Start Meinung Games-Ministerin Dorothee Bär: Bassd scho (Kommentar)

Games-Ministerin Dorothee Bär: Bassd scho (Kommentar)

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CSU-Politikerin Dorothee Bär (2. von links) mit Andreas Scheuer beim Deutschen Computerspielpreis 2019 (Franziska Krug/Getty Images for Quinke Networks)
CSU-Politikerin Dorothee Bär (2. von links) mit Andreas Scheuer beim Deutschen Computerspielpreis 2019 (Franziska Krug/Getty Images for Quinke Networks)

Es ist nicht überliefert, ob in der Geschäftsstelle des Games-Verbands die Schampus-Korken knallten – die Personalie Dorothee Bär böte Anlass.

Ein Kommentar von Petra Fröhlich

Es mag tausend Gründe geben, Dorothee Gisela Renate Maria Bär doof zu finden. Wegen ihrer Partei. Wegen ihres frängischen Zungenschlags. Wegen des Umstands, dass die 47jährige seit 23 (!) Jahren im Bundestag sitzt. Weil sie höchst ungerne PR-Gelegenheiten und Talkshow-Auftritte liegen lässt. Wegen ihres unerhörten Hoermanseder-Outfits beim Computerspielpreis 2019. Und natürlich wegen ihrer offen zur Schau getragenen Flugtaxi-Obsession.

Was man ihr nicht vorwerfen kann: dass „die Doro“ mit der Games-Branche fremdelt. Das exakte Gegenteil ist der Fall. Kaum ein Verbands-Sommerfest und kaum eine Gamescom kommt ohne Bär aus. Alleine dieser Umstand sorgt schon für mehr Qualifikation als bei all ihren Vorgängern zusammen.

Seit heute ist klar: Als Bundesministerin für Forschung, Technologie und Raumfahrt wird Dorothee Bär im Merz-Kabinett auch für die Games-Branche zuständig sein, wie CSU-Chef Markus Söder entlang der Pressekonferenz ausdrücklich betonte.

Ist das jetzt … gut? Wie man in Franken sagt: Bassd scho. Denn wer Bärs Karriere schon etwas länger verfolgt, weiß: Hier hat jemand ein Thema gesucht – und gefunden.

  • Inmitten der Killerspiel-Debatten seit den Anfang-2000ern hat sich die damalige Jungpolitikerin regelmäßig tapfer in den Wind gestellt und auch innerparteilichen Zorn von CSU-Granden wie Beckstein, Seehofer, Herrmann und Söder ausgehalten – obwohl es an dieser Stelle karrieretechnisch exakt nichts zu gewinnen gab (mehr dazu in dieser Kolumne).
  • Bär war es, die 2010 gemeinsam mit den FDP-Kollegen Höferlin und Schulz die erste Counter-Strike-LAN-Party unter der Reichstag-Kuppel veranstaltet hat – sehr zum Ärger konservativer Unions-Kollegen. Wer dies als Na-und-Lappalie abtut, hat das damalige politische Klima nicht erlebt.
  • Namens der Bundesregierung hat sie die Vereinbarungen für den Deutschen Computerspielpreis verhandelt und dafür gesorgt, dass die Nominierten 2019 im Kanzleramt empfangen wurden.
  • Dass der Bund seit Einführung der Games-Förderung anno 2019 eine knappe Viertelmilliarde Euro in die Branche gelotst hat, ist – auch – ein Verdienst von Bär.
  • Im Endlos-Streit um die E-Sport-Gemeinnützigkeit ging sie auf Distanz zum übermächtigen Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB). Im November 2020 setzte Bär eine Petition mit dem Ziel auf, das überfällige Koalitionsvertrags-Versprechen einzulösen – und rebellierte damit gegen den eigenen Innenminister.

Und so weiter.

DCP-Empfang im Kanzleramt: Staatsministerin Dorothee Bär, Felix Falk (Game-Verband) und Kanzlerin Angela Merkel
DCP-Empfang im Kanzleramt: Staatsministerin Dorothee Bär, Felix Falk (Game-Verband) und Kanzlerin Angela Merkel

Wenn man sich mal für fünf Sekunden den Schaum aus den Mundwinkeln wischt und halbwegs objektiv auf die Gemengelage blickt, bleibt festzuhalten: Eine Games-Ministerin Bär ist das Beste, was Deutschlands Computerspiele-Entwicklern passieren konnte.

