Start Meinung Es ist nicht alles schlecht (Fröhlich am Freitag)

Es ist nicht alles schlecht (Fröhlich am Freitag)

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Es braucht gar keine rosaroten Brillen, um Positives in der Games-Branche wahrzunehmen (Abbildung: Midjourney)
Es braucht gar keine rosaroten Brillen, um Positives in der Games-Branche wahrzunehmen (Abbildung: Midjourney)

An einem ‚Schwarzen Freitag‘ wie heute mag das Motto dieser Kolumne irritieren. Doch gerade inmitten betrüblicher Meldungen gibt es auch Grund zu Optimismus.

Verehrte GamesWirtschaft-Leserin,
verehrter GamesWirtschaft-Leser,

wer das Heute-Journal einschaltet, bei N-TV reinzappt oder Startseiten und Apps von FAZ, Welt, CNN oder Spiegel Online aufruft, tut dies in dem Bewusstsein, dass ihn eine Wagenladung schlechter Laune erwartet. Katastrophen, Kriege, Koalitions-Beef – wohin mal blickt. Nutzer sozialer Medien sind infolge perfider Algorithmen erst recht empfänglich und anfällig für den Eindruck, dass uns der Laden zeitnah komplett um die Ohren fliegt.

Für den exzessiven Konsum negativer Botschaften im Netz gibt es sogar einen eigenen Fachbegriff: ‚Doom-Scrolling‘ – Weltuntergang als Hobby.

Der Nachschub geht so schnell nicht aus. Es wird Sie nicht überraschen: Selbst die honorigsten Qualitätsmedien berichten überdurchschnittlich häufig über Flugzeugabstürze, -ausfälle und -pannen, aber quasi nie über geglückte Starts und Landungen. Dass täglich Abertausende Flüge völlig professionell, reibungslos, sicher und pünktlich durchgeführt werden, fällt zwangsläufig durch den Rost.

„Alles in bester Ordnung“ hat nun mal keinen Nachrichtenwert.

Das gilt logischerweise auch für die Games-Industrie inklusive Fachpresse. Dass Spiele unfallfrei auf Steam oder im Appstore gelangen, ist daily business. In der Berichterstattung geht es daher meist um Anomalien. Verkaufs-, DAU- und Besucherrekorde auf der einen Seite – Stellenabbau, Standortschließungen, Server-Ärger und Verschiebungen auf der anderen.

Fröhlich am Freitag - die wöchentliche Kolumne bei GamesWirtschaft
Fröhlich am Freitag – die wöchentliche Kolumne bei GamesWirtschaft

Jetzt, da wir auf das Saisonende und den Start in die besinnliche Adventszeit zusteuern, erscheint es angemessen, den Blick mal gezielt auf die eher positiven Dinge zu richten. Also Beobachtungen, die im Tagesgeschäft üblicherweise unkommentiert bleiben, weil sie vielfach als „normal“ oder selbstverständlich angesehen werden. Was sie aber keinesfalls sind.

Ausgewählte Beispiele:

Feststellung 1: Deutschen Spieleherstellern – also Studios und Publishern – geht es im Schnitt besser, als es häufig oberflächlich wirkt. Ja, jeder hat sein Päckchen zu tragen und der Erfolgs-/Kosten-Druck ist weiterhin brutal hoch. Quartals- und Geschäftsberichte warnen aus guten Gründen vor Risiken und Nebenwirkungen. Im Einzelfall muss man sich Sorgen machen, ob und wie lange das gut geht.

Doch viele etablierte Mittelständler und damit Arbeitgeber stehen okay bis sehr gut da; schöne Produkte sind frisch auf dem Markt oder in Entwicklung. Das Brot- und Butter-Geschäft zahlt Mieten und Gehälter – Überschüsse schaffen Spielraum für Investitionen.

Dann: Games-Förderung – auch in diesem Jahr wieder ein Dauer-Aufreger. Und es stimmt ja auch: Mit Ausnahme des Last-Minute-Stipendiums war 2024 ein weiteres verlorenes Jahr. Die Ampel hat bestenfalls verwaltet, aber nicht gestaltet. Die Schelte von Opposition und Bundesrechnungshof hätte es gar nicht gebraucht: Wer Augen im Kopf hat, kann die Defizite erkennen – Gießkannenprinzip, Fehlanreize, zu wenig Nachhaltigkeit, fehlender Geleitschutz für Startups. Was dazu führt, dass überdurchschnittlich häufig junge Studios aufgeben (müssen), sobald die Laufzeit der Förderung endet.

