Start Wirtschaft HandyGames-Chef Kassulke: „Wir planen hier für die nächsten Jahrzehnte“

HandyGames-Chef Kassulke: „Wir planen hier für die nächsten Jahrzehnte“

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Christopher Kassulke, Gründer und Geschäftsführer von HandyGames (Foto: HandyGames / Steffi Grass)
Christopher Kassulke, Gründer und Geschäftsführer von HandyGames (Foto: HandyGames / Steffi Grass)

Die THQ-Nordic-Sparte HandyGames rüstet sich für das dritte Jahrzehnt der Firmengeschichte – und fahndet nach neuem Personal, neuen Partnern und neuen Produkten.

Das Geschäft mit Triple-A-Games, also Konsolen-Blockbustern, überlässt HandyGames der internationalen Konkurrenz. Doch bei den Triple-I-Games – hochwertigen Indie-Games – wollen die Unterfranken weiter vorne mitspielen.

Deshalb schafft das Unternehmen mit Sitz in Giebelstadt bei Würzburg mehr (Spiel-)Raum für mehr Personal: Mit über 70 Mitarbeitern zählt HandyGames schon jetzt zu den fünf größten Arbeitgebern in der bayerischen Computerspiele-Industrie. Erst am gestrigen Dienstag wurden zwei weitere Neuzugänge vermeldet.

Im GamesWirtschaft-Interview erklärt Gründer Christopher Kassulke, wohin die Reise im Jahr 2021 (und darüber hinaus) gehen soll.

HandyGames-Gründer Christopher Kassulke: „Für Free2Play-Games sind wir die Falschen“

GamesWirtschaft: HandyGames hat in den vergangenen Monaten kräftig eingestellt und sucht weiter. Auf welche Team-Größe wollt ihr in diesem und nächsten Jahr wachsen? Und was heißt das für eure Räumlichkeiten in Home-Office-Zeiten und danach?

Kassulke: Seit dem 1. Januar 2021 hat HandyGames die doppelten Büroflächen am Standort Giebelstadt. Das gesamte Gebäude 13 hier im Klingholz ist von HandyGames übernommen worden. Somit steht einer weiteren gesunden Expansion nichts im Wege.

Hinzu kommt, dass wir die kompletten Bunkerflächen unter unseren Büros nutzen können. Dies sind noch einmal zwei Etagen und geben uns so einige Möglichkeiten, die wir hier noch nicht verraten wollen. Wir planen nicht nur für das nächste Jahr, wir planen hier für die nächsten Jahrzehnte.

Aktuell ist die deutliche Mehrheit unserer Kolleginnen und Kollegen im Home-Office. Wir sehnen uns sehr nach dem Ende der Pandemie, um wieder hier am Standort gemeinsam arbeiten und Erfolge feiern zu können. Teil unserer DNA ist die Nähe zueinander und gerade Release-Partys, Geburtstagsfeiern und Unternehmungen sind leider nur sehr schwer aus dem Home-Office heraus realisierbar.

Etwas Gutes hat das Home-Office: Wir können hier beim Umbau viel Lärm machen und es stört kaum jemanden.

Ende 2019 habt ihr angekündigt, mehrere Millionen in ‚Triple-I-Games made in Germany‘ investieren zu können und zu wollen. Wie weit seid ihr seitdem auf diesem Weg gekommen? Und gibt es überhaupt genügend ‚Rohdiamanten‘ im Land?

HandyGames investiert global – nicht nur in Deutschland. Es gibt viele talentierte Studios in Deutschland und wie man vielleicht weiß, haben wir bereits so einige Perlen gefunden. Ich denke, 2021 können noch so einige schöne Titel aus Deutschland hinzukommen, die wir global publishen werden.

Wir stehen mit einem saftigen Budget für mögliche Triple-I-Projekte zur Seite. Unsere Publishing Unit freut sich auch weiterhin auf interessante Projekte für alle Plattformen aus Deutschland. Nur eine Bitte: Wir sind nur an Premium-Titeln für möglichst viele Plattformen interessiert – für Free2Play-Games sind wir die Falschen. Wer unser aktuelles Portfolio analysiert, erkennt schnell, welche Art von Games wir suchen.

Wir verstehen uns darüber hinaus auch als Partner der Förderinstrumente von Bund und Länder, die einen starken Partner benötigen, um Spiele nicht nur in Deutschland zu entwickeln, sondern auch noch international richtig zu platzieren.

