Start Meinung Wird Söder doch noch zum Gamechanger? (Fröhlich am Freitag)

Wird Söder doch noch zum Gamechanger? (Fröhlich am Freitag)

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Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) beim Deutschen Computerspielpreis 2024 in München (Foto: Sebastian Reuter / Getty Images for Marchsreiter Communications)
Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) beim Deutschen Computerspielpreis 2024 in München (Foto: Sebastian Reuter / Getty Images for Marchsreiter Communications)

Bayern soll dringend Deutscher Meister unter den Games-Standorten werden. Und deshalb macht Söder, was man in Bayern halt so macht: Er geht ans Festgeldkonto.

Verehrte GamesWirtschaft-Leserin,
verehrter GamesWirtschaft-Leser,

es gibt mal wieder schöne News von einem Politiker, der sich mit Verve für die dringende Abschaltung von Kernkraftwerken, Verbrenner-Autos und Counter-Strike eingesetzt hat – nur um wenige Jahre später das exakte Gegenteil zu fordern.

Please welcome: Markus Thomas Theodor Söder.

Bayerns Ministerpräsident und CSU-Chef nahm in dieser Woche den errungenen Computerspielpreis-Umzug nach München zum Anlass, um der Industrie ein paar hübsche Lorbeerkränze zu wirken. Die „Formel 1 der Digitalisierung“ (Grundgütiger) passe schließlich dodal subber zum Hightech-Standort Bayern.

Nach Lesart der Ausrichter hat Bayern die bundesweite Ausschreibung gewonnen, weil der Freistaat unter völlig objektiven Gesichtspunkten eine „besonderes starke Bewerbung“ mit „neuen Ideen“ vorgelegt hat – und nicht etwa, weil das Angebot mit besonders starken finanziellen Zusagen unterfüttert war.

Ziemlich sicher keine entscheidende Rolle gespielt haben dürfte zudem der Umstand, dass die Computerspielpreis-Prokura seit neuestem bei einer Bundesministerin liegt, die wie Söder aus Franken stammt und dem CSU-Präsidium angehört. Oder? Oder?

Fröhlich am Freitag - die wöchentliche Kolumne bei GamesWirtschaft
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Jedenfalls kennt Söders Tatendrang keine Grenzen. The white-blue sky is the limit. Unverzüglich möchte er eine eigene „Bayerische Games-Strategie“ aufsetzen – und dafür sorgen, dass diese „innovative und kreative Branche“ ihre Produkte künftig in Bayern baut.

Überhaupt will Söder massiv investieren und Bayern zum „Games-Standort Nummer 1“ und München „zur deutschen Gaming-Hauptstadt“ machen. Das denk ich mir nicht aus. Das sagt er wirklich so. Auf seinen Social-Media-Kanälen hat er für diese Kampfansage sogar kurzzeitig das Food-Blogging unterbrochen.

Der Haken: Das Double aus Meisterschaft und Pokal nimmt bereits die ‚richtige‘ Hauptstadt für sich in Anspruch, also Berlin. Und natürlich Köln. Zumindest einmal im Jahr. Für eine Woche im August.

Wer die Branche schon etwas länger verfolgt, reibt sich verdutzt die Äuglein. Bayern, das Land der Berge, Seen, Becksteins, Herrmanns und Seehofers, will plötzlich eine wahrnehmbare Rolle in einem Wirtschaftszweig spielen, den man über Jahrzehnte behandelt hat wie ein lästiges Furunkel – trotz unermüdlicher Gegenrede der besagten Ministerin.

Denn die Staatsregierung hat proaktiv darauf zugearbeitet, um die Entwicklung weltmarktfähiger Games mindestens zu be-, idealerweise ganz zu verhindern. Schon 2009 verschickte Damals-wie-heute-Innenminister Joachim Herrmann eine irre Pressemitteilung, die Action-Spiele auf eine Stufe mit Kinder-Pornos stellte.

Die Branchen-Lobby schäumte und forderte per Offenem Brief eine Entschuldigung (die natürlich nie kam). Unterzeichner Stephan Reichart – einst Chef des Entwickler-Verbands, mittlerweile Devcom-Veranstalter – orakelte, mit solchen Politikern disqualifiziere sich Bayern „mittelfristig als Standort für Deutschlands wichtigste Entertainment-Industrie.“ 

Da hatte er freilich einen Punkt: Wer will in so einem Klima gründen, investieren, Leute einstellen?

