraue andere zu leiten, welche Kontrollgremien gibt es. Und wenn dann doch etwas passiert, muss ich sofort entschieden eingreifen.

Nun ist es eine Sache, sich zu #TeamDiversity zu bekennen oder Firmenlogos in Regenbogenfarben einzufärben – aber eine ganz andere, diese Ansprüche im Alltag zu leben. Würdest du dir wünschen, dass sich auch andere Unternehmen und Unternehmer stärker öffentlich positionieren – in Richtung von Belegschaft und Kunden?

Ich bin da grundsätzlich immer vorsichtig, denn ich kann nur von meiner eigenen Firma und mir sprechen und so wie ich meine Firma führe. Und auch ich mache Fehler, tapse auch mal ins Fettnäpfchen, versuche aber jeden Tag dazuzulernen und konsequent zu sein.

Und man muss auch sagen, dass ich es mit einer kleinen Firma, die mir alleine gehört, sicherlich einfacher habe als große Unternehmen oder Konzerne. Aber man sieht in der Branche schon sehr deutlich, dass schon viel getan und verbessert wurde. Letztendlich darf man nur nie damit aufhören.