Start Wirtschaft Goodgame Studios Analyse: Schwedische Kronen statt schnellem Dollar

Goodgame Studios Analyse: Schwedische Kronen statt schnellem Dollar

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Vom Loft-Parkett aufs Börsen-Parkett: Goodgame Studios wird Teil der börsennotierten Stillfront Group (Foto: Goodgame Studios)

In Zukunft werden Deutschlands Free2play-Umsatzriesen von Schweden aus regiert: Die GamesWirtschaft-Analyse zur Lage von Goodgame Studios.

[no_toc]Man tritt den Goodgame Studios-Gründern sicher nicht zu nahe, wenn man feststellt: Die Hamburger haben mit der deutschen Games-Branche stets gefremdelt. All den Messen, Konferenzen, Partys und Preisverleihungen hat man sich konsequent entzogen. Während der innerstädtische Mitbewerber InnoGames seit jeher die Nähe zur Entwickler-Szene sucht und mit Michael Zillmer gar ein Vorstandsmitglied des mächtigen BIU stellt, hat Goodgame Studios den Lobbyverband im Frühjahr 2017 vorsichtshalber gleich ganz verlassen.

Die Sonderstellung hat vielleicht auch mit der sehr besonderen Historie von Goodgame Studios zu tun. Im Unterschied zu den romantischen Kinderzimmer-Startup-Legenden vieler anderer Entwickler-Studios haben die Brüder Kai und Christian Wawrzinek ihr Unternehmen mit großer Zielstrebigkeit aufgebaut – das große Vorbild Bigpoint immer vor Augen. „Wir hatten nicht von Anfang an vor, Games zu machen, aber uns war klar, dass wir unternehmerisch tätig werden wollen“, lässt sich Christian Wawrzinek zitieren. Er ist promovierter Zahnarzt, sein Bruder promovierter Anwalt.

Den anfänglichen Erfolgen mit „Goodgame Poker“ vor zehn Jahren folgte ein Aufstieg wie im Rausch: Zunächst ein Sparkassen-Kredit, dann ein paar Millionen von eCommerce-Godfather Oliver Samwer, schließlich exzessives Wachstum hin zu Deutschlands größtem Studio – mit 1.200 Festangestellten und Plänen für 1.600 Beschäftigte.

2011 kam der Durchbruch mit dem Browsergame „Goodgame Empire“: Eine Unternehmensberatung feierte die Wawrzineks als „Entrepreneurs of the year“. Als Goodgame Studios neue Räumlichkeiten bezog, kam mit Olaf Scholz der Erste Bürgermeister der Freien und Hansestadt Hamburg auf einen Sprung vorbei.

Trotz Umsatzrückgang: Goodgame Studios war auch 2015 hochprofitabel.
Trotz Umsatzrückgang: Goodgame Studios war auch 2015 hochprofitabel.

Goodgame Studios Analyse: Wachstum um jeden Preis

In der Branche wurde Goodgame Studios stets misstrauisch beäugt. An ihrem ausbaufähigen Image haben die Hamburger nach Kräften mitgebastelt, etwa durch Fotos vom firmeneigenen Campus samt Swimmingpool. Plus Dampfhammer-Sätze wie dieser: „Wir haben vermutlich den härtesten Auswahlprozess in der Branche. 98 Prozent der Leute, die sich bei uns bewerben, kriegen keinen Job.“

Den Bericht über die unwürdigen Umstände einer Betriebsrat-Gründung überschrieb die Hamburger Morgenpost mit der Schlagzeile: „Sind das Hamburgs schlimmste Chefs?“

Doch dies sollte nur ein Vorbote jener finsteren Wolken sein, die sich 2016 über Goodgame Studios zusammenbrauen. Die Firma selbst spricht im Rückblick von einem „Transition Year“. Noch im Jahr zuvor haben sich die Personalaufwendungen gegenüber 2014 fast verdoppelt, weil Goodgame Studios durchschnittlich pro Kalenderwoche zehn Personen eingestellt hat. Die Folge: Das EBIT sank von 42 Millionen Euro im Rekordjahr 2015 auf „nur“ noch 25 Millionen Euro im Jahr 2016.

Im Angesicht davongaloppierender Kosten hat Goodgame Studios die Reißleine gezogen und das Unternehmen einer personellen Rosskur unterzogen: Zur Gamescom im August 2016 lagen die Personalkosten bei monatlich 5 Millionen Euro („unhealthy cost base“), im Juni 2017 waren es nur noch 1,3 Millionen Euro („great cost structure“).

Die Gründer hatten schlichtweg zu hoch gepokert: zu viele Mitarbeiter, zu viele Abteilungen, zu viele Genres, zu schnelles Wachstum, überhaupt: zu viel gewollt. Die „Multi-Studio-Strategie“ wurde ebenso rasch beerdigt, wie sie etabliert worden war.

In der Zwischenzeit hatte man das Kerngeschäft aus den Augen verloren. Die Zahl der zahlenden Spieler der Bestandstitel sank ab Anfang 2015 dramatisch, wie aktuelle Grafiken zeigen. Zwischen Januar 2015 und November 2017 haben sich die „Pay Active Users“ quer über alle Spiele glatt halbiert. Erst die Marketing-Investionen im Sommer 2017 plus der erfolgreiche Start des Mobile-Spiels „Big Farm: Mobile Harvest“ konnten die Werte stabilisieren.

