Nach der Gamescom ist vor der Gamevasion: Freaks4U Gaming-Chef Michael Haenisch über Saudi-Arabien, den E-Sport-Winter und den nahen Frühling.
Hinter Michael Haenisch und seinem Team liegen anstrengende Monate – und vermutlich noch anstrengendere vor ihm. Denn wie gestern bekannt wurde, steigt Anfang Dezember die Gamevasion powered by Dreamhack auf dem Messegelände in Hannover.
Das viertägige Games- und E-Sport-Festival löst die DreamHack Hannover ab und will mit starkem Community-Einschlag punkten: Cosplay, Tabletop, LAN-Party, Expo und natürlich viel E-Sport. Die Freaks 4U Gaming GmbH schafft somit jetzt die Grundlage für die Zeit nach 2024, wenn die DreamHack-Lizenz ausläuft.
Dass eine Veranstaltung solchen Kalibers mit einem Vorlauf von nur drei Monaten angekündigt wird, ist ungewöhnlich. Doch die Vorbereitungen laufen natürlich schon seit geraumer Zeit – die Gespräche mit Sponsoren und Partnern seien vielversprechend.
Das Achterbahn-Jahr 2024 könnte somit mit einer vorgezogenen Bescherung für die Spandauer E-Sport- und Gaming-Agentur enden, die im Auftrag ihrer Kunden konzipiert, kommuniziert und produziert. Denn auf die personellen Einschnitte im November 2023 folgte im Juni die Meldung, dass sich das Unternehmen erneut von Beschäftigen trennen muss. Mit aktuell 110 Angestellten zählt die Firma weiterhin zu den großen Playern der Branche.
Haenisch macht keinen Hehl daraus, was das auch mit ihm als Unternehmer macht, der die Firma ab 2002 aufgebaut hat: „Freaks 4U Gaming ist immer nur gewachsen, musste sich mit Lay-Offs nie beschäftigen. Jetzt gibt es Lerneffekte, die für uns nach über zwei Jahrzehnten tatsächlich neu sind: Wie kommunizieren wir solche Ereignisse intern und extern? Wie können wir unsere Kolleginnen und Kollegen unterstützen und auf die individuelle Situation eingehen? Braucht jemand einen Coach? Vielleicht einen Sprachkurs? Oder erstmal eine Auszeit?“
Er wolle es nicht überhöhen, aber: „Wir geben uns Mühe, den Prozess so wertschätzend und transparent wie möglich zu gestalten.“
Der Grund für den alternativlosen Stellenbau: Der Markt habe sich durch den E-Sport-Winter verändert. Damit gemeint ist der Umstand, dass die Branche durch harte Jahre gegangen ist. Die Pandemie hat zunächst Events und Turniere verunmöglicht, direkt danach folgte der Angriffskrieg auf die Ukraine samt Energiepreis-Schock und Konjunktur-Eintrübung, die für den Rückzug von Sponsoren, Marken und Spieleherstellern sorgte, trotz stark gestiegener Spieler- und Zuschauerzahlen.
Freaks 4U hat daraufhin das Sortiment ausgedünnt, weil Werbung und Sponsoren-Abhängigkeit keine nachhaltige Refinanzierung zuließen – etablierte Formate und Plattformen wie Summoner’s Inn oder die ESL-Meisterschaft wurden eingestellt, 99Damage pausiert bis Jahresende.
Und der Winter ist noch nicht vorbei, mahnt Haenisch: „Man kann nur hoffen, dass die Talsohle erreicht ist.“
Freaks 4U-Chef Haenisch: „Aktuell gibt es keine Publisher, die signifikant in Preisgelder und Turniere investieren.“
Dass es nicht noch schlimmer gekommen ist, liegt – ausgerechnet – an Saudi-Arabien. Das Königreich am Golf dient nicht nur als fußballerische Seniorenresidenz für Ronaldo, Neymar & C., sondern pumpt auch Milliarden in E-Sport und Games samt der dazugehörigen Infrastruktur. Die Übernahme von ESL Faceit, die erstmalige Ausrichtung des Esports World Cup und der IOC.Zuschlag für Olympia-E-Sport auf Sicht von zwölf Jahren machen den Wüstenstaat zum Quasi-Monopolisten – sehr zum Kummer von Kritikern und Organisationen, die sich um die Menschenrechts-Lage vor Ort sorgen.
Michael Haenisch beobachtet die Gemengelage mit gemischten Gefühlen, weiß aber auch: „Ich stelle fest, dass fast jede Form der öffentlichen Diskussion sehr einseitig geführt wird. Wir haben als Gesellschaft verlernt, Konflikte auszutragen. Ich blicke ambivalent auf das Thema: Denn wenn es den Esports World Cup nicht gäbe, dann müssten wir über ‚Frühlingsgefühle‘ nach dem E-Sport-Winter gar nicht sprechen. Aktuell gibt es keine Publisher, die signifikant in Preisgelder und Turniere investieren.“
Natürlich könne man das Vorgehen von Saudi-Arabien als Sportswashing interpretieren – gleichzeitig habe sich das Land auf den Weg gemacht und Reformen angestoßen. „Es ist meines Erachtens noch zu früh, um zu bewerten, wie ernst gemeint diese Pläne sind“, so Haenisch. „Auch bei Freaks 4U Gaming gibt es eine starke LGBTQ-Community, die kritisch auf das Thema Saudi-Arabien blickt.“
Immerhin: Auch in Deutschland hat sich der E-Sport-Markt leicht aufgehellt – die tatsächliche Lage war zuletzt wieder etwas besser als die Stimmung. Ein Beleg: Die von Freaks 4U Gaming vermarktete League of Legends-Liga Prime League mit der Techniker Krankenkasse als Hauptsponsor habe ihr bislang stärkstes Jahr hingelegt. Im Agentur-Geschäft verzeichnet Haenisch wieder großes Interesse von Non-Endemics: Marken außerhalb des Games-Kosmos sind weiterhin an der Demografie und Reichweite des Profi-E-Sports interessiert – ebenso wie Ministerien, Kommunen oder Landesregierungen, die Gaming als Anker für die Fachkräfte-Akquise nutzen.
Das größte Potenzial sieht er aber im noch stärkeren internationalen Fokus, der sich durch den neuen Eigentümer Nodwin Gaming ergibt – gerade mit Blick auf Emerging Markets. Das indische Unternehmen verfolgt ein ähnliches Geschäftsmodell wie Freaks 4U und wird die Anteile sukzessive auf 100 Prozent aufstocken. Bewertung: 30 Mio. €.
Michael Haenisch will an Bord bleiben – langfristig. Kurzfristig plant er jetzt zunächst für die Gamevasion powered by DreamHack in Hannover.
Immer freitags, immer kostenlos: Jetzt GamesWirtschaft-Newsletter abonnieren!
GamesWirtschaft auf Social Media: LinkedIn ● Facebook ● X ● Threads ● Bluesky
Als jahrelanger Insider von F4U muss ich anmerken, dass einige Äußerungen grob falsch sind.
Michael Haenisch hat sich NICHT große Mühe bei Transparenz gegeben. Der Großteil der (noch verbliebenen) Belegschaft ist stark für einen Wechsel in den Top-2 Führungspositionen.
Kommentarfunktion ist geschlossen.