Start Allgemein Bethesda-Beben: Das Ende der Geduld (Fröhlich am Freitag)

Bethesda-Beben: Das Ende der Geduld (Fröhlich am Freitag)

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In der Games-Branche schwindet die Geduld - bei Publishern, Investoren und Kunden (Abbildung: Midjourney)
In der Games-Branche schwindet die Geduld - bei Publishern, Investoren und Kunden (Abbildung: Midjourney)

Chefetagen, Investoren, Kunden: An vielen Stellen lässt sich eine wachsende Ungeduld in der Games-Industrie festmachen. Woran liegt’s?

Verehrte GamesWirtschaft-Leserin,
verehrter GamesWirtschaft-Leser,

Zzzzzzzzzzzsssssch-Peng!!!

Haben Sie das in dieser Woche auch gehört? Diesen heftigen Knall? Der scheinbar aus dem Nichts kam? Das war ein weiterer Geduldsfaden, der gerissen ist. Diesmal in der Chefetage von Microsoft.

Mit der Konsequenz, dass gleich vier jener Studios geschlossen werden, die der Konzern Anfang 2021 im Rahmen der bis dato teuersten Branchen-Akquise ever erworben hat. Kaufpreis für Zenimax Media inklusive Bethesda (Fallout, Wolfenstein, The Elder Scrolls): 7,5 Milliarden Dollar.

Während das Aus für Arkane Austin nach dem kommerziell wie konzeptionell schwierigen Redfall noch einigermaßen nachvollziehbar erscheint, lässt die Auflösung von Tango Gameworks ungleich mehr Fragen offen. Das japanische Studio hat Titel wie Hi-Fi Rush, Ghostwire Toyko und The Evil Within abgeliefert – keine Blockbuster im klassischen Sinne, klar, aber von der Kritik gefeiert, von Jurys prämiert, von Fans geliebt.

Noch im April 2023 x-te Xbox-Manager Aaron Greenberg, Hi-Fi Rush sei ein „break out hit for us and our players“ – die Erwartungen wären übertroffen worden. Man könne nicht glücklicher sein mit dem, was Tango Gameworks da abgeliefert habe. Und man fragt sich: Was ist eigentlich in den vergangenen zwölf Monaten schief gegangen?

Kein Wunder, dass das Publikum verunsichert reagiert: Denn eigentlich war mit der Spiele-Flatrate Xbox Game Pass ja die Erwartung und die Hoffnung verbunden, dass dadurch auch ungewöhnlichere und damit riskantere Ideen wie eben Hi-Fi Rush realisiert und refinanziert werden können – abseits des Mainstreams. Jetzt gibt es (berechtigte) Zweifel an der Ernsthaftigkeit und Resilienz dieser Verheißung.

Zu den konkreten Gründen für den neuerlichen Kahlschlag wurde in der laufenden Woche eine Menge Meinung zu Markte getragen – basierend auf offiziellen Verlautbarungen und weniger offiziellen Betriebsversammlungen. Denn einerseits braucht Microsoft dringend hochwertigen Stoff für die Spiele-Versorgung der Abonnenten, was die Milliarden und Abermilliarden für Studio-Zukäufe erklärt. Andererseits geht es mit dem Output schleppend voran.

Fröhlich am Freitag - die wöchentliche Kolumne bei GamesWirtschaft
Fröhlich am Freitag – die wöchentliche Kolumne bei GamesWirtschaft

Das merke ich an meinem eigenen Nutzerverhalten, denn seit Weihnachten habe ich kaum Zeit am Gamepad verbracht. Deshalb entschied ich vor ein paar Wochen, mein Game Pass-Ultimate-Abo in den kommenden Monaten zu pausieren. Das fühlt sich ein bisschen an, als würde man als Berufskraftfahrer freiwillig den Führerschein abgeben, zumal die monatlich 14,99 € in meinem Fall zu den steuerlich abzugsfähigen Betriebsausgaben zählen. Trotzdem erschien es mir widersinnig, Mitgliedsbeiträge für einen Service zu entrichten, den ich selten (in jedem Fall aber: zu selten) nutze.