Übersehen wird bei aller berechtigter Kritik aber oft zweierlei: Ohne die Zuschüsse des Bundes gäbe es einige Studios entweder gar nicht oder nicht mehr, zumindest nicht in dieser Form und mit diesem Personal-Tableau. Und zweitens sind entlang der Förderung natürlich auch kommerziell erfolgreiche Games entstanden – etwa Enshrouded, Pioneers of Pagonia oder Anno 1800 für PS5/Xbox, um nur die prominentesten zu nennen. Auffallend oft reüssieren Studios, wo erfahrene Unternehmer am Werk sind – Menschen, die schon das eine oder andere Mal in den Abgrund geblickt haben und die deshalb so schnell nix mehr umwirft.

Und ja, der Bund mag zaudern – doch ungeachtet eigener Haushalts-Not sind etliche Bundesländer wild entschlossen, die Branche nicht hängen zu lassen und auch 2025 in Spiele zu investieren. Gute Nachrichten gab es in diesem Monat aus Bremen und Mitteldeutschland.

Ebenfalls erfreulich: Die Lust auf persönlichen Austausch innerhalb der Branche ist groß wie nie. Damit war nicht zwangsläufig zu rechnen – vielerorts hatte man sich darauf eingestellt, dass es viel, viel länger dauert, bis das Land den Corona-Blues abschüttelt. In Eingangs- und Sanitärbereichen von Hotels, Autobahn-Raststätten und Mehrzweckhallen sieht man vereinzelt immer noch die Schilder der Jahre 2020 und 2021, die auf dringende Einhaltung von Maskenpflicht, Sicherheitsabstand und 2G-/3G-Regelungen verweisen.

All das wirkt wie aus einer anderen Zeit – und so ist es ja auch. Denn mittlerweile sind die Messehallen und Konferenz-Säle wieder pickepackevoll. Egal ob Polaris, Caggtus oder Devcom: Das Event-Geschäft brummt. Das gilt sowohl für große überregionale Publikums-Formate wie die Gamescom als auch für lokale B2B-Networking-Gelegenheiten. Davon profitieren nicht nur die ‚Szene‘ sowie Veranstalter, sondern nachgelagert auch Dienstleister, Agenturen, Hotellerie, Gastronomie.

Und schließlich: Die Industrie lässt sich nicht lumpen. Es passiert viel Gutes – Unternehmen und Kundschaft öffnen Herz und Geldbeutel. Entlang von Loot für die Welt, Friendly Fire, LetsPlay4Charity und vielen, vielen weiteren kleinen und großen Anlässen werden Reichweiten genutzt, um Gelder für den guten Zweck zu sammeln.

Das funktioniert nur, weil sich sehr viele Menschen sehr engagiert einbringen – vielfach ehrenamtlich, vielfach in der Freizeit. Aus medialer Sicht könnten die Vorgänge noch etwas proaktiver kommuniziert werden, damit auch Leute außerhalb der Kernzielgruppe davon erfahren.

Sie sehen: Die Welt mag im Umbruch sein. Aber mit Blick auf Deutschlands Games-Industrie darf man zwischendurch auch mal festhalten: Es ist nicht alles schlecht.

Ein erholsames Advents-Wochenende wünscht Ihnen

Petra Fröhlich
Chefredakteurin GamesWirtschaft


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1 Kommentar

  1. > Ohne die Zuschüsse des Bundes gäbe es einige Studios entweder gar nicht oder nicht mehr, zumindest nicht in dieser Form und mit diesem Personal-Tableau

    Dieses künstliche auf Zwang etwas am Leben erhalten was eigentlich gar nicht mehr Tragfähig ist, ist auch so eine Eigenheit des deutschen Staates, die man vielleicht mal abschaffen sollte. Ein maroder Kaufhof muss genau so wenig am lben erhalten werden wie eine Firma, die sich in ihrem Schaffen verkalkuliert hat. Nur weil etwas auf dem papier gut aussieht muss es noch lange nicht gut gemacht oder Massentauglich sein und Niesche muss man sich auch nicht nur hart erarbeiten sondern leisten können. Dann müssen Startups wie in anderen Branchen auch eben Abends neben dem beruf aus der eigenen garage heraus gegründet werden oder wenn das Kerngeschäft nicht mehr stimmt dann muss man als Unternehmeer so flexibel sein und sich entweder ein weiteres Standbein dazu aufbauen oder die Eier haben und den betrieb einstellen. Am Ende sind es nicht die Chefs, die unter den Umständen leiden, sondern die Angestellten, die erst Crunchen, auf Lohn verzichten und am Ende trotzdem mit einem Tritt aus der Tür befördert werden – danke für nichts! Auch wenn altes dann zu Grunde geht kann durchaus Neues entstehen.

    > Das funktioniert nur, weil sich sehr viele Menschen sehr engagiert einbringen – vielfach ehrenamtlich, vielfach in der Freizeit

    Noch …

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