Bei den jüngsten Personalien fällt auf, dass ihr auf seniorige, erfahrene Kräfte setzt – nach denen natürlich auch eure Mitbewerber fahnden. Was sind eure Argumente, diese Kräfte von HandyGames und Giebelstadt zu überzeugen?

In Zeiten von Covid ist es natürlich einfacher, eingespielte und erfahrene Kräfte zu integrieren. Das „Onboarden“ von Junioren oder Praktikanten fällt leider schwerer, da eben genau Home-Office hierfür suboptimal ist und eine engere Betreuung vor Ort notwendig ist. Das ist in der aktuellen Lage leider nicht möglich.

Unser Ziel ist es auch, Juniors eine faire Chance zu geben. Seniors wachsen nicht auf Bäumen. Auch sie mussten sich erst einmal in ihrer Karriere beweisen und viel dazulernen. Vergleicht man die Einstellungen der letzten Jahre, geben wir auch weiterhin Quereinsteiger oder Branchenfremden eine faire Chance. Die Mischung macht es! Das Team lebt von neuen Impulsen und wir können viel voneinander lernen – Juniors und Seniors.

Die Liebe zu (Indie-) Games verbindet uns alle – und für alle gilt: Ein „Haben wir schon immer so gemacht“ gibt es nicht! Seit über zwei Jahrzehnten testen wir bekannterweise immer wieder Neues aus. Wir entwickeln uns stetig weiter. HandyGames ist auch kein reiner Publisher, sondern wir sind weiterhin stolz auf unsere internen Teams, die an einigen echt fetten Projekten arbeiten. Auch hier suchen wir aktuell Seniors aus allen Bereichen. Nur so schaffen wir es langfristig, Projekte wie die kürzlich erschienene mobile Version von SpongeBob SquarePants: Battle for Bikini Bottom Rehydrated zu produzieren. Am 2. Februar folgt schon Titan Quest: Legendary Edition, die bei uns intern portiert und entwickelt wurde. Den Vorteil der internen Entwicklerteams nutzen wir als Publisher und auch unsere externen Teams genießen den technischen Austausch auf Augenhöhe mit uns.

Franken ist eine sehr schöne Gegend, aber dank Corona sind auch wir hier alle fast nur zu Hause und können nicht die Schönheiten der Region und die Geselligkeit genießen. Argumente für HandyGames gibt es sicher viele, aber ich denke, da sollte man lieber die neuen Kollegen und Kolleginnen befragen, was sie am Ende zu uns gezogen hat. Vielleicht haben wir auch nur mehr Spaß und Freiheiten, denn das macht die Spieleentwicklung aus.

Ihr seid auf ungefähr allen Plattformen unterwegs – aber welche sind aus deiner Sicht die vielversprechendsten mit Blick auf 2021? Wo gibt es die größte Dynamik? Und bei welchen Konsolen, Geschäftsmodellen etc. bist du eher skeptisch?

Content is King but distribution is Queen. HandyGames besitzt nicht nur ein buntes Portfolio, sondern wir distribuieren diese Spiele weltweit über jegliche Kanäle. Welche Plattformen sich durchsetzen werden? Naja, meine Glaskugel heute früh sagt: „Völlig Wurst! Wir beliefern sie alle!“

Final entscheidet immer der Kunde, wie und wo er den Content konsumiert. Wir sehen seit letztem Jahr ein verstärktes Interesse an Streaming- und Cloud-Gaming, gepusht von einigen Big Playern am Markt. Hier sind wir ebenfalls aktiv. Auch Game Pass, Play Pass oder Apple Arcade sind in aller Munde. Ob sich dies als langfristiges Modell für Developer und Publisher darstellt, werden wir sehen.

Skeptisch bin ich weiterhin bei Free2Play im mobilen Bereich – vor allem bei Spielen, die sich fast ausschließlich durch Werbung finanzieren. Würde man ernstgemeinte Auto-, Versicherungs- oder Konsumgüter-Werbung sehen, wären hier sicher höhere Umsätze möglich und es würde dem Medium mehr Ernsthaftigkeit zugeschrieben werden.

Leider hat sich seit 2010 nichts getan, und wir sehen vorwiegend Werbeeinblendungen von Konkurrenzprodukten. Das machte einfach keinen Sinn. Free2Play selbst wird weiterhin ein riesiger Markt sein, aber es ist und bleibt ein Red Ocean – ein sehr toxischer Red Ocean. Für uns gilt daher nur eines: Volle Konzentration auf Premium Games.