Start Wirtschaft „Wir waren sicherlich ein bisschen überrascht, ganz klar“

„Wir waren sicherlich ein bisschen überrascht, ganz klar“

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Gamescom-Gespräch mit Ralf Wirsing, Geschäftsführer der Ubisoft GmbH (Foto: GamesWirtschaft)
Gamescom-Gespräch mit Ralf Wirsing, Geschäftsführer der Ubisoft GmbH (Foto: GamesWirtschaft)

Ubisoft-Deutschland-Chef Ralf Wirsing über Digitalisierung, Förderung, Die Siedler, Yves Guillemot und die Zukunft der Gamescom.

Mit 360 Spielstationen gehörte der Ubisoft-Stand in Halle 6 auch in diesem Jahr zu den Gamescom-Publikumsmagneten, wie sich am Gedränge vor der Showbühne und den langen Warteschlangen ablesen ließ. Für Schlagzeilen sorgte außerdem das Comeback der „Die Siedler“-Reihe: Ubisoft entwickelt eine Fortsetzung, die im Herbst 2019 auf den Markt kommen soll.

Federführend geplant und organisiert wird der Ubisoft-Gamescom-Auftritt traditionell von der 70köpfigen Deutschland-Niederlassung in Düsseldorf. Geschäftsführer Ralf Wirsing ist seit über 20 Jahren beim französischen Publisher beschäftigt – damit gehört er zu den erfahrensten Games-Managern in Deutschland. Zwischenzeitlich war Wirsing als Geschäftsführer der Studio-Tochter Blue Byte („Anno“, „Die Siedler“) tätig, mittlerweile trägt er als Managing Director die Verantwortung für das Ubisoft-Geschäft im deutschsprachigen Raum.

Seit 2016 steht Ralf Wirsing zudem als Vorstandsvorsitzender an der Spitze des deutschen Industrieverbands: Der Game e. V. (bis Januar: BIU e. V.) veranstaltet unter anderem den Deutschen Computerspielpreis und die Gamescom, die mit 370.000 Besuchern einen neuerlichen Rekord aufgestellt hat.

„Wir haben endlich einen Ansprechpartner.“

GamesWirtschaft: Wie sehr wurdet ihr von der Ankündigung seitens CDU-Generalsekretärin Kramp-Karrenbauer überrascht, dass das Branchen-Herzensthema Games-Förderung bereits im nächsten Bundeshaushalt eingebacken wird?

Wirsing: Ich bin eher positiv erfreut, nicht überrascht. Wir arbeiten seit Jahren daran, das Thema voranzutreiben. Dorothee Bär (Bundesbeauftragte für Digitalisierung, Anm. d. Red.) hat am Eröffnungstag bekannt gegeben, dass die Förderung im Ministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur angesiedelt ist.

Dadurch haben wir endlich einen Ansprechpartner, was total wichtig ist, denn das war bisher nicht geklärt. Deshalb sind wir einfach froh, dass es jetzt vorangeht – je schneller, desto besser. Das ist gut für unsere Branche und den Standort Deutschland.

Game-Sommerfest im Juni 2018 in Berlin: Ralf Wirsing (Ubisoft, Game-Vorstand), Cosplayerin, Staatsministerin Dorothee Bär (CSU) und Game-Geschäftsführer Felix Falk (Foto: Game e. V./Jakob Nawka)
Game-Sommerfest im Juni 2018 in Berlin: Ralf Wirsing (Ubisoft, Game-Vorstand), Cosplayerin, Staatsministerin Dorothee Bär (CSU) und Game-Geschäftsführer Felix Falk (Foto: Game e. V./Jakob Nawka)

Ist das nicht ein gefühlter Rückschritt, dass die Branche jetzt plötzlich doch wieder im Verkehrsministerium hängt?

Nun gut, wir waren sicherlich ein bisschen überrascht, ganz klar. Aber das Wichtige ist, dass wir Ansprechpartner haben und dass es vorangeht – dass also nicht irgendwelche Zuständigkeiten vom einen zum anderen geschoben werden.

Dorothee Bär hat ja auch ihre Kooperationsbereitschaft signalisiert – ich denke, sie wird sich sehr eng mit Minister Scheuer und seinem Team abstimmen. Wir bleiben dadurch in beiden Ministerien verhaftet – ich sehe da durchaus Synergien.

Wie fällt denn Ralf Wirsings persönliche Bilanz nach den ersten 200 Tagen als Vorstandsvorsitzender des Game-Verbands aus?

Überraschend vielschichtig. Was ich unterschätzt habe: die ganzen verschiedenen Bedürfnisse unserer neuen Mitglieder wirklich erfassen zu können. Wir sind von grob 25 Mitgliedern auf jetzt knapp 250 Mitglieder gewachsen und vertreten wirklich sämtliche Facetten der Games-Branche.