Denn alle (wirklich: alle) anderen denkbaren Konstellationen wären entweder ein „Weiter so“ oder ein Rückschritt.

  • Das Wirtschaftsministerium war zwar stets bemüht, das Games-Gewerbe zu unterstützen. Doch obwohl Habeck, Kellner & Co. robuste bis herzliche bilaterale Beziehungen zur Branche unterhielten, waren es unterm Strich dann doch drei verlorene Jahre – weil zu viel verwaltet und zu wenig gestaltet wurde.
  • Das nigelnagelneue Digitalministerium unter Leitung von MediaMarkt-Boss Karsten Wildberger soll den Staat modernisieren und die Verwaltung ans und ins Netz bringen. Da hätten Games nicht richtig gepasst.
  • Die Kultur- und Medien-Beauftragten – gleich welcher Partei – konnten mit Computerspielen noch nie wirklich was anfangen. Im Zweifel suchten Grütters, Roth & Co. lieber das Blitzlicht von Berlinale und Buchmesse. Dass Quereinsteiger Wolfram Weimer an dieser Tradition rüttelt: unwahrscheinlich.

Viel wird nun davon abhängen, wie das neu zugeschnittene Ressort für Forschung, Technologie und Raumfahrt konkret ausgestaltet und ausgestattet ist – gerade mit Blick auf die Finanzen. Aber da es sich erstens um ein CSU-Ministerium handelt, das zweitens Söders Lieblingsthema Raumfahrt bespielt, muss man sich da drittens eher weniger Sorgen machen. Der CSU-Chef wird nicht zulassen, dass seine Partei-Freundin analog zu ihrer Rolle als Merkels Digital-Beauftragte wieder als Königin ohne Land (sprich: Geld und Personal) endet.

Ihren Leder-Latex-Wonderwoman-Auftritt auf dem Roten Teppich beim Deutschen Computerspielpreis 2019 in Berlin hat die CSU-Politikerin im Übrigen nie bereut – trotz aller Häme. Begründung: „Die Branche ist so wichtig für Deutschland und die Digitalisierung insgesamt, sie verdient daher viel Aufmerksamkeit – dazu konnte auch ich einen Beitrag leisten.“

Genau darum muss es jetzt gehen: einen wirklich wirksamen Beitrag zu leisten, damit der Games-Standort in seiner ganzen Breite und Vielfalt vorankommt. Aus rein egoistischer Branchensicht kann, ja: muss man der designierten Ministerin dazu viel Glück wünschen.


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10 Kommentare

  1. Hallo Petra,

    die Aufzählung habe ich gesehen, aber das war nicht der in meinem Kommentar beanstandete bzw. hinterfragte Punkt. Ich hake noch einmal nach: Warum ist ein Detail wie Bärs Kleiderwahl relevant für die gameswirtschaftliche Bewertung, nicht aber ihre politische Agenda? Das erschließt sich mir nicht.

    Und Du siehst keine Menschenfeindlichkeit darin, dass Personen(gruppen) aufgrund bestimmter Merkmale gleiche Rechte aberkannt werden sollen (Ehe für alle); dass trans Personen die Selbstbestimmung verwehrt bleiben soll, obwohl der fehlende Zugang zu geschlechtsangleichenden Maßnahmen bekanntermaßen zu hohen Suizidraten führt? Dass sie einen rechtsextremen Politiker (DeSantis) öffentlichkeitswirksam unterstützt, der u.a. Aufklärung über Rassismus abschaffen will, weil er sie als „woke Indoktrination“ betrachtet, und der sich aktiv gegen die körperliche Selbstbestimmung schwangerer Frauen einsetzt? Ganz zu schweigen davon, dass Bär die Abstimmung mit der AfD und damit den Abbruch der Brandmauer verteidigt hat, sie hilfesuchende Geflüchtete als „Zustrom“ entmenschlicht. Nichts davon erscheint Dir radikal?

