Der Blick in die Chefetagen der größten deutschen Games-Unternehmen zeigt: Der Frauenanteil unter den Führungskräften bleibt auf homöopathischem Niveau.
Als Nach-wie-vor-Innenminister Horst Seehofer (CSU) im März ein Foto seiner frisch vereidigten Staatssekretär-Riege verschicken ließ, hagelte es reichlich Spott – schließlich war die neunköpfige Truppe ausschließlich mit Männern besetzt. Die Tagesschau überschrieb die Meldung mit „Das Mann-o-Mann-Ministerium“.
Gleiches galt und gilt im Übrigen für das Bundesministerium für Verkehr und Digitale Infrastruktur: Auch dort hatte man schon wenige Tage nach Unterzeichnung des Koalitionsvertrags verdrängt, dass darin die Gleichstellung in Leitungspositionen des öffentlichen Dienstes vorgesehen ist.
Und wie sieht es in der deutschen Games-Branche aus, die sich ja eines nahezu ausgewogenen Geschlechterverhältnisses mit Blick auf die Nutzerschaft rühmt? Die Standortstudie des Industrie-Verbands Game beziffert den Frauenanteil in der deutschen Games-Branche mit 27 Prozent – in anderen Kreativbranchen, etwa in der Werbung, liegt er demzufolge bei über 50 Prozent.
Doch zur Wahrheit gehört auch: Die Chefetagen in der hiesigen Games-Branche sind fast ausschließlich in männlicher Hand, wie aus den Handelsregister-Einträgen und Geschäftsberichten hervorgeht.
Frauenanteil in den Chefetagen deutscher Games-Entwickler weiterhin auf niedrigem Niveau
Etwas mehr als 500 Unternehmen gibt es in Deutschland, die Computer- und Videospiele entwickeln und/oder vertreiben. Wer mindestens 40 Mitarbeiter beschäftigt, zählt bereits zu den Großbetrieben.
Anzahl der Geschäftsführerinnen und weiblichen CEOs bei den 50 größten deutschen Spiele-Entwicklern: null.
Erweitert man den Filter um Startups und kleinere Unternehmen bis 20 Angestellte, steigt der Frauenanteil leicht – in nahezu allen Fällen handelt es sich um Gründerinnen. Beispiele sind Cornelia Geppert von Jo-Mei Games („Sea of Solitude“), Linda Kruse vom Kölner Studio The Good Evil oder Melanie Taylor von Osmotic Studios („Orwell“).
Bei den Niederlassungen internationaler Games-Hersteller ergibt sich ein ähnliches Bild wie im Falle der Spiele-Entwickler – von A wie Activision Blizzard bis Z wie Zenimax. Eine der wenigen Ausnahmen im Segment der nationalen Publisher ist Julia Pfiffer, die der Geschäftsführung der Mönchengladbacher Astragon Entertainment GmbH („Landwirtschafts-Simulator 19“) angehört. Das Unternehmen beschäftigt 30 Angestellte.
Deutlich häufiger mit Frauen besetzt sind indes die Management-Ebenen, etwa bei Upjers (Co-Gründerin Marika Schmitt), Nintendo of Europe (Vertriebs-Chefin Kathrin Tamburello), Electronic Arts (Head of International Events Cornelia Schwobe) oder Gameforge (Marketing-Chefin Alison Turner).
Ein Sonderfall ist die Microsoft Deutschland GmbH: Dort ist Sabine Bendiek als Vorsitzende der Geschäftsführung die Vorgesetzte von 2.700 Mitarbeitern. Ihr Führungsteam besteht aus 14 weiteren Mitgliedern (darunter drei Frauen), die unter anderem das Großkundengeschäft, die Finanzen und den Vertrieb verantworten. Die für das Xbox- und Games-Geschäft zuständige „Consumer and Devices Sales Group“ wird indes – Sie ahnen es – von einem Mann geleitet: Thomas Kowollik.
Für einen Paradigmenwechsel in der Branche gibt es wenige Anzeichen – im Gegenteil. Oder wie es ein großer deutscher Spiele-Entwickler im Geschäftsbericht formuliert: „Die Gesellschafter (…) haben ein grundsätzliches Interesse daran, den Anteil von Frauen in Führungspositionen zu steigern und möchten Frauen und Männern bei der Besetzung von Führungspositionen die gleichen Chancen bieten. (…) Die Gesellschafter (…) streben für den Frauenanteil in der Geschäftsführung keine Veränderung an. Derzeit besteht die Geschäftsführung ausschließlich aus männlichen Personen.“