Start Meinung Fröhlich am Freitag 48/2019: Das große Unboxing der Gamescom

Fröhlich am Freitag 48/2019: Das große Unboxing der Gamescom

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Gamescom-Aussteller wie Samsung verteilen Gratis-Papp-Sitzhocker ans Publikum (Foto: Samsung Deutschland)
Gamescom-Aussteller wie Samsung verteilen Gratis-Papp-Sitzhocker ans Publikum (Foto: Samsung Deutschland)

Locker vom Hocker aus den Gamescom-Tag verbringen? Das geht 2020 nicht mehr. Gratis-Papp-Sitzhocker sind künftig untersagt – nur eine Marginalie?

Verehrte GamesWirtschaft-Leser,

als ich am diesjährigen Gamescom-Dienstag nach Dienstschluss Richtung Ausgang lief, fiel mir hinter dem Samsung-Stand in Halle 9 ein Rudel studentischer Hilfskräfte auf, das sich vor riesigen Paletten mit flachen Papp-Kartons versammelt hatte. Geduldig falteten die jungen Leute daraus einen Karton-Sitzhocker nach dem anderen und stapelten die mobilen Sitzmöbel hinter dem Messestand zu hohen Türmen.

Wer tags darauf durch die Entertainment Area stromerte, entdeckte die gratis verteilten Samsung-Hocker in unzähligen Warteschlangen wieder. Gleich mehrere Großaussteller wie Vodafone und Wargaming haben solche „Sitboxen“ im Einsatz, teils seit mehreren Jahren.

Ab der Gamescom 2020 hat dieses gleichermaßen smarte wie nützliche Guerilla-Marketing-Tool ausgedient: Die in dieser Woche kommunizierten Teilnahmebedingungen untersagen die Ausgabe kostenloser Papp-Hocker – aus „Sicherheitsgründen“. Unklar bleibt, wessen Sicherheit damit gemeint ist.

Fröhlich am Freitag - die wöchentliche Kolumne bei GamesWirtschaft
Fröhlich am Freitag – die wöchentliche Kolumne bei GamesWirtschaft

Um aus dem Nähkästchen zu plaudern: Keine Meldung wurde im Monat November öfter aufgerufen als das Papp-Hocker-Aus. Gleichzeitig war in Telefonaten, Gesprächen und in Social-Media-Kommentaren nicht zu überhören und zu überlesen, wie absurd vielen Lesern dieses First-World-Problem vorkommt.

Papp-Hocker? Really? Haben wir denn keine anderen, ‚wichtigeren‘ Themen?

Doch, natürlich. Jede Menge.

Die vermeintliche Petitesse lässt sich aber nur dann gering- oder unterschätzen, wenn man die Gamescom-Woche überwiegend als Veranstalter, Aussteller, Fachbesucher oder Medienvertreter Espresso-schlürfend und Mürbegebäck-mümmelnd in der Business Area zubringt – und den Endverbraucher-Bereich, also die Hallen 5 bis 10, spätestens ab Dienstag-Mittag meidet, wenn „die Massen“ aufs Gelände strömen.

Gleiches gilt für das ähnlich trivial anmutende Thema Schulferien: 2020 findet die Gamescom zum ersten Mal in ihrer dann zwölfjährigen Geschichte außerhalb der NRW-Ferien statt. Aus Sicht von Verband und Messegesellschaft ist das zumindest offiziell ein Nicht-Problem. Das mag zutreffen, wenn man weder minderjährig noch schulpflichtig noch in Ausbildung ist. Mehr als jeder dritte Privatbesucher ist U20 – was für die Messe-Woche bedeutet: X-Achsen statt Xboxen.

Hinzu kommt: Mit einer Gamescom in Nicht-Ferienzeiten gibt es in Köln exakt null Erfahrung. Was gedanklich schon mal eine Kerze im Dom anzünden lässt, dass die Veranstalter auf das zu erwartende ÖPNV-/Berufs-/Schulverkehr-Szenario inklusive aller Risiken und Nebenwirkungen bestmöglich vorbereitet sind.

Zuweilen würde ich mir wünschen, dass wir öfter in die Mokassins Betroffener schlüpfen, wie es ein indianisches Sprichwort empfiehlt – also gleichsam die Kundenbrille aufzusetzen. Spätestens dann würde auffallen, dass mehrstündiges Anstehen an Messeständen nicht von Pappe ist.

Ein schönes Wochenende wünscht Ihnen

Petra Fröhlich
Chefredakteurin GamesWirtschaft


Alle Folgen dieser Kolumnen-Reihe finden Sie in der Rubrik Meinung.