Start Meinung Die 5 Baustellen von Sony PlayStation (Fröhlich am Freitag)

Die 5 Baustellen von Sony PlayStation (Fröhlich am Freitag)

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Gleich mehrere Großbaustellen belasten das PlayStation-Geschäft von Sony Interactive (Abbildung: ähnlich / Midjourney)
Gleich mehrere Großbaustellen belasten das PlayStation-Geschäft von Sony Interactive (Abbildung: ähnlich / Midjourney)

Braucht der PlayStation-Konzern ein neues Geschäftsmodell? Der Führungswechsel an der Spitze von Sony Interactive böte dazu Gelegenheit.

Verehrte GamesWirtschaft-Leserin,
verehrter GamesWirtschaft-Leser,

PlayStation-President Jim Ryan geht in den Ruhestand – nach 30 Jahren in Diensten von Sony. Mit ihm verlassen weitere 900 Beschäftigte das Unternehmen, allerdings ungleich unfreiwilliger. Denn der japanische Konzern hat in dieser Woche empfindliche Einschnitte angekündigt. Es waren weiß Gott nicht die ersten ihrer Art – und sicher auch nicht die letzten. Die nächsten ‚incredibly difficult decisions‘-Mails liegen sicher schon vielerorts im Entwurfs-Ordner.

Analog zu Mitbewerber Microsoft, wo die eingepreisten Synergien infolge des Activision-Blizzard-Deals schneller und brutaler gehoben wurden als erwartet, mag der Sony-Vorgang auf den ersten Blick wie eine weitere, unkreative Kostensenkungs-Sofortmaßnahme wirken.

Doch das greift zu kurz, denn die Probleme liegen tiefer. Oder wie es PlayStation-Studios-Boss Hermen Hulst formuliert: Die Art und Weise, wie Spiele entwickelt, vermarktet und genutzt werden, habe sich grundlegend verändert. Was er konkret damit meint, lässt er im Ungefähren.

Fröhlich am Freitag - die wöchentliche Kolumne bei GamesWirtschaft
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Jedenfalls scheint Sony auf diese veränderte Marktlage bedingt gut vorbereitet, zumal sich am Geschäftsmodell seit 1994 ja nicht wahnsinnig viel verändert hat. Das Motto lautet weiterhin: So viele Kartons wie möglich durchverkaufen – und nachgelagert an hochmargigen 80-€-Spielen und Provisionen verdienen.

Deshalb ist die Kennzahl ‚installed base‘ – also die Zahl der betriebsbereiten Konsolen – ja so wichtig. Nach wie vor erwirtschaftet zum Beispiel die hiesige Sony Interactive Entertainment Deutschland GmbH 90 Prozent ihrer Einnahmen mit Konsolen, Kabeln und Controllern. Der Software-Umsatz wird andernorts verbucht und steuert konzernweit 60 bis 70 Prozent bei, ähnlich wie bei Nintendo.

Jedes einzelne, nicht-verkaufte Gerät schlägt automatisch auf alle nachgelagerten Segmente durch – auf nicht verkaufte Spiele und Gamepads, auf nicht abgeschlossene Abos und auf nicht zustande kommende In-Game-Umsätze. Keine Konsole – keine Kohle, so einfach.

Was macht die Lage bei Sony Interactive nun so … herausfordernd? Hier die unvollständige Liste der größten PlayStation-Baustellen:

Baustelle 1: Explodierende Entwicklungskosten

Studios wie Insomniac Games, Naughty Dog, Guerilla Games und weitere Entwickler der Dachmarke PlayStation Studios zählen zu den Juwelen im Sony-Portfolio – deren Games gelten serienmäßig als Spiel-des-Jahres-Anwärter.

Doch selbst vor diesen Edel-Studios hat der jüngste Stellenabbau nicht halt gemacht. Warum? Weil diese Filialen nur im Abstand von drei, vier Jahren größere Games veröffentlichen und in der Zwischenzeit munter weiter (Personal-)Kosten produzieren. Wird ein Projekt später fertig oder gar vorzeitig gestoppt, potenziert sich der Druck.