Die Lage ist also offenkundig: Es fehlt an Spielen, die Konsolen verkaufen sich schlecht und ohne die zugekauften Activision-Blizzard-Umsätze wäre Microsofts Games-Geschäft rückläufig. Deshalb seien intern verschiedene Szenarien durchgespielt worden, heißt es. Etwa erneute Preiserhöhungen für den Xbox Game Pass. Eine Aufweichung der Day-1-Politik. Oder zumindest Ausnahmen für AAA-Ware wie Call of Duty.

Dass derartige Indiskretionen nach draußen dringen und Spekulationen ins Kraut schießen, darf niemanden verwundern. Denn durch die radikalen Studio-Schließungen sendet Microsoft zum wiederholten Male binnen weniger Monate ausgesprochen widersprüchliche Signale an Belegschaft, Kunden und Industrie. Signale, die wahlweise den Eindruck hinterlassen, dass es keine Strategie gibt. Und falls doch, dass diese Strategie nicht funktioniert.

Daher ist auch die Geduld mit Phil Spencer endlich. Selbst bei bekennenden Fans im Netz und in den Kommentar-Spalten der US-Medien wird der Xbox-Boss angezählt. Kotaku – selten um Zuspitzung verlegen – mahnte, es sei an der Zeit, „to stop Spencer giving a pass“. Was einerseits auf den Game Pass anspielt – andererseits bedeutet die Redewendung eben auch, man dürfe nicht länger über Probleme hinwegsehen oder Ausflüchte suchen. Zur Erinnerung: Erst im Februar mussten eilig Barhocker für eine Talk-Runde organisiert werden, in deren Verlauf Spencer, Studio-Chef Matt Booty und Sarah Bond dem Eindruck entgegen traten, Xbox-exklusives Tafelsilber werde auf der PlayStation versilbert. Wirklich vom Tisch scheint das Thema nicht.

Im Ergebnis lautet die Anamnese: Unsicherheit. Keine Niederlassung, kein Studio, kein Angestellter kann sich vollends sicher sein, auch künftig stolzes Mitglied von #TeamXbox zu sein. Weil eben niemand weiß, welche Kennzahlen gerade nicht in den Kram passen: zu klein, zu groß, zu günstig, zu teuer, zu nischig, zu innovativ, zu me-too. Irgendein Argument wird sich schon finden, um „With heavy heart“-Maßnahmen zu ergreifen.

Nun ist Microsoft beileibe nicht das einzige Unternehmen, das zur Ungeduld neigt. Dabei sind es genau die Attribute, die im Lichte der Lage am meisten gebraucht würden. Und die derzeit am Markt besonders dürftig ausgeprägt sind. Denn die Nervosität durchzieht die komplette Branche, allen voran bei börsennotierten und somit quartals-getriebenen Konzernen – von Electronic Arts über Embracer und SEGA bis hin zu Sony PlayStation.

Besonders deutlich sind die Microsoft-Parallelen bei Take-Two Interactive. Auch dieser US-Publisher hat mit dem Mobilegames-Riesen Zynga milliardenschwere Zukäufe getätigt. Doch mit Blick auf den Heilsbringer Grand Theft Auto 6 wird die Geduld von Aktionären und Spielern auf eine harte Probe gestellt. Derzeit lautet der Zielkorridor: 2025. Aber es würde ungefähr niemanden verwundern, wenn es doch 2026 wird.

In der Zwischenzeit hat das Take-Two-Controlling analysiert, was hohe laufende Kosten bei zu geringen Erlösen produziert – und ist dabei auf Private Division gestoßen. Die Sparte hat sich seit 2017 auf ausgewählte Indie-Perlen fokussiert. Take-Two legt kein klares Bekenntnis zur Zukunft von Private Division ab – Nachfragen werden weitläufig umdribbelt. Aber es ist naheliegend, dass auch in diesem Fall die Geduld schwindet: Zwei der prominentesten Studios wurden geschlossen – Dutzende Stellen im administrativen Bereich fallen weg.

