Der Bund will bis 2026 weitere 100 Mio. € für die Games-Förderung ausgeben. Klingt gut, hat aber Tücken – eine erste GamesWirtschaft-Einschätzung.
von Petra Fröhlich
Diesen Ausgang hatte wohl niemand auf dem Zettel: In Summe 100 Mio. € hat der Haushaltsausschuss des Bundestags für Deutschlands Games-Entwickler eingeplant, verteilt auf 2024, 2025 und 2026. Also pro Jahr 33,3 Mio. €.
Der entscheidende Story-Twist: Das Geld wird nicht, wie bisher, von Habecks Wirtschafts- und Klimaschutz-Ministerium (BMWK) verteilt, sondern von Claudia Roth – der Beauftragten für Kultur und Medien im Kanzleramt.
Ist das nun gut? Schlecht? Mittelgut? In jedem Fall: anders. Denn in der Konsequenz heißt das:
- Die Branche hat künftig gleich zwei Ansprechpartner für ein- und dasselbe Thema. Die beiden Ministerien liegen zwar nur einen knappen Kilometer Luftlinie auseinander, beackern aber nun mal unterschiedliche Felder: hier Wirtschafts-Förderung (samt eigenem ‚Games-Referat‘), dort Kultur-Förderung (ohne Referat).
- Der seit Mai 2023 anhaltende Antrags-Stopp beim Wirtschaftsministerium gilt weiterhin – und zwar mindestens bis Ende 2024, also eingangs des Wahljahres 2025. Wir reden absehbar von mehr als eineinhalb (!) Jahren Zwangspause. Das ist für kleine wie große Studios, die hier und heute an der Finanzierung basteln, ein echtes, zuweilen existenzielles Problem.
- Die Raten für 200 bereits bewilligte und noch in Entwicklung befindlichen Spiele (über 300 sind schon fertig) werden natürlich weiterhin ausbezahlt. Inklusive dem Preisgeld für den Computerspielpreis hat der Bund dafür knapp 51 Mio. € zurückgelegt.
- Das Haus von Claudia Roth muss zunächst ein komplett neues Programm aufsetzen. Damit begonnen werden kann allerdings erst, wenn der 2024-Haushalt ‚durch‘ ist, also frühestens nach der Weihnachtspause (vorbehaltlich weiterer Oppositions-Volten). Zeitplan, Ausgestaltung, Kriterien, Quoten, Voraussetzungen, Personal, zuständige Abteilung, Anschlussfähigkeit an bestehende Programme – alles offen.
Dieser Last-Minute-Stunt der Bundestags-Haushälter – so überraschend und verwegen er sein mag – hat insbesondere einen Zweck: Die Politik kauft sich Zeit. Zeit, um die Risiken und Nebenwirkungen der bisherigen Förder-Mechanik zu entschärfen.
Deren größtes Problem, wie mehrfach erlebt: die fehlende Planbarkeit. Ist der Fördertopf von zuletzt 70 Mio. € aufgebraucht, heißt es: Pech gehabt. Von heute auf morgen. So kann kein Gründer, Unternehmer oder Investor arbeiten.
Mehr Zeit ist auch aus anderen Gründen vonnöten. Denn bislang fehlt es an belastbaren, unabhängigen Daten, wie nachhaltig die seit 2019 ausgeschütteten 200+ Mio. € investiert waren und inwieweit die verfolgten Ziele erreicht werden (können) – der Bericht der Wirtschaftsprüfer liegt immer noch nicht vor. Habeck hat zum Beispiel mehr als einmal vor möglichen ‚Mitnahme-Effekten‘ gewarnt. Übersetzt: Wäre bei Ubisoft Mainz auch nur eine einzige Anno 1800-Erweiterung weniger vom Band gelaufen, wenn der Steuerzahler nicht mit Millionen-Subventionen unter die Arme gegriffen hätte?
Anstatt also stumpf das bestehende, erwiesenermaßen anfällige und auch ungerechte Förderprogramm um weitere 50, 70, 100 Mio. € aufzustocken und damit die Probleme immer weiter zu verlängern, wird nun eine zusätzliche Geldquelle mit neuem Schwerpunkt in einem anderen Haushaltsplan angezapft – insoweit ein pfiffiger Schachzug.
