Start Meinung Fröhlich am Freitag 43/2019: Ministerium für Digital-Gedöns und Gamerszene

Fröhlich am Freitag 43/2019: Ministerium für Digital-Gedöns und Gamerszene

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Das Bundesministerium für Verkehr und Digitale Infrastruktur (BMVI) ist auch für die deutsche Computerspielbranche zuständig (Foto: GamesWirtschaft)
Das Bundesministerium für Verkehr und Digitale Infrastruktur (BMVI) ist auch für die deutsche Computerspielbranche zuständig (Foto: GamesWirtschaft)

Die jüngsten Entwicklungen im Endlos-Drama um die Games-Förderung belegen abermals: Deutschland braucht endlich ein „richtiges“ Digitalministerium.

Verehrte GamesWirtschaft-Leser,

„Ende der Förderung von Computerspielen: Spieleentwickler sollen auf 50 Millionen pro Jahr verzichten“

Kaum war diese Meldung des Berliner Tagesspiegels am gestrigen Donnerstag auf dem Markt, setzte der Industrieverband alle Hebel in Bewegung, um den Eindruck einzufangen, dass die Sache schon gelaufen sei. Die Tagesspiegel-Journalisten hätten da vielmehr einen uralten Hut ausgegraben – am Status Quo habe sich doch gar nichts geändert.

Und dieser Status Quo lautet: Es werde weiterhin hart darum gerungen, dass Deutschlands Spiele-Entwickler auch im kommenden Jahr Subventionen im mittleren zweistelligen Millionen-Bereich bekommen. Aller Fokus gelte daher wie gehabt dem 14. November – dem Tag, an dem der Haushaltsausschuss des Bundestags final zusammentritt, um das Budget für 2020 zu „bereinigen“. Judgement Day. All In. Alles oder nichts.

Und warum jetzt die Aufregung?

Der Tagesspiegel hatte eine röstfrische Auskunft des Verkehrsministeriums (BMVI) an den Grünen-Abgeordneten Kindler zitiert, datiert vom Dienstag dieser Woche. Darin räumt Scheuers Ministerium erstmals ein, dass die Games-Förderung 2020 deshalb fehlt, weil die Mittel im Haushalt 2019 einmaliger Natur gewesen seien. Wenn man die vorherigen Verlautbarungen kennt (und ich bilde mir ein, alle zu kennen), dann ist diese Darstellung tatsächlich eines: neu.

Fröhlich am Freitag - die wöchentliche Kolumne bei GamesWirtschaft
Fröhlich am Freitag – die wöchentliche Kolumne bei GamesWirtschaft

Was insofern ein kleines bisschen irre ist, weil in Pressemitteilungen, Grußreden und nicht zuletzt im Koalitionsvertrag der Groko unisono von der „Einführung“ einer solchen Förderung die Rede ist. Nicht von einem einmaligen Probealarm.

Es wäre also Scheuers Job gewesen, diese Einführung seriös zu budgetieren. Doch diese klare Aufgabenstellung hat den Verkehrsminister nicht davon abgehalten, das Geld nach nur einem Jahr aus seinem Etat zu streichen. Komplett. Vorsätzlich. Trotzdem hielt das BMVI auch gestern an der bekannten Formulierung fest, man wolle sich weiterhin mit aller Kraft für diese Förderung „stark machen“. Die Argumentation erinnert an einen Unfallverursacher, der erst vom Unfallort flüchtet – und dann erwartet, dass sich andere um die Schadensregulierung kümmern, in diesem Fall das Parlament.

Dafür braucht es schon eine gehörige Portion Chuzpe.

Scheuers Dilemma: Sollte die Games-Förderung tatsächlich gegen die Wand fahren, wie es der Tagesspiegel suggeriert, müsste man von einem spektakulären Fall von Steuergeld-Verschwendung sprechen. Für diese betrübliche Entwicklung trüge der CSU-Politiker erst recht die volle Verantwortung. Denn die bereits angelaufene Verteilung von zig Millionen Euro an 380 Klein- und Kleinstprojekte nach dem Gießkannen-Prinzip wird der Markt vermutlich noch nicht mal spüren.

Der entscheidende Hebel für Jobs, Investitionen und Marktanteile sind ja die Großprojekte, für die bislang weder Geld noch EU-Genehmigung existieren. Nach Berechnungen des Branchenverbands müssten die Zuschüsse in den kommenden fünf Jahren sogar auf bis zu 100 Millionen Euro ansteigen. Pro Jahr, wohlgemerkt.

Gelegenheit zur Schadensregulierung wäre bei der gestrigen Sitzung des Haushaltsausschusses gewesen: Den Antrag der Grünen für ein 50-Millionen-Euro-Wohlfühlpaket haben Union und SPD routiniert abgelehnt. Also genau das, wofür sich alle drei Regierungsparteien ja nach eigener Aussage dringend einsetzen wollen. So absurd es klingt: Dieses Prozedere gehört zur politischen Folklore. Welche Koalition will sich schon von der Opposition vorführen lassen? Und wenn die Groko der Branche am 14. November doch noch Gutes angedeihen lässt, dann will sie dafür nach all dem Ärger natürlich auch die Credits haben.


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Am Ende einer turbulenten Woche bleibt die Erkenntnis: Selten zuvor hat man sich mehr nach einem dedizierten Digitalministerium gesehnt. Ein Ministerium, das sich nicht im Nebenberuf mit Schleusen, Fahrgastrechten, Tunnelsanierung und Untersuchungsausschüssen herumschlagen muss. Sondern mit hinreichend Personal, Budget, Sachverstand und Entschlossenheit ausgestattet ist, um Breitbandversorgung, Mobilfunk und Digitalpolitik im Land effizient zu gestalten – inklusive Computerspielen.

Ein echtes Querschnitts-Ressort, analog zu Justiz, Verbraucherschutz und Umwelt. Das wär was.

Leider hat der Bundestag am vergangenen Freitag gegen ein solches Ministerium gestimmt. Fraktionsübergreifender Tenor: Hammwer doch schon – schließlich ist jedes Ministerium schon jetzt irgendwie eine Art Digitalministerium.

Da war er wieder, der uralte Hut.

Ein schönes Wochenende wünscht Ihnen

Petra Fröhlich
Chefredakteurin GamesWirtschaft


Alle Folgen dieser Kolumnen-Reihe finden Sie in der Rubrik „Meinung“