Start Meinung Kleinvieh macht auch Mist (Fröhlich am Freitag)

Kleinvieh macht auch Mist (Fröhlich am Freitag)

0
Super-niedlich, hat's aber faustdick hinter den Ohren: Kleinvieh (Abbildung ähnlich / KI-generiert)
Super-niedlich, hat's aber faustdick hinter den Ohren: Kleinvieh (Abbildung ähnlich / KI-generiert)

Der Bund will größere Spiele-Projekte fördern – und die Länder stärker in die Pflicht nehmen. Auf der Strecke bleiben die kleinen Betriebe.

Verehrter GamesWirtschaft-Leser,
verehrte GamesWirtschaft-Leserin,

Achtung, Achtung, breaking news: Die Bundesregierung hat sich in dieser Woche ehrlich gemacht.

Auf eine Anfrage der FDP-Bundestags-Fraktion, warum für geförderte Games-Projekte ab 2025 eine Entwicklungskosten-Untergrenze von 300.000 € (statt bisher 100.000 €) gilt, räumte das Wirtschaftsministerium ein:

„Die im Rahmen der Wirtschaftlichkeitsuntersuchung festgelegten Ziele lassen sich mit sehr kleinen Projekten nicht oder nur schlecht erreichen.“ Begründung: Solche Projekte würden üblicherweise keine Beiträge liefern, die auf Bundesebene oder für den Standort Einflüsse erwarten lassen.

Ich übersetz‘ mal sehr frei: Mag schon sein, dass Kleinvieh auch Mist macht. Aber der ‚Mist‘ ist einfach nicht groß genug, damit sich der ganze politische und bürokratische Aufwand rechnet.

Die Redensart ist in diesem Zusammenhang natürlich nicht despektierlich gemeint, um gleich mal jedweder Fehlinterpretation vorzubeugen. Au contraire. Es geht alleine um potenzielle Segnungen für Jobs, Gründungen, Ansiedlungen, Gewerbesteuern – also um die Wahrscheinlichkeit, dass aus der UG oder GbR auf absehbare Zeit ein großes Studio mit vielen Arbeitsplätzen wird.

Ähnliche Bestrebungen gab es im Übrigen auch bei der Film-Förderung: Hollywood statt Arthouse. Weg vom Klein-Klein. Think big.

Fröhlich am Freitag - die wöchentliche Kolumne bei GamesWirtschaft
Fröhlich am Freitag – die wöchentliche Kolumne bei GamesWirtschaft

Die Kehrseite: Mit dem Fokus auf die dicken Brummer lässt man zwangsläufig ganz viele Chancen liegen, denn nicht wenige spätere Games-Welterfolge wurden nun mal von Soloselbstständigen oder Zwei-Mann-Butzen gebaut: Angefangen von naheliegenden Beispielen wie Tetris und Rollercoaster Tycoon über Minecraft bis hin zu jüngsten Beispielen wie Manor Lords oder dem Kartenspiel Balatro, das mittlerweile bei 5 Millionen Stück liegt und kurz vor Weihnachten drei Game Awards abgeräumt hat.

Auch die Genese vieler deutscher Spiele-Entwickler, die heute zweistellige Millionen-Umsätze per anno melden, lässt sich auf Kinderzimmer-Startups und Studenten-WGs zurückführen: Gameforge, Cipsoft, InnoGames, Kolibri, um nur einige zu nennen. Überwiegend ohne Venture-Capital-Millionen gestartet, dafür umso höherer Anteil an Friends and Family plus strapazierte Sparkassen-Dispos. Und natürlich ganz viel Dosen-Ravioli.

Aus anfänglich kleinen, vielfach spleenigen Ideen (auf die selbst Experten keinen Pfifferling gesetzt hätten) können eben erstaunlich große Firmen werden. Kluge Standort-Politik heißt deshalb auch, das Ökosystem immer schön durchlässig und die Hürden möglichst niedrig zu halten, um Wahrscheinlichkeiten zu erhöhen.

Doch in Deutschland passiert exakt das Gegenteil: Die Latte, über die Antragssteller für Fördermittel hüpfen müssen, wurde ein paar Stufen höher gelegt. Denn die amtierende Bundesregierung hat schon im Sommer vergangenen Jahres durchblicken lassen, dass sie nur noch Spiele fördern möchte, die ein Volumen von mindestens 400.000 € aufweisen. Nach lautem Protest sank das Limit auf besagte 300.000 €.

