Start Politik Streit um Digitalministerium: „Das ist so 80er“

Streit um Digitalministerium: „Das ist so 80er“

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50 Prozent der SPD-Spitze: Digitalpolitikerin Saskia Esken (Foto: Deutscher Bundestag / Achim Melde)
50 Prozent der SPD-Spitze: Digitalpolitikerin Saskia Esken (Foto: Deutscher Bundestag / Achim Melde)

In der Großen Koalition gibt es Uneinigkeit über die Sinnhaftigkeit eines Digitalministeriums. Skeptisch ist unter anderem SPD-Chefin Saskia Esken.

Die frischgebackene SPD-Co-Vorsitzende schäumt: „Das ist so 80er…“. Via Twitter kritisiert Saskia Esken, dass man einer so komplexen Aufgabe wie dem digitalen Wandel durch die Schaffung einer „manifesten Struktur“ begegnen wolle. Völlig unbegreiflich ist aus ihrer Sicht aber der Zeitpunkt des Vorschlags – nämlich jetzt, zu Beginn der zweiten Hälfte der Legislatur.

Esken reagiert damit auf Forderungen führender Unions-Politiker gegenüber dem Handelsblatt, die abermals auf eine schnelle Einrichtung eines Digitalministeriums drängen.

In der Bevölkerung scheint es ebenfalls den Wunsch nach mehr digitaler Durchschlagskraft zu geben: Laut Digitalreport 2020 des Allenbach-Instituts werden der Bundesregierung desaströse Kompetenzwerte mit Blick auf die Digitalisierung zugestanden. 91 Prozent der Befragten vermissen ein klares Digitalisierungskonzept. Gerade einmal 4 Prozent halten Kanzleramtsminister Helge Braun (CDU) und Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) in Digitalfragen für kompetent, bei Digital-Staatsministerin Dorothee Bär (CSU) sind es fünf Prozent. An der Spitze: Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) mit 18 Prozent.

Ein Grund für die miserablen Werte: unklare Zuständigkeiten. Digitalkabinett, Digitalrat, Innovation Council, Kanzleramt, Innenministerium, Wirtschaftsministerium, Verkehrsministerium – sie alle reden mit. Irgendwie.

Seit Jahren wird um eine koordinierende Stelle gerungen, an der alle Digital-Fäden zusammenlaufen: ein Digitalministerium, das analog zum Justiz-, Umwelt- oder Finanzministerium als Querschnitts-Ressort auftritt. CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt hat sich mehrfach dafür ausgesprochen, außerdem der Startup-Beauftragte Thomas Jarzombek (CDU), die Junge Union, der CDU-Parteitag, CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer und der IT-Branchenverband Bitkom. Erst im November hatte außerdem die FDP ein solches Ressort als „überfällig“ bezeichnet. Das Kompetenzgerangel zwischen fünf Ministerien müsse ein Ende haben. Allerdings: Einen entsprechenden FDP-Antrag hatte der Bundestag erst im Oktober abgelehnt.

Digital-Staatsministerin Dorothee Bär (3. v.l.), SPD-Politikerin Saskia Esken und Europa-Parlamentarier Tiemo Wölken (3. v. r.) beim Game-Sommerfest 2019.
Digital-Staatsministerin Dorothee Bär (3. v.l.), SPD-Politikerin Saskia Esken und Europa-Parlamentarier Tiemo Wölken (3. v. r.) beim Game-Sommerfest 2019.

Immer wieder als Top-Kandidatin für diesen Job wird Dorothee Bär genannt – die zwar als Merkels Staatsministerin im Zentrum der Macht sitzt, aber gleichzeitig weder über Personal noch über Budgets noch über Befugnisse verfügt, wirklich etwas zu bewegen. Denn die Haushaltsmittel für Breitbandausbau, 5G-Masten, Startup-Förderung oder Computerspiele-Branche sind bei Altmaier und Scheuer geparkt.

Das Handelsblatt zitiert Bär mit den Worten, dass zunächst die konkreten Kompetenzen eines solchen Ministeriums geklärt werden müssten: „Da jedes Thema in jedem Ressort von der Digitalisierung betroffen ist, müsste ein Digitalministerium ressortübergreifend durchgreifen und nicht nur koordinieren, das verbreitete Silodenken müsste durchbrochen werden.“ Bär nennt als Beispiel das Finanzministerium, das mit einem Veto-Recht ausgestattet sei: SPD-Minister Olaf Scholz kann in begründeten Fällen ungefähr alle Projekte ausbremsen.

Durch die ohnehin kolportierte Kabinettsumbildung zur Halbzeit der amtierenden Groko öffnet sich ein schmales Zeitfenster, um ein Digitalministerium noch vor der nächsten Bundestagswahl zu installieren. Bei der SPD gibt es allerdings die nicht ganz unberechtigte Sorge, die Union könne ein solches Digitalministerium mit eigenem Minister und Staatssekretären ausstatten, derweil die ohnehin strauchelnden Sozialdemokraten leer ausgingen.

Fest steht: Ohne die Zustimmung des Koalitionspartners wird es nicht gehen. SPD-Chefin Esken hat zumindest schon mal durchblicken lassen, dass sie einer Digitalministerium skeptisch bis ablehnend gegenüber steht. Aufs Tempo drückt indes Bitkom-Präsident Achim Berg: „Wichtig ist, dass wir das jetzt angehen und nicht noch mehr Zeit verlieren“, sagte er gegenüber dem Handelsblatt.

Unmittelbare Konsequenzen hätte ein solches Digitalministerium mit großer Wahrscheinlichkeit für die deutsche Computerspiel-Branche: Die Budgets für Games-Förderung und Computerspielpreis dürften dann vom derzeit federführenden Verkehrsministerium in das neue Ressort überführt werden.