Deutschlands Spielehauptstadt schrumpft – allerdings nur leicht: Der Games-Standort Hamburg hofft auf ruhigeres Fahrwasser im kommenden Jahr.

[no_toc]Jede Branche hat ihre Hotspots. Im Automobilbereich sind es Wolfsburg, Ingolstadt oder Untertürkheim – in der Games-Branche zählen dazu Berlin, Karlsruhe und natürlich Hamburg.

Fünf der zehn größten deutschen Spielehersteller haben ihren Sitz in der Hansestadt.

Die Arbeitsplatz-Situation an Alster und Elbe ist damit so etwas wie ein Fieberthermometer für den Rest der Branche: Wenn der Games-Sektor in Hamburg leicht hustet, kann der Rest der Republik schon mal den Ingwertee aufsetzen.

So gut wie alle größeren Hamburger Entwickler verdienen ihr Geld mit dem Free2play-Modell, produzieren und vermarkten also Browsergames, Online-Games und Mobilegames (wichtige Ausnahme: Daedalic). Das rapide Wachstum in diesem Feld hat Umsätze und Belegschaften binnen weniger Jahre exponentiell anschwellen lassen – getreu der Börsenweisheit: Die Flut hebt alle Boote.

Games-Standort Hamburg: Ein bewegtes Jahr

Schlagzeilen machten in diesem Jahr ausgerechnet die fünf größten Dampfer:

Hamburg atmet Free2play: Fast alle Top-10-Unternehmen setzen auf das Geschäftsmodell.

Gamecity: Hamburg: „Moderater Rückgang der Arbeitsplätze“

Seit mehreren Jahren erfasst die Standort-Initiative GameCity: Hamburg die Zahl der Unternehmen und Jobs. Nach den neuesten Daten sinkt die Zahl der sozialversicherungspflichtigen Jobs leicht auf knapp 4.300 Personen (Vorjahr: 4.500). Zählt man nur die Festangestellten, so kommt auf etwas mehr als 3.500 Köpfe.

Zur Einordnung: Die komplette hanseatische Games-Branche ist damit in etwa so groß wie die Hamburger Niederlassung des Versicherungskonzerns Signal Iduna.

Die Zahl der Games-Unternehmen wächst von 153 auf 171 – hier wird allerdings die komplette Peripherie mitgezählt, also neben Dienstleistern auch Agenturen und Verlage. Berücksichtigt sind auch Unternehmen mit Sitz in anderen Bundesländern, die Filialen in Hamburg unterhalten, darunter Deck 13 (Transocean) und Travian Games (Goalunited).

Bemerkenswert ist die Diskrepanz zwischen großen und kleinen Unternehmern: In Hamburg gibt es nur neun Games-Unternehmen mit mehr als 50 Mitarbeitern – über zwei Drittel aller Firmen beschäftigen weniger als zehn Personen. Es fehlt also an Firmen, die den Sprung zum Mittelständler schaffen.

Ende der Prototypenförderung: Hilf dir selbst, sonst hilft dir keiner

Nach dem Ende der „Prototypenförderung“ im Jahr 2012 gibt es im Gegensatz zu den meisten anderen Metropolen derzeit keine explizite Förderung von Games-Projekten mehr. Nachschub aus öffentlicher Hand ist nicht in Sicht – auch im jüngst verabschiedeten Haushalt sind keine neuen Programme und Fördertöpfe vorgesehen. Über Sinn oder Unsinn derartiger zinsloser Darlehen wird innerhalb der Branche höchst unterschiedlich geurteilt.

Nichtsdestoweniger entstehen gerade in Hamburg weiterhin spannende Startups, siehe Mooneye Studios (Lost Ember) und Rockfish Games (Everspace). Auch Bigpoint-Gründer Heiko Hubertz beschäftigt schon jetzt wieder fast 50 Mitarbeiter bei seiner Neugründung Whow Games, ähnlich groß ist der Browsergames-Spezialist Bytro Labs.

Abseits der klassischen Spiele-Entwickler haben gleich mehrere internationale Publisher-Größen ihren Deutschland-Sitz in Hamburg, darunter Warner Bros. Entertainment und die japanischen Konzerne Square Enix und Capcom. Trotz Millionenumsätzen spielen diese Niederlassungen für den Arbeitsmarkt nur eine untergeordnete Rolle, denn für die Vermarktung von Final Fantasy, Resident Evil und Batman genügen schlanke Vertriebsbüros.

Games-Standort Hamburg: Bewährungsprobe steht noch bevor

Aus der Pressemitteilung von Gamecity:Hamburg spricht die Erleichterung darüber, dass die Branche weniger unter der Unwucht gelitten hat, als man dies aufgrund der Schlagzeilen hatte befürchten müssen.

Das Schlimmste scheint vorüber, jetzt beginnen die Aufräumarbeiten.

Im besten Fall führt der teils erhebliche Personalabbau zur Gründung vielversprechender neuer Studios – im schlechtesten Fall wandert das Talent in andere Branchen ab. Besonders herausfordernd ist die Situation für angeworbene Fachkräfte aus dem Ausland, die mit großen Verheißungen nach Hamburg gelotst wurden und sich nun einem bedingt aufnahmefähigen Games-Arbeitsmarkt entgegen sehen.

Die eigentliche Bewährungsprobe für den Games-Standort Hamburg steht 2017 erst noch bevor. Bei Bigpoint hängt viel von der seit Jahren vakanten Umsetzung des Serien-Welterfolgs Game of Thrones ab, Daedalic setzt große Hoffnungen auf das Adventure Die Säulen der Erde. InnoGames und Goodgame Studios haben im abgelaufenden Kalenderjahr keine neuen Spiele gelauncht und planen fürs kommende Jahr mehrere wichtige Releases.

Gerade auf Goodgame Studios lastet besonders großer Druck: Deutschlands größtes Spielestudio war zuletzt mit sich selbst beschäftigt, um das Wasser aus dem Rumpf zu pumpen und das Unternehmen wetterfest zu machen. 2017 müssen die Hamburger nun zwingend liefern, um wieder Wind in die Segel bekommen.