Das ist eine ganz neue Herausforderung – das ist nicht vergleichbar mit der Vorstandschaft im damaligen BIU (Vorgänger-Verband des Game, Anm. d. Red.), weil wir da einen recht klaren Zuschnitt hatten. Jetzt sind viele Themen auch für mich noch neu.

Ich gebe mal ein Beispiel: Da kommt ein Mobilegame-Entwickler und sagt, er habe Probleme mit Urheber-Rechten. Das war für uns nie auf der Agenda, weil wir als Ubisoft so große Projekte mit so langer Laufzeit bearbeiten und so riesige juristische Teams dahinter haben, so dass wir da komplett abgesichert sind. Aber ein Mobilegame, das von einem oder wenigen Menschen programmiert wird, kann – wenn es erfolgreich ist – innerhalb von wenigen Wochen oder Monaten als Copycat (Plagiat, Anm. d. Red.) in den entsprechenden Shops landen. Das heißt, für diese Entwickler ist das Thema eventuell existenziell.

Sowas im Blick zu haben und dann zum Beispiel über unsere AG Recht entsprechende Unterstützung anzubieten, das war für mich bis dahin nicht auf der Agenda.

Gab es denn auch negative Aspekte, mit denen so nicht zu rechnen war?

Alle haben gesagt, das war der richtige Schritt und das hätte schon viel früher passieren müssen. Das Positive war so stark und durchgängig – das hat uns überwältigt. Überwältigt sind wir aber auch gleichzeitig von der Arbeit, die daran hängt.

Wir haben natürlich ein tolles und großes Team in Berlin, dafür bin ich sehr dankbar. Aber das ist auch notwendig, denn die Aufgaben sind vielfältig und nehmen viel Zeit und Energie in Anspruch.

Neben Neuheiten zeigte Ubisoft auf der Gamescom 2018 auch Erweiterungen für Spiele wie "For Honor" (Foto: KoelnMesse / Harald Fleissner)
Neben Neuheiten zeigte Ubisoft auf der Gamescom 2018 auch Erweiterungen für Spiele wie „For Honor“ (Foto: KoelnMesse / Harald Fleissner)

Ubisoft-Geschäftsführer Ralf Wirsing: „Wir wollen technologisch ganz vorne sein.“

Nun ist Ubisoft einer der größten Gamescom-Aussteller. Welche Botschaft geht von eurer Seite vom Messegelände aus?

Unser Hauptaugenmerk ist es, hochklassige AAA-Produktionen für unterschiedliche Zielgruppen anzubieten. Zum zehnjährigen Jubiläum der Gamescom haben wir unseren Besuchern ein vielfältiges Spiele-Angebot präsentiert. Darunter große Blockbuster wie „Assassin’s Creed Odyssey“ oder „The Division 2“, VR-Erlebnisse wie „Transference“ und Familien-Spiele wie „Just Dance“ oder „Starlink: Battle for Atlas“.

Auch Produktionen aus Deutschland liegen uns sehr am Herzen, wie wir mit „Anno 1800“ und der Ankündigung von „Die Siedler“ gezeigt haben. Wir sind auch froh, dass Volker Wertich (Siedler-Erfinder, Anm. d. Red.) dabei ist, der sicher sehr hilfreich sein wird, das Projekt weiterzuentwickeln.

Die Botschaft lautet also: Wir wollen technologisch ganz vorne sein, breite Zielgruppen anzusprechen und den direkten Kontakt mit der Community zu knüpfen – daher auch der große Stand.

Stichwort „Siedler“: Zusammen mit „Anno 1800“ hat Ubisoft im kommenden Jahr gleich zwei große Aufbau-Strategiespiele, die im Abstand weniger Monate auf den Markt kommen sollen. Wie bekommt man zwei solch große Marken seriös vermarktet, ohne dass sich Zielgruppen in die Quere kommen?

Das eine kommt im ersten Quartal, das zweite kommt im Laufe des Jahres. Wir sind da eigentlich ganz guten Mutes und Ubisoft Blue Byte ebenfalls. Wir haben genügend Zeit, um beide Spiele vernünftig zu positionieren. Bis dann ein Siedler rauskommt, haben wir die erste Welle der „Anno“-Enthusiasten erreicht.

Natürlich gibt es Ähnlichkeiten wie das beide Titel demselben Genre angehören. Es gibt abseits dessen sehr viel Unterschiede zwischen beiden Spielen. Außerdem gibt es zwei aktive Communities, die auf das jeweilige Spiel lange gewartet haben und wir sind sehr froh, dass wir wieder Spiele „made in Germany“ haben.