    • Hi Nina,

      das DCP-Outfit steht deshalb in der Liste, weil es bis heute innerhalb und außerhalb in der Branche nachhallt. Das Thema wurde seinerzeit rauf und runter besprochen. Es hat Relevanz. Will es nicht überhöhen, aber ein Statement war und ist es in jedem Fall – die PR in eigener Sache ist wie immer eingepreist.

      Und selbstverständlich werden wir Myriaden von Themen finden, wo Bär eine mind. diskussionswürdige Position einnimmt. Die Formulierung von „Ökoterroristen“ im Zusammenhang mit den Protesten gegen Felßner ist keine fünf Wochen alt.

      Dem sog. ‚Zustrombegrenzungsgesetz‘ hat die komplette CSU-Landesgruppe zugestimmt. Wenn die CSU das Forschungs-Ressort besetzen darf/soll, dann wird man zwangsläufig jemanden bekommen, der mit dem Einriss der ‚Brandmauer‘ zumindest kein größeres Problem hatte. Das kann und muss man kritisieren (ist ja medial auch wochenlang passiert), hilft aber mE nicht bei der Bewertung der Frage, ob Bär aus Branchen-Perspektive eine gute Wahl ist.

      Wenn man die Personalie für einen Fehler hält (fair enough), dann würden mich zwei, drei patente alternative Namen interessieren.

      Petra
      GamesWirtschaft

      • Hallo Petra,

        wenn Dir die Förderung eines Wirtschaftszweigs wichtiger erscheint als die Priorisierung fundamentaler Menschenrechte, und so klingt es hier ja immer wieder an, sehe ich leider keine Grundlage für weiteren produktiven Austausch. Dennoch danke ich Dir dafür, dass Du Dir die Zeit für diese Antworten genommen hast, und wünsche Dir alles Gute.

        Viele Grüße,
        Nina

        • Hi Nina,

          die Zuspitzung auf „Menschenrechte vs wirtschaftliche Interessen“ finde ich nicht angemessen. Wir reden vom Forschungs-Ressort – nicht vom Auswärtigen Amt. Die Frage, ob sie als ‚Games-Ministerin‘ taugt, mach ich daher nicht an einem Treffen mit dem Gouverneur von Florida fest.

          Ich kann verstehen, wenn man Bär aus Gründen ablehnt – alles fein. Mich würde dann nur wirklich wirklich wirklich interessieren, wer den Ansprüchen eher genügt. Aus der Union kann’s ja offenbar schon mal niemand sein, wenn man die eingerissene Brandmauer als K.o.-Kriterium heranzieht.

          Petra

  2. Der relevantes Grund, Frau Bär „doof“ zu finden, wird in der Aufzählung auffallend harmloser Eigenschaften leider nicht genannt: Ihre prominent nach außen getragene Queerfeindlichkeit. Sie ist ergo nur „das Beste, was Deutschlands Computerspiele-Entwicklern passieren könnte“, wenn man sich qua seiner geschlechtlichen Identität und sexuelle Orientierung keine Sorgen ob ihrer Feindseligkeit zu machen braucht.

    Weiterführende Informationen gibt es u.a. hier: https://www.queer.de/detail.php?article_id=45832

    Höchst bedenklich ist auch ihr Treffen mit Ron DeSantis, dem sie offenbar kein einziges kritisches Wort entgegenzubringen hatte.

    Dorothee Bär vertritt radikale, menschenfeindliche Positionen. Das können wir nicht einfach ausblenden, nur weil sie ggf. unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten eine gute Wahl für den Entwicklungsstandort Deutschland ist.

    • Hi Nina, danke für das Feedback und die Anmerkungen. Da bitte ich auch um etwas Nachsicht, dass wir die Personalie zunächst aus rein gameswirtschaftlicher Perspektive bewerten – und nicht noch den kompletten Beipackzettel an mindestens diskussionswürdigen Positionen aus zwei Jahrzehnten auffächern. Wir werden keinen Kandidaten und keine Kandidatin finden, die diesem Anspruch gerecht wird.