Für dieses Dilemma aus XXL-Erwartungshaltung und XXL-Budget gibt es wenige gute Auswege, die auf Dauer dem Cashflow helfen – Release-Taktfrequenz erhöhen? An Umfang und Qualität sparen? Outsourcing? Noch mehr Remakes und Remasterings?

Baustelle 2: Abhängigkeit von Singleplayer-Games

15, 20, vielleicht auch 30 Stunden – länger braucht ein durchschnittlich talentierter Spieler nicht, um ein The Last of Us Part 2, Ratchet & Clank: Rift Apart oder Spider-Man 2 durchzuspielen. Solche Solo-Abenteuer sorgen für punktuell hohe, aber eben einmalige Umsätze. Bei Electronic Arts, Activision Blizzard, Take-Two und Ubisoft lautet die Devise hingegen: weg von kleinteiligem Offline-Gedöns, volle Kraft voraus bei ‚endlosen‘ Live-Service-Games.

Sony sucht neuerdings das Heil in diesem Segment – und der bemerkenswerte Erfolg des Online-Shooters Helldivers 2 scheint diese Strategie zu bestätigen. Doch der personalintensive, laufende Betrieb solcher Spiele plus der enorme Bedarf an stetem Nachschub erfordern erst recht massive Langzeit-Investitionen in einem extrem umkämpften Markt mit ungleich erfahreneren ‚Gegnern‘.

Erzwingen lässt sich diese Transformation ohnehin nicht, wie das Beispiel des Sony-Studios Naughty Dog zeigt, wo jüngst die Arbeiten an einem Last-of-Us-Multiplayer-Spiel eingestellt wurden.

Baustelle 3: Quo Vadis PlayStation VR2?

Als Einziger der drei großen Konsolen-Hersteller bespielt Sony Interactive das Thema Virtual Reality. Stramme 599,99 € kostet das PlayStation VR2-Headset – zuzüglich Konsole und Spiele. Runtergebrochen auf Euro pro Spielstunde ist das eine Menge Geld.

Seit einem Jahr ist das Paket auf dem Markt – Verkaufszahlen nennt der Konzern nicht. Doch im Markt gibt es erkennbare Sorge, dass Geduld und Zutrauen schwinden. Kürzungen bei konzerneigenen Sony-Entwicklern sind nicht zwingend ein mutmachendes Signal – gerade in Richtung externer Indies und Publisher, die ja jetzt zu entscheiden haben, welche VR2-Spiele 2025 aufwärts erscheinen. Die für gewöhnlich gut informierten Early Adaptor reagieren sensibel auf solche Schwingungen.

Jetzt soll PlayStation VR2 nachträglich auch PC-Besitzer überzeugen und dort mit Meta Quest 3 & Co. konkurrieren – dabei kann man nur viel Glück wünschen.

Baustelle 4: First-Party-Ebbe

Wenn man weiß, dass Sony-Blockbuster wie Marvel’s Spider-Man 2 zwei, drei Jahre vor geplanter Veröffentlichung angekündigt werden, dann sieht es für 2024 mau aus. Für potenzielle PS5-Käufer gibt es daher absehbar wenige zwingende Gründe, gerade jetzt, hier und heute, eine Konsole zu erwerben.

Dabei sind solche Blockbuster ein elementarer Bauteil im Sony-Geschäftsmodell, weil sie Hardware durchverkaufen – aus guten Gründen werden regelmäßig Bundles aufgelegt.

2022 war die Welt diesbezüglich noch in Ordnung – dank Horizon: Forbidden West, Gran Turismo 7 und God of War Ragnarök. Anders 2023: Von den 20 meistgekauften PS5-Spielen im PlayStation Store stammt ein einziges – nämlich Spider-Man 2 – von Sony selbst, dafür (mittlerweile) drei von Microsoft. Um Lücken schnell zu schließen, bleiben nur Exklusiv-Deals oder aber der Zukauf populärer Marken.