Schwindende Geduld ist auch der Grund, warum die Münchener Holoride GmbH unter die Räder gekommen ist: Das Startup hat eine marktreife Technologie entwickelt, die VR-Spiele mit dem Fahrverhalten des Autos synchronisiert. Trotz massiver Unterstützung von Audi fanden sich zu wenige Kunden, die für diese Erfahrung 600 bis 700 € in die Hand nehmen und ein 12,99 €-Monats-Abo abschließen wollten. Weil die Anteilseigner wenig Bereitschaft zeigten, kurzfristig weiteres Geld nachzuschießen, erschien der Weg zum Amtsgericht alternativlos.

Dass Holoride in die Eisen steigt, ist ein Rückschlag fürs In-Car-Gaming – ein Markt, der mich offen gestanden weiterhin etwas ratlos macht. Bis zum Nachweis des Gegenteils halte ich es für wahrscheinlicher, dass Menschen auch perspektivisch so schnell und so komfortabel wie möglich von A nach B reisen wollen, unabhängig vom Verkehrsmittel. Und dass sich deshalb die allerwenigsten länger im Auto aufhalten möchten als unununbedingt nötig, zumindest als Bei- oder Mitfahrer.

Und wie wenig sich Geduld mit Mobilität verträgt, wird sich ja gerade jetzt – zum Auftakt der Pfingstferien – auf der linken Autobahn-Spur und bei zähfließendem Verkehr besichtigen lassen.

Ein schönes Wochenende und allzeit viel Gelassenheit wünscht Ihnen

Petra Fröhlich
Chefredakteurin GamesWirtschaft


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3 Kommentare

  1. Sony wird sich vor Freude kaum einkriegen können. Der Weg mit PSN + AAA-Spiele zum vollen Preis ist der richtige. Der Konzern hat alles komplett richtig gemacht!

  2. Ich möchte noch folgendes ergänzen:

    Nicht nur Investoren sitzen den Studios buchstäblich im Nacken sondern auch Jahrzehnte von fehlenden Investitionen in Arbeitsabläufe und nicht zuletzt Technologie. Was bei der Bahn gillt, trifft auch in der Branche zu, man kann nicht auf einer zunehmend veralteten Infrastruktur herumreiten und glauben, dass je mehr Druck ausgeübt wird auch bessere Ergebnisse zu Tage kommen. Im Gegenteil, gerade veraltete Werkzeuge und eingesessene Mitarbeiter die den Tonus vertreten „ham wa schon immer so gemacht“ bremsen zunehmend die Branche aus und Investitionen seitens der Studios sind – nicht existent.

    Solange sich die Chefetagen weigern längerfristig als nur bis zum nächsten Quartalsbericht zu denken – und auch zu investieren – so lange wird sich der Zustand auch auf Dauer nicht bessern. Vielleicht erleben wir ja endlich den notwenigen Wandel des Marktes, weg von AAA-Produktionen im mehrstelligen Millionenbereich hin zu mehr kreativer Freiheit im Indie- und AA-Sektor. Wenn das nächste Palworld, Enshrouded, Hades oder welche Spiele auch immer aus dem Dunklen zu Tage treten nachdem der AAA-Wald beginnt sich zu lichten, solange die großen Studios und allen voran Ubisoft durch diese Titel der Rang abgelaufen wird, so lange wird das Waldsterben nicht aufhören. Aber wie immer ind er Natur, aus jedem Buschfeuer entsteht anschließend eine neue Changse für frischen Nachwuchs.

    Es wird immer Spieleentwickler geben, auch wenn die Dinosaurier schon längst ausgestorben sein werden!

  3. Die Branche ist nur wegen zwei dingen am ende, live service games und schlechte open world titel.

    wer service games mag der ist mit den bestehenden so verbunden, dass er nichts neues will.

    open worlds sind leider nicht bigger is better sondern meist schlecht, leer und trist. es sollten wieder mehr gute single player spiele gemacht werden. multiplayer und service games sind nicht praktikabel für die gamerschaft welche nicht gerade twitch streamer oder youtuber ist

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