      Viele Grüße
      Petra

      • Queere Menschen sind auch Teil der Gamesbranche und keine außenstehende obskure Gruppe, die irgendwo in der Gesellschaft ohne jegliche Verbindungen zur alltäglichen Welt herumschwebt.
        Für Menschen, die in divers aufgestellten Studios arbeiten, in ihren Spielen keine cis hetero Männer als Hauptcharaktere haben oder vielleicht sogar Serious Games zur Aufklärung für queere Menschen machen wollen, ist das schon wichtig zu wissen. Besonders wenns z. B. um Spieleförderung geht, müssen sich Spieleentwickler*innen jetzt fragen, ob ihre geplanten Projekte in den nächsten vier Jahren kategorisch benachteiligt werden.

        Ihr möchtet die neue Ministerin aus rein gameswirtschaftlicher Perspektive beurteilen? Dann gehört sowas definitiv in so einen Artikel, denn queere Menschen sind ebenfalls Teil der Gameswirtschaft.

        • Danke für das Feedback. Da gibt es auch keinen Widerspruch – dürfte wenige Branchen geben, die so ‚bunt‘ sind wie die Games-Industrie, auch in Deutschland. Lässt sich auch wunderbar auf Events, Messen, Konferenzen besichtigen. Gleichwohl ist das natürlich kein Selbstläufer, wie etwa die gegenläufige Entwicklung in den USA und das ‚Klima‘ in Social Media zeigen.

          Sehr grundsätzlich halte ich eine „kategorische Benachteiligung“ mit Blick auf die Games-Förderung für sehr unwahrscheinlich, weil Tax Credits nicht nach Orientierung fragen. Ganz im Gegenteil: In Hamburg ist beispielsweise eine „Diversity Checklist“ integraler Bestandteil der Antragsunterlagen.

          Aber das ist doch dann schon mal eine schöne Aufgabe, die künftige Games-Ministerin (die ja auch erstmal vereidigt werden muss) mit Blick auf ihre Position zu konfrontieren.

          Petra
          GamesWirtschaft

          • Hallo Petra,

            danke für Deine Antwort(en).

            Das Problem sehe ich weniger in möglicher Benachteiligung im Zuge der Games-Förderung; es geht primär darum, dass eine Person mit eindeutig queerfeindlicher Agenda (wahrscheinlich) ein so einflussreiches Amt bekleiden und damit zwangsläufig die politische Landschaft in Deutschland prägen wird. Auch geht es um das Signal nach außen, insbesondere an trans Personen, die sich mit zunehmender Popularität der AfD und der aggressiven Äußerungen weiterer CDU-/CSU-Vertreter*innen in Deutschland immer weniger sicher fühlen, weil gezielt Stimmung gegen sie gemacht wird.

            Wenn Du die „Personalie“, wie Du schreibst, „zunächst aus rein gameswirtschaftlicher Perspektive bewerten“ möchtest, dann verstehe ich die verweise auf ihren Dialekt und ihre Kleiderwahl in der Einleitung nicht, denn beides hat nichts mit Bärs Qualifikation für diesen Posten zu tun; wenn wir aber die Person selbst beleuchten, wie Du es ja hier durch die Nennung dieser „kontroversen“ Aspekte tust, dann darf der Hinweis auf ihre politische Agenda nicht fehlen. Alles andere wirkt massiv verharmlosend.

          • Hi Nina,

            die gameswirtschaftliche Bewertung erfolgt entlang der Bulletpoint-Aufzählung – denn das sind alles konkrete Argumente, die die Besser-hätts-nicht-laufen-können-These stützen.

            Die Alternative lautet, dass wir auf diesem Posten (wieder) jemanden erleben, der so gar keinen Bezug zur Branche hat – so wie Habeck, der auf anderen Feldern reüssiert haben mag und sicher ein stabiles Weltbild vorweisen kann, aber das Thema Games abseits von zweieinhalb Druckbetankungs-Gamescom-Tagen null gespürt hat. Deshalb ging da auch nichts voran. Gleiches galt für Roth im Kultur-/Medien-Ressort.

            Ich sehe und verstehe das Argument, teile aber nicht die Bewertung, dass Bär eine „radikale“ oder „menschenfeindliche“ Politik betreibt. Und selbst wenn man ihr das unterstellt: Mir ist lieber, dass man an dieser Stelle die Auseinandersetzung sucht und führt – als dass wir weiteren Stillstand erleben.

            Viele Grüße
            Petra

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