Und schließlich Baustelle 5: Die PlayStation 5 ist zu teuer

Es ist keine 18 Monate her, da hätte mancher Videospielefan seine Großmutter väterlicherseits gegen eine PlayStation 5 eingetauscht. Die pandemie-bedingten Lieferengpässe begannen mit der Markteinführung im November 2020 und hielten volle zwei Jahre lang an.

Zwar hat Sony im Weihnachtsgeschäft 2023 deutlich mehr PS5-Konsolen abgesetzt als im Jahr zuvor, aber gleichzeitig die Planzahlen einkassiert: Das Ziel von 25 Mio. Geräten im Geschäftsjahr 23/24 wird um 5 Mio. Stück verfehlt – die Aktionäre reagierten not amused. An der Börse zählt das Futur, nicht das Präteritum.

Eigentlich wäre dies Anlass genug, um die Preise zu senken, wie es im Konsolen-Biz üblich ist. Doch bei der PlayStation 5 (und auch bei Microsofts Xbox Series X) ist exakt der gegenteilige Effekt eingetreten: Seit August 2022 gilt die PS5-UVP von 550 € – ein Aufschlag von 50 € beziehungsweise 10 Prozent gegenüber dem ursprünglichen Tarif.

Beim Vorgängermodell PlayStation 4 wurde der Listenpreis schon nach zwei Jahren von 399 € auf 349 € reduziert – 2016 folgte die PS4 Slim für 299,99 €. Bedeutet in der Praxis: Die UVP der PlayStation 5 liegt derzeit 250 € (!) über dem Preis einer PlayStation 4 zum gleichen Zeitpunkt. Das muss man sich leisten können – und wollen.

Sony hilft mit Rabatt-Aktionen nach, die in immer kürzeren Abständen stattfinden – der jüngste PS5-Winterschlussverkauf läuft gerade, zeitnah dürften „Nur für kurze Zeit“-Oster-Angebote folgen. Doch die Nachlässe belasten die ohnehin dünne Rendite – die Spielräume sind begrenzt, will man nicht auf Dauer draufzahlen.

Wir lernen: Es ist kompliziert. PlayStation-Boss Ryan verabschiedet sich mit einer geradezu atemberaubenden Bilanz, hinterlässt seinem Thronfolger aber kurz- und mittelfristig etliche Großbaustellen: Die Kosten sind viel zu hoch, die Margen viel zu niedrig. Die kommenden Monate werden zeigen, welche Lösungen das Sony-Management findet.

Falls Sie sich in dieser Rolle sehen – jetzt wäre Ihre Chance: Noch hat Sony Interactive nicht verraten, wer ab April auf Ryan folgt.

Ein schönes Wochenende wünscht Ihnen

Petra Fröhlich
Chefredakteurin GamesWirtschaft

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3 Kommentare

  1. Jim Ryan hat alles andere als eine „atemberaubende Bilanz“, sonst wäre er auch nicht in den Ruhestand geschickt worden.
    „und der bemerkenswerte Erfolg des Online-Shooters Helldivers 2 scheint diese Strategie zu bestätigen“ Helldivers 2 ist eine Ausnahme. Die live service-Strategie von Sony ist komplett nach hinten losgegangen und viele Projekte wurden eingestellt. Dies dürfte auch der Grund sein warum Jim Ryan gehen musste.

    • Woher rührt der Eindruck, dass Ryan gehen ‚musste‘? Das Zahlenwerk für 2023 sieht ja nach wie vor sehr anständig aus. Und: Für eine Konsolen-Markteinführung in Pandemie-Zeiten gibt es ja nicht viele Blaupausen.

      • Jim Ryan profitierte von der schon vorhandenen Ausrichtung aus der PS4-Zeit und auch von der Pandemie (wie der gesamte Videospielmarkt). Alles neuen Einflüsse von Jim Ryan waren sehr bescheiden wie eben die Strategie mit den Live-Service Games.

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