Die Top 10 der erfolgreichsten Mobilegames-Anbieter aus Deutschland (1. Halbjahr 2017, Quelle: App Annie)
Die Top 10 der erfolgreichsten Mobilegames-Anbieter aus Deutschland (1. Halbjahr 2017, Quelle: App Annie)

Hauptzielgruppe von Goodgame Studios: 40 Jahre aufwärts und zahlungskräftig

Im Lauf des „transition years“ 2016 hat Goodgame Studios das komplette Sortiment durchgekärchert und dabei auch nicht vor den Management-Strukturen haltgemacht. Seitdem fokussiert sich das Team auf die beiden Kernmarken, die bereits in der Vergangenheit fast den kompletten Umsatz einspielten: „Goodgame Empire“ inklusive der Mobile-Version „Empire: Four Kindoms“ sowie „Big Farm“. Das Durchschnittsalter der Spieler liegt jenseits der 40 – Männer bevorzugen das kampfbetonte Mittelalter-Eroberungsspiel, Frauen das gefällige Bauernhof-Aufbauspiel.

Beide Spiele basieren auf dem Free2play-Modell, sind also grundsätzlich gratis installier- und spielbar. Das Gros der vielen Millionen Spieler gibt kein Geld aus. Doch die Intensivspieler sind gleichzeitig außergewöhnlich treue Kunden – und zahlungskräftig. Im Schnitt geben zahlende „Big Farm“-Spieler 57 Euro pro Monat aus, bei „Empire“ sind es zwischen 80 und 90 Euro. Wer es bislang nicht geahnt hatte: Kostenlose Spiele sind ein Bombengeschäft.

Neben InnoGames ist Goodgame Studios der einzige deutsche Spielehersteller, der es derzeit auf dreistellige Millionen-Umsätze bringt.

Goodgame Empire (im Bild) und der Mobile-Ableger Empire: Four Kingdoms sind für weite Teile des Goodgame-Umsatzes verantwortlich.
Goodgame Empire (im Bild) und der Mobile-Ableger Empire: Four Kingdoms sind für weite Teile des Goodgame-Umsatzes verantwortlich.

Goodgame Studios: Bewertung von 270 Millionen Euro

Mehrfach soll es Gebote in nennenswerter Größenordnung für die Hamburger gegeben haben – keines kam zustande. Jetzt also der Deal mit Stillfront. Seit Juni sind die Schweden an der Nasdaq First North gelistet; die Marktkapitalisierung liegt bei rund 85 Millionen Euro.

Im Konzert der Tencents und Ubisofts der Games-Branche war Stillfront bislang eine eher kleine Nummer. Doch die Skandinavier wachsen mit beeindruckendem Tempo: Zum Verbund gehören hochprofitable Browserspiele wie „OnlineFußball Manager“ und „Call of War“, aber auch Titel wie „Unravel“. Die Spiele der weitgehend autonom handelnden Beteiligungen liefern konstante, kalkulierbare Einnahmen. Die Planung für die kommenden Jahre sieht vor, dass zunächst zwei neue Goodgame-Studios-Blockbuster für Umsatz und Ertrag sorgen – das Marsbesiedlungs-Aufbauspiel „Millennium Wars“ macht den Anfang.

Sobald die Stillfront-Altaktionäre – darunter das Team des Hamburger Browsergame-Herstellers Bytro Labs – den Deal formal durchwinken, kontrollieren die Eigentümer der Altigi GmbH demnächst 36,5 Prozent der Stillfront-Anteile. An Altigi sind neben Kai und Christian Wawrzinek auch langjährige Goodgame-Mitstreiter beteiligt. Der Vereinbarung liegt eine eine Bewertung von 270 Millionen Euro zugrunde – in der Hochphase lag sie laut Rocket Internet-Geschäftsbericht noch beim Zweieinhalbfachen.

In jedem Fall zählt der Deal nach Bigpoint (2011) und InnoGames (2016/17) zu den größten Branchen-Transaktionen im deutschsprachigen Raum.

Der Goodgame-Campus im Hamburger Stadtteil Bahrenfeld verfügt über einen eigenen Pool (Foto: Goodgame Studios).
Der Goodgame-Campus im Hamburger Stadtteil Bahrenfeld verfügt über einen eigenen Pool (Foto: Goodgame Studios).

Stillfront: Der kleine, große Unbekannte

Bei Goodgame Studios legt man Wert auf den Umstand, dass es sich streng genommen nicht um eine Übernahme handelt (wie es die Stillfront-Pressemitteilung formuliert), sondern eher um eine Fusion: Denn die hinsichtlich des Umsatzes deutlich größere Altigi GmbH schließt sich mit der schwedischen Spiele-Holding Stillfront zusammen.

Dieser indirekte Börsengang von Goodgame Studios wird dazu führen, dass die weitere Entwicklung des Unternehmens im Quartalsrhythmus besichtigt werden kann. Zwischenzeitlich hatte sich Goodgame Studios eine Art Nachrichtensperre auferlegt und nur noch das Allernötigste kommentiert. Erst im Laufe der vergangenen Monate, also im Vorfeld des Stillfront-Deals, hat man in Hamburg wieder angefangen, aktiv zu kommunizieren – um in gewohnter Manier gleich wieder auf die Sahne zu schlagen, indem man sich als Nummer-1-Studio in jeder Hinsicht geriert.

Wie gesagt: Demut war noch nie ein substanzieller Bestandteil der DNA von Goodgame Studios.

„Unser Ziel ist es nicht, den schnellen Dollar zu machen, sondern Produkte zu bauen, an denen die Leute viele Jahre Spaß haben“, beteuerte Christian Wawrzinek im Frühjahr 2016. Man wolle die führenden Majors herausfordern.

Jener schnelle Dollar wäre vor einigen Jahren durchaus möglich gewesen, siehe Bigpoint. Nun sind es eben schwedische Kronen geworden.

Ausführliche Informationen rund um Goodgame Studios finden Sie in diesen Beiträgen: