Die PlayStation 5 wird den Händlern aus den Händen gerissen – doch Sony erreicht damit weiterhin kaum neue Zielgruppen. Warum ist das so?
Mehr als 21 Millionen Konsolen hat Sony Interactive seit Markteinführung der PlayStation 5 im November 2020 weltweit verkauft – weitere 15 Millionen sollen bis Anfang 2023 folgen. Weil die Nachfrage das Angebot übersteigt, war es für die Kunden in den ersten eineinhalb Jahren hinweg extrem anstrengend, an das Gerät heranzukommen. Überproportional profitiert haben gewerbsmäßige Reseller, die mit Bots gezielt Kontingente vom Markt zu fischten und via Ebay zu überhöhten Preisen losschlugen.
Inzwischen hat sich die Lage spürbar entspannt: Mit jeder zusätzlich verkauften Konsole weicht ein bisschen Druck aus dem Kessel.
Gefragte Hardware, Weltklasse-Studios, Top-Spiele-Marken: Der japanische Technologiekonzern befindet sich mit der PlayStation 5 oberflächlich betrachtet in einer kommoden Situation. Doch wer ins Kleingedruckte der Geschäftsberichte blickt, erkennt auch weniger Erfreuliches. Immerhin: Anders als Mitbewerber Microsoft kommuniziert Sony im Quartalsrhythmus konkrete Absatz- und Nutzerzahlen.
Sony-Zahlen: PS Plus tritt auf der Stelle
Die Datenlage lässt darauf schließen, dass sich überwiegend Bestandskunden mit dem neuen Topmodell eingedeckt haben: PlayStation 4 raus – PlayStation 5 rein. Ein Indiz für den nahtlosen Übergang ist die Zahl der Nutzer beim kostenpflichtigen Abo-Dienst PlayStation Plus, der sich seit PS5-Launch nicht von der Stelle bewegt hat: Im Weihnachtsgeschäft 2020 waren es 47,4 Millionen Abonnenten – zuletzt 47,3 Millionen.
Wachstum findet also schon seit geraumer Zeit nicht mehr statt.
Als unmittelbare Reaktion hat Sony das Tarifsystem umgebaut und den festgefahrenen Streaming-Dienst PlayStation Now mit PlayStation Plus verheiratet. Seit Juni gibt es daher ein neues, dreistufiges Modell, das mit einem beachtlichen Katalog an Gratisspielen die Bestandskunden für höherpreisige Stufen motivieren soll – und im Idealfall auch zusätzliche Kundschaft überzeugt.
Ob und in welchem Umfang der Plan aufgeht, ist zumindest im 2. Quartal noch nicht zu besichtigen.
Ebenfalls auf der Stelle treten die MAUs, also die Zahl der monatlich aktiven User. Die Kennzahl besagt, wie viele PlayStation 4- und PlayStation 5-Besitzer mindestens einmal im Monat die Konsole angeworfen haben. Ende 2020, also zum PS5-Start, waren es in Summe 114 Millionen Sony-Kunden, ein Jahr später 111 Millionen und im 2. Quartal 2022 nur noch 102 Millionen.
Im jüngsten Investoren-Briefing musste Sony einräumen, dass auch die Gesamtspielzeit der PlayStation-Nutzer im abgelaufenen Quartal um 15 Prozent gegenüber Vorjahr zurückgegangen ist – eine Entwicklung, die die Konzern-Manager nicht in dieser Form erwartet hatten.
Nun ist aus Sicht eines Plattform-Betreibers nicht schlimmer als eine Konsole, die ungenutzt vor sich hin staubt. Mit dem demnächst startenden Bonusprogramm PlayStation Stars soll daher die Motivation gesteigert werden, öfter den Controller zur Hand zu nehmen. Details zur konkreten Ausgestaltung gibt es noch nicht.
PlayStation-Nutzung: Segen und Fluch von Blockbustern
Bleibt die Frage: Warum ist es Sony Interactive mit der aktuellen Konsolen-Generation (noch) nicht gelungen, die Menschen länger bei der Stange zu halten und neues Publikum abseits der Stammkundschaft zu erreichen? Wo es doch dank preisgekrönter Eigenproduktionen wie The Last of Us 2, Horizon: Forbidden West, Ratchet & Clank: Rift Apart, Death Stranding, Ghost of Tsushima, den Spider-Man-Spielen oder der Uncharted-Reihe am Spielmaterial augenscheinlich nicht mangelt?
6,4 Millionen selbstgebaute First-Party-Spiele hat Sony zwischen April und Juni 2022 abgesetzt – so wenige wie in keinem Quartal in den vergangenen Jahren. Und: Trotz Horizon: Forbidden West und Gran Turismo 7 kauften die PlayStation-Besitzer im abgelaufenen Finanzjahr ein Drittel weniger Sony-Games im Vergleich zum The Last of Us 2-/Ghost of Tsushima-/SpiderMan: Miles Morales-Jahrgang 2020/21.
Just diese Blockbuster sind Fluch und Segen zugleich, weil es sich überwiegend um Solo-Titel ohne ‚Live-Services‘ handelt. Nach einmaligem Durchspielen ist meist Schluss, weil keine hersteller- oder nutzergenerierten Zusatz-Inhalte folgen, die die Spielzeit verlängern könnten – von Multiplayer-Modi ganz zu schweigen.