Zur Wahrheit gehört aber auch: Das angestrebte ‚level playing field‘ – also die Angleichung der deutschen Produktionskosten an internationale Mitbewerber – wird bis auf Weiteres nicht gelingen. Wie auch? Dazu bräuchte es substanzielle steuerliche Anreize, wie sie in anderen Ländern üblich sind. Finanz-Politiker finden die Idee gut, warnen aber: Das ist kein Sprint, sondern ein Marathon.
Das von der Bundesregierung ausgegebene Ziel, „Deutschland als Leitmarkt“ zu etablieren (durch Anwerbung ausländischer Publisher, mehr Blockbuster-Produktionen, mehr Risikokapital etc.), wird ein vergleichsweise übersichtliches 33 Mio. €-Kultur-Paket – so erfreulich es ist – erst recht kaum leisten können. Zur Erinnerung: Der Industrie-Verband hielt 125 Mio. € für angemessen, um die gröbste Not zu lindern.
Unterm Strich droht dem Games-Standort Deutschland ein verlorenes Jahr, weil Ungewissheit über das Wie, Was, Wann, Für Wen und Wieviel an staatlicher Entwicklungshilfe nun mal keine grandiose Grundlage bietet für Gründungen, Investitionen und neue Arbeitsplätze. Das ist kein Fort-, sondern ein Rückschritt.
NRW-Staatskanzlei-Chef Liminski hat demzufolge völlig Recht mit seiner Forderung, dass nun rasch Details des Kultur-Programms geklärt werden müssen. Im besten Fall existiert im politischen Berlin zumindest eine grobe Idee, wer genau vom Geldsegen eigentlich profitieren soll – und wer nicht.
Trotz all dieser Fragezeichen ist Demut angezeigt: 100 Mio. € auf drei Jahre sind kein Pappenstiel, gerade im Lichte der angespannten und zuletzt verschärften Haushaltslage. Der Branchen-Lobby ist damit ein neuerlicher Punktsieg gelungen: Die Ampel will sich erkennbar nicht nachsagen lassen, sie ließe eine 10-Milliarden-€-Branche im Stich.
Ich gebe bei den meisten Punkten recht. Jedoch gerade beim Punkt Förderung sollte man differenzierter hingucken, finde ich:
> „Wäre bei Ubisoft Mainz auch nur eine einzige Anno 1800-Erweiterung weniger vom Band gelaufen, wenn der Steuerzahler nicht mit Millionen-Subventionen unter die Arme gegriffen hätte?“
Ich kann verstehen, woher so ein Gedanke kommt: „Wieso bekommen die, die eh schon ‚groß‘ sind, noch Geld von uns?“ Die Subventionsmenge im Vergleich zu den Produktionskosten ist gering. Subventionen halten große Unternehmen im Land. Das bringt zum einen mehr Know-How ins Land und schafft zum anderen Arbeitsplätze in größeren Entwicklerstudios. Um also zu Aussage zurückzukehren: Wären weniger Anno 1800 Erweiterungen vom Band gelaufen? Nein, da gebe ich recht. Langfristig könnten fehlende Subventionen jedoch zum Abwandern und somit zum Fehlen ganzer Spielereihen sowie Know-How im Land führen. Zudem gibt es auch sehr viele Entwicklerstudios, die gefördert werden, deren Spiele es aber teilweise nicht mal zum Release schaffen. Wie also besser differenzieren, wer es „wert“ ist gefördert zu werden? Dann doch einfach den Topf für alle offen halten.
> „Absolut. Denn was viele Vergessen, andere Länder haben keine Förderprogramme. Da müssen die Entwicklungskosten aus eigener Tasche gezahlt werden. D.h. man ist sowohl auf technische, als auch spielerische Innovation angewiesen – in Deutschland sieht das anders aus. Bei uns hat sich eine Kultur des Müßiganges etabliert – frei nachd em Motto der Staat regelt das schon für mich.