Unverkennbar "Die Siedler": Figuren und Gebäude sind mit viel Liebe zum Detail modelliert und animiert (Abbildung: Ubisoft Blue Byte)
Unverkennbar „Die Siedler“: Figuren und Gebäude sind mit viel Liebe zum Detail modelliert und animiert (Abbildung: Ubisoft Blue Byte)

Ubisoft betreibt eine der größten Publisher-Niederlassungen in Deutschland. Wie wirken sich Geschäftsmodelle wie Season Passes, DLCs und Abomodelle konkret aus?

Natürlich verändert sich das Geschäft durch die Digitalisierung. Weil unsere Produkte langlebiger sind, müssen wir die Spiele ganz anders betreuen. Als wir beide in dieser Branche angefangen haben – ich sage keine Jahreszahl -, hatten wir noch Produkte in sogenannten Euro-Boxen.

Die wurden ins Händler-Regal gestellt und auch gerne mal da liegen gelassen. Inzwischen reden wir von Games-as-a-Service, also über Spiele, die im besten Fall über mehrere Jahre laufen und durch bestimmte Ausrichtungen – siehe „Rainbow Six Siege“ und eSport – von Jahr zu Jahr sogar stärken werden. Diese Produkte brauchen Betreuung – also müssen wir entsprechende Ressourcen bereitstellen. Dadurch entstehen ganz neue Aufgabenfelder.

Die Communities werden auch aktiver und größer, auf die man auch viel aktiver und schneller antworten muss. Natürlich bleiben wir auch unseren Kunden im Handel treu und suchen immer wieder nach neuen Modellen. Bestes Beispiel ist unsere Neuheit „Starlink“ – das ist ein sehr interessanter Ansatz für ein Produkt, das nicht nur im Weihnachtsgeschäft 2018 funktionieren soll, sondern langfristig.

Ubisoft auf der Gamescom 2018: „Wir wollen mit dem Kölner Team weiter wachsen.“

Zu den Gästen auf dem Stand gehörte auch Ubisoft-Gründer und -CEO Yves Guillemot. Wie zufrieden ist der Chef mit dem diesjährigen Gamescom-Auftritt?

Yves hat zu mir gesagt: „Ralf, please transfer my deepest thanks for the passion and the motivation your team is showing each year to make Gamescom such a big success.“

Das klingt nach einer gewissen Grundzufriedenheit …

Durch seine Präsenz bei der Eröffnungsveranstaltung kann man schon erkennen, dass er mit dieser Veranstaltung sehr zufrieden ist. Er liebt unsere Präzision, unser „German Engineering“, auch im Bereich der Organisation und der Planung, und fühlt sich hier sehr, sehr wohl.

Auch diese Mischung aus Endkonsumenten- und Business-Bereich finden viele internationale Kollegen sehr ansprechend.

Abschließend: Wie muss sich die Gamescom in den nächsten Jahren weiterentwickeln, um auf die angesprochenen Entwicklungen zu reagieren – dass also Spiele immer langlebiger werden und dass man Mobilegames nicht wirklich gut auf so einer Messe präsentieren kann?

Woran wir auf jeden Fall arbeiten müssen, ist das Vorantreiben der Digitalisierung. Wir haben ja schon einen digitalen Hub (Capture-Stationen für Letsplayer und Live-Streamer, Anm. d. Red.) – da fehlt aber noch eine Echtzeit-Komponente, damit noch viel mehr Material, das hier generiert wird, in Echtzeit oder mit geringem Zeitversatz in die Welt gesendet werden kann.

Dadurch haben wir Multiplikatoren-Effekte, die dann nicht nur die 350.000 plus x Menschen hier auf der Messe erreichen, sondern eben auch noch Hunderttausende und Millionen begeisterter Gamer außerhalb der Gamescom, die nicht in der Lage waren, hierher zu kommen. Daran müssen wir noch verstärkt arbeiten.

Und natürlich wollen wir auch weiterhin Trend-Themen besetzen – Mobile ist schwer darstellbar, das stimmt, also muss man sich überlegen, wie man das umsetzen kann. Da werden wir uns mit den großen Firmen, die hier entsprechende Erfahrung haben, zusammensetzen und prüfen, was wir zum Beispiel beim Standbau verbessern können.

… aber auch ihr als Düsseldorfer wollt mittelfristig in Köln bleiben?

Nachdem ich zwischen Köln und Düsseldorf wohne, bin ich da völlig schmerzbefreit. Im Ernst: Wir fühlen uns mit dem Team aus Köln sehr verbunden – und wir wollen mit ihm weiter wachsen. Es gibt natürlich auch einige offene Fragen zu klären, die wir diskutieren. Das werden wir jetzt nach der Messe weiterführen.