Nun kann man sagen: Die Kohle wird sich ja wohl irgendwie auftreiben lassen – jedes Bratwurstbuden-Startup braucht schließlich Eigenkapital. Nur: Unter den aktuell gültigen Voraussetzungen wären fast 300 der rund 570 ausgestellten Bescheide erst gar nicht zustande gekommen oder in Angriff genommen worden – immerhin jedes zweite Spiele-Projekt seit 2019.

Und wie wird nun die riesengroße Lücke im Bereich bis 300.000 € geschlossen? Die Bundesregierung fände es ganz knorke, wenn sich die Bundesländer deutlich stärker einbringen. Im Idealfall soll ein regelrechtes Fördergeld-Wettrüsten einsetzen. Doch dort sieht man es verblüffenderweise überhaupt nicht ein, als Lückenfüller einzuspringen – die einen können nicht, die anderen wollen nicht.

Im Ergebnis ist es so, dass sich die Standortbedingungen quer durch die Republik drastisch unterscheiden: Zehn Kilometer hin oder her können einen erheblichen Unterschied ausmachen.

So sind beispielsweise die Games-Töpfe in Bayern und NRW ganz ordentlich gefüllt, auch für 2025. Auf den dazwischen liegenden 21.000 Quadratkilometern sieht das ganz anders aus: Dass Hessen in der aktuellen Standort-Bundesliga einen beeindruckenden 16. von 16 Plätzen belegt, hat auch damit zu tun, dass die schwarz-rote Landesregierung einfach nicht liefert. Deren Koalitionsvertrag ist jetzt wie ein Riesling ein gutes Jahr gereift – ohne dass sich für Entwickler aus Kassel, Fulda oder Darmstadt irgendwas Substanzielles verändert hätte.

Dass es im Wiesbadener Wirtschaftsministerium keinen akuten Handlungsbedarf zu geben scheint, liegt möglicherweise auch daran, dass die regionalen Spielefirmen ein kleines bisschen zu erfolgreich sind.

Denn explizit in Hessen entstehen ja sehr wohl Computer- und Videospiele in substanziellem Umfang – nur halt nicht wegen, sondern trotz der gelebten Untätigkeit der Landesregierung. Zum Beispiel bei Crytek (Hunt: Showdown, Crysis 4), bei Deck13 (Atlas Fallen), bei Keen Games (Enshrouded), bei Limbic (Park Beyond), bei Claymore Games (Commandos: Origins), bei Cloud Imperium Games (Star Citizen), bei Gunzilla Games (Off the Grid) oder bei Weltenbauer (Bau-Simulator).

Das bislang praktizierte Förderprogramm (Hessen Serious Game) deckt ’nur‘ einen Teilbereich ab – die Zuschüsse sind zudem auf 50.000 € gedeckelt. Kaum mehr als ein Tropfen auf den heißen Stein also. Der Branchenverband beziffert den Bedarf allein für Hessen mit 3 Mio. €, um zumindest national halbwegs auf Augenhöhe mitspielen zu können.

Am anderen Ende der Skala tut sich die Politik irrsinnig schwer, steuerliche Anreize für gutsituierte Mittelständler und internationale Spiele-Konzerne zu entwickeln. Und so ist weiteres Rumwursteln vorprogrammiert, wie ein scheuer Blick in die Wahlprogramme zeigt.

Es bleibt dabei: Wenn der Games-Standort Deutschland eine gute Zukunft haben soll, dann braucht es Betriebe und Spiele aller Größenordnungen – kleine, mittelgroße, sehr große. Und eben auch die ganz kleinen. Erst recht sollte es mit Blick auf Förderprogramme keinen Unterschied machen, ob ein Spiel nun in Marburg, Magdeburg, Mannheim oder Mainz entsteht.

Ein schönes Wochenende wünscht Ihnen

Petra Fröhlich
Chefredakteurin GamesWirtschaft


Immer freitags, immer kostenlos: Jetzt GamesWirtschaft-Newsletter abonnieren!
GamesWirtschaft auf Social Media: LinkedInFacebookX ● ThreadsBluesky