An dieser Stelle unterscheidet sich das Sony-Portfolio recht deutlich von Microsoft, wo erhebliche Ressourcen in das Online-Piratenspiel Sea of Thieves, die Rennspiel-Reihe Forza oder in den Dauerbrenner Minecraft fließen – unter anderem. Sonys milliardenschwerer Zukauf von Bungie (Destiny) ist auch als Eingeständnis zu werten, dass in diesem Geschäftsbereich Defizite vorliegen, zumal der Umsatz mit dem Spiele-Einzelkauf von Jahr zu Jahr sinkt.
Umgekehrt verdienen Konsolenhersteller nicht nur an eigenen Games, sondern auch an Provisionen für Spielekäufe und Mikrotransaktionen, die auf ihren Plattformen zustande kommen – etwa via Take-Two (Grand Theft Auto), Activision Blizzard (Call of Duty) oder Ubisoft (Far Cry, Assassin’s Creed). Aber: Die Pandemie hat branchenübergreifend zu Verschiebungen und ausgedünnten Release-Listen geführt – es fehlt schlichtweg an Impulsen und Content.
Zwischen Bandai Namcos Elden Ring im Februar und FIFA 23 im September klafft eine Lücke von sieben harten Monaten, die sich mit 8-Stunden-Abenteuern wie Stray nur unzureichend überbrücken lässt.
PS5-Nachfrage weiterhin höher als das Angebot
Gegenüber Analysten benennt das Sony-Management weitere Gründe für die missliche Lage. Den Konsolen- und Spiele-Herstellern setzt unter anderem zu, dass die Verbraucher mittlerweile wieder erheblich mehr Möglichkeiten haben, ihr Geld auszugeben – seien es Reisen, Konzerte oder Freizeitparkbesuche. Die Umsätze von Spieleherstellern hatten zuvor maßgeblich von Lockdowns und anderweitigen Einschränkungen profitiert.
Nach wie vor liefert das Unternehmen weniger Konsolen aus, als der Markt hergeben würde. Hauptgründe: fehlende Chips und strauchelnde Produktionsketten. Sony ist zuversichtlich, diese Probleme in den kommenden Monaten lösen zu können. Doch die radikale Corona-Bekämpfung der chinesischen Führung an Zuliefer-Standorten wie Shanghai plus die zunehmend explosive Lage beim Chip-Marktführer Taiwan bleiben unkalkulierbar.
Hinzu kommt: Die UVP der PlayStation 5 von 499 € wurde ursprünglich für ganz andere Rohstoff- und Energie-Szenarien festgelegt. Konsolen sind traditionell auf Kante kalkuliert und werden zumindest in der Anfangsphase nahe oder unter Herstellungskosten verkauft. Auf Nachfrage wollte Finanz-Chef Hiroki Totoki bei der Bilanzpressekonferenz nicht kommentieren, ob der PlayStation-Hersteller vor diesem Hintergrund über Preiserhöhungen nachdenken muss – „Stand jetzt“ gäbe es keine Neuigkeiten.
Allerdings hat längst eine schleichende Preiserhöhung stattgefunden – einfach deshalb, weil anstelle der ’nackten Konsole‘ fast nur noch Bundles mit beigepackten Spielen angeboten werden. Der Handel kann 560 € aufwärts für das Horizon: Forbidden West-Paket berechnen – Sonys Grenzkosten für den beiliegenden Download-Code sind indes nahe null.
Sehr viel offensichtlicher ist der Befund, dass Sony am unteren Ende ein günstiges Modell fehlt, das im Lichte zunehmender Inflations- und Rezessionssorgen eine preissensible Kundschaft abholen könnte. In der PlayStation-Welt werden mindestens 399 € für die Digital Edition fällig – der Einstieg ins Xbox-Universum ist hingegen schon für 280 € inklusive drei Monaten Xbox Game Pass zu haben.
Die PlayStation 4 ist so gut wie gar nicht mehr zu bekommen und wird nur noch abverkauft, aber nicht mehr aktiv vermarktet. Die PS4-Zahlen sind so homöopathisch, dass das Auslaufmodell in der Sony-Statistik nicht länger auftaucht.
Nutzerflaute: Wie Sony das Ruder herumreißen will
Um Spielerzahlen und Spielzeit kurzfristig zu steigern, setzt Sony nun auf einen bunten Maßnahmen-Strauß: mehr Hardware, mehr Software, mehr Services – etwa durch eine intensivere Bewerbung von PlayStation Plus.
Auch von eigenen und externen Spiele-Neuheiten erhofft man sich einen Stopp der stagnierenden oder erodierenden Zugriffe: Im September kommt FIFA 23, im Oktober Call of Duty: Modern Warfare 2, im November schließlich God of War Ragnarök. Eher mittelfristige Effekte ergeben sich durch die Aufstockung von Entwickler-Kapazitäten und die getätigten Studio-Zukäufe.
Dreh- und Angelpunkt bleibt allerdings die Hardware-Versorgung der Schlüsselmärkte Richtung Weihnachten: Jede PlayStation 5, die vom Band läuft, hilft unmittelbar beim Spiele- und Abo-Vertrieb.