Start Meinung Meister der Herzen (Fröhlich am Freitag)

Meister der Herzen (Fröhlich am Freitag)

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Anders als im Profi-Sport gehen deutsche Games-Entwickler häufig leer aus - aus Gründen (Foto: Fröhlich)
Anders als im Profi-Sport gehen deutsche Games-Entwickler häufig leer aus - aus Gründen (Foto: Fröhlich)

In dieser Woche fragen wir uns: Warum fällt die öffentliche Wertschätzung gegenüber den Leistungen deutscher Games-Studios vergleichsweise gering aus?

Verehrte GamesWirtschaft-Leser,

ich weiß ja nicht, wie Ihre Motivation dereinst bei den Bundesjugendspielen ausfiel. Für mich kann ich sagen: gering. Denn mein Talent und mein Ehrgeiz in Sehnsuchts-Disziplinen wie Weitsprung reichten bestenfalls für eine „Teilnahmeurkunde“. Motto: ‚Versuch war’s wert‘. Nichts, was man sich an die Wand dengelt.

Die Sportskanonen sicherten sich hingegen die begehrte Ehrenurkunde inklusive geprägtem Bundesadler und einer vorgedruckten Unterschrift des amtierenden Bundespräsidenten. Also gefühlt kurz vor Bundesverdienstkreuz wegen besonderer Leistungen im Kugelweitwurf.

Schon den Jüngsten wird damit eingeimpft, dass sich im Sport ungefähr alles über Titel, Medaillen, Pokale und Torjägerkanonen definiert. Honorige Mittelständler wie der FC Bayern München ordnen dieser Maxime alles unter – dann sind auch Ausflüge ins lupenrein demokratische Emirat Katar inmitten der Pandemie möglich, um eine weitere Vitrine in der „FC Bayern World“ zu bestücken.

Fröhlich am Freitag - die wöchentliche Kolumne bei GamesWirtschaft
Fröhlich am Freitag – die wöchentliche Kolumne bei GamesWirtschaft

Auch in der Welt der Computerspiele wird die öffentliche Anerkennung und Produktqualität an Auszeichnungen festgemacht – The Game Awards, Gamescom Award, Computerspielpreis, Entwicklerpreis, der britische BAFTA, um nur einige zu nennen.

In 9 von 10 Fällen werden Vollpreis-Produkte für PC und Konsole ausgezeichnet, also ein The Last of Us 2, ein ANNO 1800, ein Red Dead Redemption 2, ein Cyberpunk 2077. Denn hier lassen sich handwerkliche Leistungen am einfachsten erkennen und durchdeklinieren: Wie gut ist die Geschichte, was taugen die Figuren, wie überwältigend ist die Spielwelt?

Der Haken: Die deutsche Games-Industrie ist aus historischen Gründen überwiegend darin gut, Online-, Browser- und Mobile-Games zu produzieren und zu pflegen, teils über Jahrzehnte hinweg. Doch Free2Play-Spiele kommen in der Lebenswirklichkeit von Fachpresse, Fachjurys, Fachpublikum so gut wie gar nicht vor – und auch staatliche Förder-Einrichtungen tun sich erkennbar schwer damit, weil diese Games eben nie wirklich ‚fertig‘ sind, anders als etwa ein Kino-Film oder eine TV-Serie.

Mit der Folge, dass die Produkte unserer europäischen Nachbarn aus Polen (This War of Mine, The Witcher 3), Finnland (Control, Returnal), Frankreich (Life Is Strange, Detroit: Become Human), Dänemark (Hitman), den Niederlanden (Horizon) oder Schweden (Battlefield, The Division) ungleich größere Aufmerksamkeit und Wertschätzung im In- und Ausland erfahren als das, was in Karlsruhe, Berlin, Köln oder Hamburg geleistet wird.

Dabei ist dies aller Ehren wert. In dieser Woche wurde beispielsweise bekannt, dass Deutschlands größter Spiele-Entwickler – InnoGames aus Hamburg – mit 220 Millionen Euro einen abermaligen Umsatz-Rekord eingefahren hat. Zum Vergleich: Polens Platzhirsch CD Projekt nahm 2019 rund 115 Millionen Euro ein, zugegebenermaßen vor der Cyberpunk 2077-Saison 2020. Wenn Bayerns Digitalministerin Judith Gerlach (CSU) vor ein paar Tagen davon sprach, dass Polen in Sachen Games „a bit ahead of us“ sei, dann gilt das vor allem für den PC- und Konsolen-Sektor, wo tatsächlich erheblicher Nachholbedarf besteht.

Immerhin zeigt das anhaltende Interesse internationaler Investoren an deutschen Studios aber auch, dass es abseits von gut gefüllten Vitrinen auch noch andere erstrebenswerte Kennzahlen gibt: treue Communities, seriöse Margen, nachgefragte Produkte, überwiegend sicheres Auskommen, geregelte Arbeitszeiten bei vertretbarem Crunch-Anteil. Auch wenn das im Einzelfall bis auf Weiteres (noch) nicht für eine Ehrenurkunde bei den The Game Awards reicht.

Ein schönes Wochenende wünscht Ihnen

Petra Fröhlich
Chefredakteurin GamesWirtschaft


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