Kinder haben im Corona-Lockdown öfter und länger an Konsole und Smartphone gespielt, sagt eine neue Studie. Was fangen wir mit dieser bahnbrechenden Erkenntnis an?
Verehrte Leserinnen und Leser,
„Ja, womit denn sonst?“
So lautete mein erster Gedanke, als am Dienstagabend die Meldung über die Ticker lief, Deutschlands Kinder hätten während des Lockdown-Aprils signifikant mehr Zeit mit Computer- und Smartphone-Spielen zugebracht als ein halbes Jahr zuvor.
Signifikant heißt: werktags plus 75 Prozent, im Schnitt fast zweieinhalb Stunden – täglich.
Das hat eine vermutlich nicht völlig günstige Studie im Auftrag der DAK herausgefunden. 700.000 Kinder weisen demnach ein „riskantes“ oder „pathologisches“ Spielverhalten auf – und das allein deshalb, weil sie während der XXL-Osterferien (!) Zerstreuung suchten und „Mensch ärgere dich nicht“ schon im März durchgespielt hatten.
Offen gestanden hätte ich mir ernsthafte Sorgen um die deutsche Jugend gemacht, wenn der Bildschirm-Konsum in dieser Phase unverändert geblieben wäre.
Jedenfalls fielen die Reaktionen erwartbar aus, nämlich so wie immer:
- Die Krankenkasse, die im Frühjahr 2019 bereits den „Risiko-Gamer“ erfunden hat, nennt die Ergebnisse „alarmierend“ und warnt gemeinsam mit Wissenschaftlern und Kinderärzten vor einer corona-eskortierten Ausweitung der Computerspielsucht.
- Die Drogenbeauftragte will das digitale Teufelszeug auf gar keinen Fall verteufeln, leitet aus den Zahlen aber trotzdem dringenden Handlungsbedarf ab – und bestellt erstmal frische Info-Flyer nach.
- Die Spiele-Industrie lässt zwei Sekunden nach der DAK-Pressekonferenz ausrichten, dass sich gerade in der Coronakrise die positiven Eigenschaften von Games gezeigt hätten. Ein ungesundes „Zuviel“ ist aus Verbandssicht ohnehin nicht vorgesehen. Motto: Bitte gehen Sie weiter, hier gibt es nichts zu sehen.
Klar: Dass da gefühlt gerade eine ganze Generation in die Smartphone-Spielsucht abdriftet, ist nicht gerade die Botschaft, die man als Branche wenige Wochen vor der Eröffnung der Gamescom zwingend gebrauchen kann.
Noch dazu, weil der Bundes-Spielebeauftragte Scheuer ja bei diesem feierlichen Anlass verkünden wird, dass er wild entschlossen ist, in den kommenden Monaten sehr, sehr viel Geld für sehr, sehr viele neue Produkte und Dienstleistungen auszugeben, die sich im Lockdown-Ausnahmezustand als Fluch (Krankenkasse) beziehungsweise Segen (Verband) herauskristallisiert haben – nämlich Computerspiele.
Auf Außenstehende muss das wirken, als wolle die Bundesregierung dem übermäßigen Alkoholkonsum von Jugendlichen mit einem Förderprogramm für Brauereien und Destillerien entgegenwirken.
Aber wenn jemand diesen Sowohl-als-auch-Spagat intellektuell verargumentiert kriegt, dann der Verkehrsminister – wer denn sonst?
Ein schönes Wochenende wünscht Ihnen
Petra Fröhlich
Chefredakteurin GamesWirtschaft
Immer freitags, immer kostenlos: Jetzt GamesWirtschaft-Newsletter abonnieren!