Wäre man etwa mit Crytek – damals eine der europaweit heißesten Adressen für Ego-Shooter – nur ein Jota anständiger umgegangen, säße der Hunt: Showdown-Betreiber mit all den sozialversicherungspflichtigen Jobs vielleicht heute noch im bayerischen Coburg. Oder zumindest in Aschaffenburg. Und nicht seit bald 20 Jahren im hessischen Frankfurt. Zwischenzeitlich war mal das europäische Umland im Gespräch.

Kaum war Crytek weg, brachte Bayern einen Gesetzentwurf in den Bundesrat ein, der die Herstellung, Verbreitung und Zugänglichmachung „virtueller Killerspiele“ (Zitat) unter Strafe stellen sollte. Söder war damals CSU-Generalsekretär.

Sofern der CSU auch nur einer ihrer vielen Stunts geglückt wäre, hätte dies automatisch dazu geführt, dass ganze Steam- und Elektronikmarkt-Regalmeter verwaisen. Grand Theft Auto, Half-Life, Call of Duty, Fallout, Far Cry, Resident Evil, Red Dead Redemption, Battlefield et cetera pp – alles muss raus. Die Welt der Computer- und Videospiele in Deutschland – sie wäre eine andere.

Und ja, lange her, verschüttete Milch – aber ich bin da ein bisschen nachtragend.

Denn die bitteren Langfrist-Folgen dieser ‚Standort-Politik‘ lassen sich hier und heute besichtigen: Millionenfach verkaufte, vielfach prämierte USK-18-Blockbuster wie Kingdom Come Deliverance 2, The Witcher 3 oder Cyberpunk 2077 entstehen wenige Autostunden entfernt in Prag, Krakau und Warschau. In Bayern, dem aufgehenden Stern des Südens unter den Games-Standorten, hätten die Entwickler für ihre Projekte weder Anerkennung noch einen müden Cent bekommen – und zwar aus rein ideologischen Gründen.

Nach außen mag Söder mittlerweile den Games-Flüsterer geben. In der Praxis subventioniert sein Bundesland weiterhin nur Videospiele, die „eine Altersfreigabe höchstens bis ‚ab 16 Jahren‘ erwarten lassen“.

Moorhuhnjagd? Gerade noch okay. The Last of Us? Nicht so gerne.

So wird das nix.

Die Engine, mit der Kingdom Come Deliverance 2 angetrieben wird, stammt übrigens ebenfalls von Crytek.

Sofern es Bayern wirklich ernst meint mit den kühnen Ambitionen, dann sollte man sich vor Aufstellung der angekündigten „Games-Strategie“ wenigstens für fünf Minuten ehrlich machen. Grobe Geld-zum-Fenster-raus-Fehlentscheidungen der Vergangenheit aufarbeiten. Unabhängige Expertise zu Rate ziehen. Realistische Zielvorgaben formulieren. Und in diesem Zusammenhang bitte nicht davon ausgehen, dass schon 2026 ein Minecraft-Killer-Spiel vom Band läuft.

Stabile Rahmenbedingungen wären ein guter Anfang. Den ‚Rest‘ kriegt die Branche schon ganz gut alleine hin.

Insbesondere sollte man nicht in Bundesliga-Dimensionen denken. Natürlich ist es ganz großartig, vielversprechende Indies und seriös wirtschaftende Mittelständler im Land zu haben. Unabdingbar fürs Ökosystem ist aber eben auch die Ansiedlung von Großbetrieben, wie andere Länder zeigen.

Der Trend ist – leider – gegenläufig. Die Branche schrumpft. In ganz Deutschland gibt es derzeit keine 20 Studio-Standorte mit mehr als 100 Beschäftigten. Aber das muss ja nicht so bleiben. Krise als Chance. Söder, Mehring, Bär & Co. könnten den Humus bereiten.

Und ganz im Ernst und ohne Flax: Auch wenn die Industrie seit nur 17 Jahren auf ein „Da san mir die Gäule durchgegangen“-Sorry des Innenministers wartet, bin ich ja ein kleines bisschen begeistert, wie es gelungen ist, das Gewerbe aus dem Schmuddelkeller zu holen und mit gezielten Lobby-Nadelstichen dafür zu sorgen, dass die Großkopferten in Senats- und Staatskanzleien plötzlich ungeahnten Ehrgeiz entwickeln, der Konkurrenz eins mitzugeben.

Bei Politikern mit dem Naturell eines Söder funktioniert sowas ja ziemlich zuverlässig. Jetzt heißt es: Das Eisen schmieden, solange es heiß ist. Nicht, dass dem Ministerpräsident in der nächsten Woche einfällt, dass er Bayern stattdessen lieber zum Tofu-Schnitzel-Standort Nummer 1 entwickeln will.

Ein schönes Wochenende wünscht Ihnen

Petra Fröhlich
Chefredakteurin GamesWirtschaft


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