Da ist es dann weniger überraschend wenn Dorfromantik abseits des Einheitsbreis große Erfolge feiert, zumindest für Entwickler die vor lauter Dollarzeichen noch nicht das wesentliche aus dem Blick verloren haben. Spiele sind wie Filme, kein Produkt welches in erster Linie mit Profitabsicht produziert werden sollte sondern mit einer eigenen Identität, Charme und Herzblut punkten müssen und Remakes machen es nicht immer besser!“
In anderen Ländern sind die Personalkosten aber auch nicht so hoch, wie hier im Lande. Personalkosten sind und bleiben in Deutschland einer der größten Kostenpunkte für Unternehmen. Zudem haben Länder wie Polen, UK und Frankreich ebenfalls Förderungen der Games-Branche. Des Weiteren ist es glaube ich eine etwas „romantisierte“ bzw. „idealisierte“ Sichtweise auf die Game-Branche. Klar ist es total schön, wenn Spiele einen Mehrwert mit viel Charme bringen und man merkt, wie viel die EntwicklerInnen dort investiert haben, da wäre ich sofort dabei. Am Ende des realistischeren Tages müssen aber auch Stakeholder bezahlt werden, Idealismus hin oder her. Das beides unter einen Hut zu bringen, wäre in meinen Augen die optimale Lösung, aber schwer zu erreichen. Dorfromantik ist darum auch ein Fall von „One-in-a-thousand“, zu dem aufgeblickt und der angestrebt werden sollte, jedoch nicht als Norm dienen kann. Zumal auch dort verständlicherweise der Erfolg monetarisiert wird, siehe das produzierte Brettspiel neben dem PC-Spiel.
Danke für das ausführliche und fundierte Feedback. Ein Gedanke:
„Die Subventionsmenge im Vergleich zu den Produktionskosten ist gering“
Bei Spielen/DLCs mit einem Budget von 2 Mio. € – was dann schon ein etwas größerer Titel ist – trägt der Bund 50 Prozent der Kosten. Das ist schon erheblich. Gibt es Standorte, die die Hälfte eines Spiels finanzieren (und damit auch ins Risiko gehen)?
> Wäre bei Ubisoft Mainz auch nur eine einzige Anno 1800-Erweiterung weniger vom Band gelaufen, wenn der Steuerzahler nicht mit Millionen-Subventionen unter die Arme gegriffen hätte?
Spoiler: Nein!
> Das angestrebte ‚level playing field‘ – also die Angleichung der deutschen Produktionskosten an internationale Mitbewerber – wird bis auf Weiteres nicht gelingen
Wie denn auch? Das ist ein Vergleich von Äpfeln mit Birnen. Wollen wir wirklich die Produktionskosten einer USA erreichen – mit den daraus resultierenden Folgen von Bildern derer, die nachts uner ihren Schreibtischen schlafen damit ein Konzernboss sich eine weitere Privatyacht kaufen kann? Oder wollen wir eine Förderkultur um neuen Ideen Platz zu geben und weniger erfolgreichen Studios, die weder qualitativ noch innovativ sind das unnötig lange Leiden zu ersparen?
Weiter Fichten pflanzen oder doch ein gesunder Mischwald?
> NRW-Staatskanzlei-Chef Liminski hat demzufolge völlig Recht mit seiner Forderung, dass nun rasch Details des Kultur-Programms geklärt werden müssen
Das mit Sicherheit. Wobei die Idee von Kultur nicht von alten weißen Männern (oder in diesem Fall Frau) kommen darf sondern sich an dem Allgemeinverständnis eines Kulturgutes orientieren sollte. Sonst sehen wir emnächst vermehrt Umsetzungen von tatortfolgen anstelle eines international erfolgreichen Portfolios. Wenn Satire übertreiben darf,d ann dürfen das Computerspiele schon lange und kontroverse Themen gibt es mehr als genug!
> Trotz all dieser Fragezeichen ist Demut angezeigt
Absolut. Denn was viele Vergessen, andere Länder haben keine Förderprogramme. Da müssen die Entwicklungskosten aus eigener Tasche gezahlt werden. D.h. man ist sowohl auf technische, als auch spielerische Innovation angewiesen – in Deutschland sieht das anders aus. Bei uns hat sich eine Kultur des Müßiganges etabliert – frei nachd em Motto der Staat regelt das schon für mich.
Da ist es dann weniger überraschend wenn Dorfromantik abseits des Einheitsbreis große Erfolge feiert, zumindest für Entwickler die vor lauter Dollarzeichen noch nicht das wesentliche aus dem Blick verloren haben. Spiele sind wie Filme, kein Produkt welches in erster Linie mit Profitabsicht produziert werden sollte sondern mit einer eigenen Identität, Charme und Herzblut punkten müssen und Remakes machen es nicht immer besser!
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